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hatte sich über ihn gebeugt, hob ihn nun an einer Seite an. Der Schlüssel steckte. Er schlug den Deckel hoch. – „Wem gehört dieses Ungetüm?“ fragte er Schilling.

„Nun, den Reuperts.“

„So? – Sie kamen doch nur mit zwei Koffern und einer Handtasche hier an, die sie dann bei ihrer Flucht zurückgelassen haben und die ja auch hier stehen. – Woher der dritte Koffer? – Ich habe ihn in keiner Zeitung erwähnt gefunden. Und dabei haben Sie doch die Presse sehr genau von allem unterrichtet.“

„Gewiß – über alles, was wichtig war, Herr Harst. Der Musterkoffer erschien uns ohne Bedeutung. Er wurde den Reuperts am 3. Mai mittags gegen halb zwölf von einem Dienstmann gebracht, wie wir einwandfrei festgestellt haben. Der Dienstmann war selbst noch hier im Zimmer. Die Reuperts waren allein und machten recht erstaunte Gesichter. Er überreichte ihnen einen versiegelten Brief, der den Schlüssel enthielt. Den Koffer hatte ihm ein Herr auf der Straße übergeben, der in einem Auto saß und den Koffer neben sich hatte. Er hatte dem Dienstmann gesagt: „Ich habe mir diesen Koffer von den Herren Reupert geliehen, die im Hotel Sonnenschein wohnen. Bringen Sie ihn sofort hin. Hier sind zehn Mark für die Besorgung.“ – Jedenfalls war der Mord noch nicht geschehen, als der Koffer kam. Mithin hatte er für uns keine Bedeutung.“

Harst sah Schilling versonnen an. „So – keine Bedeutung? – Und doch – ist er eins der fehlenden Glieder meiner Beweiskette. – Hier – bitte sehen Sie her – hier ist an der Seite des Koffers irgend ein Zeichen oder sonst was mit Ölfarbe –“ Er sagte all das ganz langsam. „Und der Fleck auf Bremers Zigarrenspitze zeigt dasselbe auffällige Rosa. Es ist nun alles klar, – bis auf Bremers Wunsch, hier mal eine halbe Stunde allein zu sein. – Was mag er hier suchen wollen? Ob er etwas beiseite schaffen will, das ihm gefährlich dünkt? Wohl kaum! Läge für ihn eine so nahe Gefahr vor, daß man ihm auf die Spur kommen könnte, hätte er sich

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/120&oldid=- (Version vom 1.8.2018)