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den Kopf? – Ganz richtig – ein wenig hochmütig und selbstbewußt. Aber auch – nicht ganz wahrheitsliebend, scheint mir!“

„Woraus entnehmen Sie letzteres, Herr Harst?“ fragte der neu erstandene Max Schüler erstaunt. „Und – weshalb sollte er Sie wohl zu belügen versucht haben?!“

Harst stand auf, zog seinen eleganten Hausrock aus und erwiderte: „Er sagte, er wäre – „sofort, ohne Zögern –“ hierher geeilt. Er betonte also, wie er auf der Stelle ohne sich lange zu bedenken, sich auf den Weg gemacht hätte. Er ist ein gebildeter Mann, Schriftsteller, von dem man annehmen muß, daß diese Häufung von Ausdrücken – „sofort, ohne Zögern“ – kein sprachliches Ungeschick gewesen, sondern bewußt geschehen ist. – Wir haben jetzt genau zehn Uhr. Wissen Sie, was vor zweieinhalb Stunden sich ganz unvermutet ereignete?“

„Ah – Sie meinen die eine Wolke, die uns einen kurzen, aber heftigen Regenguß brachte, Herr Harst, – nicht wahr?“

Harald Harst nickte. „Den Regen meine ich, ganz recht. – Haben Sie nun bemerkt, daß Blenkners Lackstiefel recht beschmutzt waren?“

„Allerdings nicht. Ich gab darauf nicht acht –“

„Sie hätten es tun sollen. Die Stiefel deuteten ja gerade darauf hin, daß er ein wenig mit diesem „sofort ohne Zögern“ geschwindelt hat.“

„Jetzt verstehe ich, Herr Harst. Die Regenfeuchtigkeit hätte auf den Straßen durch die Sonne längst beseitigt gewesen sein müssen, wenn er – er traf hier gegen halb zehn ein – wirklich erst sagen wir um neun das Pensionat verlassen haben würde, um zu uns zu kommen.“

„Sie entwickeln sich, lieber Schüler. – Ich behaupte nun sogar, Blenkner ist von dem Regen hier ganz in der Nähe überrascht worden, hat dann, da er ohne Schirm war, im Laufschritt einen Unterschlupf gesucht und sich nachher in unserer Nachbarschaft noch etwa zwei Stunden herumgedrückt, ehe er sich entschloß, mich aufzusuchen.“

Max Schraut-Schüler machte ein verdutztes Gesicht.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)