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Harst half ihm und dem Kriminalwachtmeister Salewski, einem der besten Beamten der Berliner Polizei, bei dieser Arbeit. In Margas behaglichem Zimmer packte ihn abermals für Sekunden ein namenloser Jammer, dem er zu erliegen drohte. Stolten sah den halb irren Blick seiner umflorten Augen, sagte leise: „Denken Sie an die Vergeltung, Herr Assessor! Das lenkt die Gedanken wohltätig ab!“

Das war das rechte Wort zur rechten Zeit. – Vergeltung! Marga sollte gerächt werden! – So war er denn jetzt der eifrigste bei dieser peinlich genauen Durchsuchung, der nichts entging, bei der jede Kleinigkeit sorgfältig geprüft wurde, besonders alles, was an Briefen und Schriftstücken vorhanden. Doch – auch diese zweistündige Arbeit war umsonst. Dann fragte Stolten den Präsidenten und die beiden Hausangestellten, die bejahrte Köchin Marie und das Stubenmädchen Helene, beide seit Jahren bei Mildens im Dienst und goldtreu, danach aus, ob Marga vielleicht in letzter Zeit oder gar heute früh von einer ihr fernstehenden Person oder in sonstwie auffälliger Art an den Fernsprecher gerufen worden wäre. Er betonte bei dieser zwanglosen Besprechung, der er alle Förmlichkeit nahm, um die beiden Mädchen nicht einzuschüchtern, daß hier jede, auch die unscheinbarste Beobachtung von großem Wert sein könnte.

Abermals nichts! Das Dunkel, in das dieser Mord gehüllt war, wurde nur noch undurchdringlicher. – Der Präsident Stolten und Harst vereinbarten nun, daß eine Belohnung von 20 000 Mark für die Ermittlung des Täters oder für sachdienliche Angaben ausgesetzt werden sollte.

Erst gegen sieben Uhr abends war Harst wieder daheim. Seine Mutter nahm die Hände ihres großen Jungen in die ihren und ließ sich erzählen, was er inzwischen getan hatte. Sie war eine einfache Frau geblieben, trotz des Millionenvermögens, war auch eine kluge Frau, soweit es auf Lebenserfahrungen und praktischen Blick ankam. Sie hätte es gern erreicht, daß ihres Sohnes ungeheurer Schmerz sich in Tränen Luft gemacht hätte. Diese Starrheit an ihm, diese unnatürliche Ruhe, mit der er von den Bemühungen der Polizei sprach, erschreckten sie.

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/14&oldid=- (Version vom 1.8.2018)