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Wasser gelegen haben mußte und deren Schädeldecke durch Hammerschläge zertrümmert worden war, während das Gesicht – fraglos von dem Mörder – durch Messerschnitte vollständig unkenntlich gemacht worden war. – „Abermals eine ziemlich aussichtslose Sache,“ meinte Stolten mißgestimmt. „Nichts ist an der Leiche vorhanden, das eine Rekognoszierung erleichtert. Aus der Wäsche sind sogar die Monogramme herausgeschnitten worden.“ Er faßte in die Brusttasche und holte ein in Zeitungspapier gehülltes flaches Päckchen heraus und warf es auf den Tisch. „Nur ein Taschentuch fand ich bei der Toten, die noch jung gewesen sein muß und deren Kleidung billigster Tand ist.“

Harst griff nach dem Päckchen mit einem „Sie gestatten doch“, wickelte das noch feuchte Tüchlein aus und sagte dann, nachdem er es berochen hatte: „Wie lange gerade Patschuli selbst im Wasser seine Duftkraft bewahrt!“

„Stimmt!“ meinte Stolten. „Auch die Seidenbluse der Ermordeten hat den Geruch noch festgehalten.“

Harst hatte alle Mühe, seine Erregung zu verbergen.

„Die Tote bleibt doch noch einige Zeit im Schauhause?“ fragte er nun. „Ich möchte sie mir ansehen. Seit dem Morde an meiner Braut interessieren mich alle Kapitalverbrechen.“ Dann verließ er das Präsidium.

Stolten sagte kopfschüttelnd zu Salewski: „Merkwürdig! Bisher habe ich nichts davon bemerkt, daß Harst für Morde größeres Interesse hat. Nun – mag er! Für den armen Menschen wär’s ganz gut, wenn er sich bemühte, sein Unglück zu vergessen.“ –

Harald Harst begab sich zu Doktor Heiker. Dieser begrüßte ihn sofort mit den Worten: „Ihre Vermutung trifft zu. Das Taschentuch muß von Tränen ganz durchweicht gewesen sein. Außerdem befindet sich darauf am Rande ein Fleck von roter Fettschminke.“

Harst dankte, zahlte vierzig Mark und kehrte, das von ihm leicht angefeuchtete Tüchlein in der äußeren Jackentasche, nach dem Präsidium zurück. Stolten war noch mit dem Bericht über den neuesten Fall beschäftigt. Das bei der Wasserleiche gefunden Tuch lag neben ihm auf dem Schreibtisch. Harst

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)