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Taschenschmutz. All das beweist, daß die Spitze unbeachtet längere Zeit in der Brusttasche gesteckt hat. – Bemerken Sie sonst noch etwas daran, Schraut?“ – „Natürlich. Hier ist ein Rest von Ölfarbe auf dem Papier. Es sieht so aus, als hätte Bremer mal mit Farbe hantiert und dabei geraucht. Der beschmutzte Finger hat dann diesen Fleck an der Spitze zurückgelassen.“ – „Ganz recht. – Sonst noch was?“ – „Nein –“ Ich sah wirklich nichts mehr. – „Gut – lassen wir’s,“ meinte Harst und schob die Papierspitze in die Tasche. „Berichten Sie nun mal, was Sie vorhin andeuteten. Sie haben Bremer also kennen gelernt?“

Ich erzählte mit allen Einzelheiten. Als ich fertig war, fragte Harst: „Wie steht’s mit Haar und Bart? Echt oder nicht?“ – Ich mußte zugeben, daß ich mich heute vormittag getäuscht hätte, als ich den Spitzbart auf die Entfernung hin für falsch hielt. „Bremer ist in keiner Weise verkleidet,“ betonte ich dann nochmals. „Nein – denn er sieht hier ja genau so aus, wie ihn mir die Müller beschrieben hat,“ sagte Harst langsam und mit Betonung des „genau so“. – „Desto schwieriger liegt der Fall aber auch für uns, lieber Schraut,“ fügte er ebenso bedächtig hinzu. „Stellen Sie sich vor: Bremer wagt sich unverändert hierher! Ist das nicht der Beweis eines guten Gewissens? – Doch nein: vielleicht nur der Beweis unerhörter Kühnheit eines riesigen Selbstvertrauens und zweifelfreisten Sicherheitsgefühls! Denn, darin gebe ich Ihnen recht: Das ironische Lächeln, das gar nicht am Platz war, macht ihn verdächtig. Noch mehr aber –“ Er brach plötzlich ab, stand auf, ging ein paarmal im Zimmer auf und ab – sehr hastig mit gesenktem Kopf, blieb dann vor mir stehen. – „Schraut, ich muß noch schnell in einen Eisenwarenladen. Ich bin gleich wieder da –“ Er eilte von dannen. Und ich saß und grübelte über seine Worte nach: „Noch mehr aber –“ – Ja, was konnte wohl Bremer noch mehr verdächtig machen, was nur? – Als Harst zurückkehrte, grübelte ich noch immer, erlaubte mir nun die Bitte: „Sie beendeten vorhin einen Satz nicht ganz, Herr Harst. Dürfte ich Sie um –“ – „Weiß schon Bescheid. Nun, – der Sensationshunger

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/108&oldid=- (Version vom 1.8.2018)