Seite:Zwei Taschentücher.pdf/121

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

niemals hierher getraut. – Nein – etwas – etwas anderes. – Was – was?“

Wir, Schilling und ich, standen ganz atemlos da, ganz regungslos. Wir ahnten beide, daß nun endlich die Wahrheit über diesen Mord an den Tag gekommen, daß aber auch alles, was man bisher als feststehend angenommen, falsch gewesen.

Harst zündete die zweite Mirakulum an, sagte wie zu sich selbst: „Was will er hier? Was in aller Welt? – Ah – sollte etwa –“ Sein Kopf war hochgefahren.

„Schilling, sind diese Zimmer 46 und 47 ganz sorgfältig durchsucht worden?“ fragte er schnell. – Der Wachtmeister nickte. – „Ich will’s trotzdem nochmals tun. Setzen Sie sich wieder. – Ich fange in 46 an.“

Die Verbindungstür war halb offen. Er verschwand.

„Begreifen Sie die Geschichte?“ meinte Schilling leise. „Was hat er nur mit dem Koffer? – Nun – mag sein, daß das Ding Bremer gehört, daß Bremer es war, der mit rosa Farbe eine Signatur darauf ausgelöscht hat! Aber – mit dem Morde hat das doch nichts zu schaffen?!“

Ich zuckte die Achseln. „Ich verstehe genau so wenig wie Sie davon. Harst hält jedenfalls Bremer für den Mörder. Das ist sicher. Aber –“ Doch meine Zweifel behielt ich für mich. – Schilling holte seine Zigarrentasche hervor. „Rauchen wir auch, Herr Schraut! – Übrigens gratuliere ich zur Amnestie.“ Er drückte mir die Hand. Dann schwiegen wir und warteten. Wir hörten Harst in 46 hin und her gehen. – Vor den Fenstern von 46 und 47 zog sich ein schmaler Balkon hin. Auf dem Eisengitter standen an den Ecken zwei große Blumentöpfe mit hängenden Petunien. Jetzt tauchte Harst dort auf. Wir schauten hin. Er nahm den einen Topf und – kippte ihn um. Der Blumenballen fiel auf den Balkon. – Harst stand vor uns, ließ uns in den Topf hineinsehen. Auf dem Boden lag eingepreßt ein in feuchtes, braunes Papier gehülltes Päckchen.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/121&oldid=- (Version vom 1.8.2018)