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Reise nach Szentowo seinen neuen Lebensabschnitt einleitete – seine Tätigkeit als Liebhaberdetektiv. Er, der bisherige Staatsanwaltschaftsassessor hatte ja gerade durch die Ermittlung des Mörders seiner Braut abermals bewiesen, wie sehr er sich für diesen ganz besonders geartete Fähigkeiten erfordernden Beruf eignete, dessen Vorbedingungen, weitumfassende Allgemeinbildung und ebenso gründliche Kenntnis aller mit der Kriminalistik eng zusammenhängenden Wissensgebiete, in seiner Person aufs beste erfüllt waren.

Er saß jetzt zurückgelehnt da und schaute sinnend durch das Fenster auf die im hellen Frühlingssonnenschein daliegende Straße hinaus. – Das Geheimnis des Szentowo-Sees. – Das war alles, was seine Wettgegner ihm mitgeteilt hatten. Um welche Art von Geheimnis es sich handelte, dies hatten sie ihm festzustellen überlassen. Es mußten jedenfalls mit diesem See mysteriöse Vorgänge verknüpft sein, die zum mindesten dort in jener Gegend ziemlich allgemein bekannt waren. Und Harst ließ seine Phantasie nun spielen und erwog, wie beschaffen diese Rätsel sein könnten. – Lag ein unaufgeklärtes Verbrechen, etwa ein Mord, vor? – Wohl kaum. Sonst hätten die Wettgegner dieser ersten Aufgabe eine genauere Fassung gegeben.

Es klopfte. Harst rief Herein. Es war Max Schraut, der frühere Komiker und Taschendieb, den er bei den Ermittlungen nach Marga Mildens Mörder bereits als treuen und gewandten Gehilfen schätzen und als reuigen Entgleisten kennen gelernt hatte. Schraut spielte hier im Hause der Frau Auguste Harst den würdigen, älteren, graubärtigen Herrn, während er doch kaum die vierzig erreicht hatte und ohne falschen Bart und Perücke ganz anders aussah. Diese Verkleidung war nötig, denn die Polizei war hinter ihm als entsprungenen Strafgefangenen drein.

„Herr Harst, ich habe soeben die Morgenblätter durchgesehen,“ begann er sofort eifrig und breitete auf dem Schreibtisch die am meisten gelesene Zeitung Berlins aus. „Denken Sie: die ganze Wettgeschichte steht schon haarklein unter Allerneuestes, und selbst unsere erste Aufgabe ist erwähnt, was für uns insofern sehr angenehm ist, als der Verfasser dieses

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)