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fragte, ob Stolten es für zweckdienlich hielte, nochmals eine große Anzeige unter Hervorhebung der Belohnung von 20 000 Mark in die Zeitungen einzurücken. Der Kommissar meinte, schaden könnte es nichts, obwohl er die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hätte, daß der Mord an Marga Milden jemals aufgeklärt werden würde. Harst nahm das Tüchlein vom Tisch und besichtigte es, hielt es auch gegen das Licht und sagte so nebenbei:

„Die Ermordete scheint Schminke benutzt zu haben. Ich sehe hier einen rötlichen Schimmer in der einen Ecke.“

„Ganz recht, Herr Assessor. Es wird Schminke sein. Die Tote war ja auch wie eine Theaterprinzessin fünften Ranges gekleidet – alles Schein und Schund!“

Harst entschuldigte sich, abermals gestört zu haben, und fuhr mit der Ringbahn bis Schmargendorf. Er hätte „sein“ Tüchlein, das dem andern ja völlig glich, leicht gegen dieses bei Stolten vertauschen können. Er hatte es auch beabsichtigt, um das andere bei Doktor Heiker gleichfalls auf Spuren von Fettschminke untersuchen zu lassen, aber es war dann nicht mehr nötig gewesen. Er hatte ja selbst die rötliche Stelle in der einen Ecke bemerkt.

Seit Wochen spielte jetzt wieder einmal ein leises Lächeln um Harald Harsts Lippen. Es war ein Lächeln voller Zufriedenheit mit dem, was er bisher erreicht hatte.

In dem alten Hause in der Blücherstraße empfing ihn die Mutter mit der Mitteilung, der Schauspieler hätte bereits zweimal vor kurzem Harald am Telephon verlangt. „Du sollst diese Nummer hier anrufen. Ich habe sie mir aufgeschrieben, mein Junge,“ fügte sie hinzu.

Harst hatte den Komiker-Maxe, den er seiner Mutter als harmlose Zufallsbekanntschaft vorgestellt hatte, denn vor einem Taschendieb und Ausbrecher hätte selbst das mitleidige Herz Frau Augustens wohl gestreikt, sehr bald am Apparat.

„Sie ist mit Koffer, Karton, Hutschachtel und zwei Schirmen um elf Uhr von M’s direkt nach dem Stettiner Bahnhof mit der Straßenbahn gefahren,“ meldete Schraut. „Dann hat sie eine Fahrkarte nach Pasewalk gelöst und sitzt nun im Wartesaal, da ihr Zug erst zwei Uhr dreißig abgeht.“

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)