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stehenden Grafen überall unbeliebt zu machen. Sie spielt sich sehr auf, tut als hätte sie niemals Mathilde Mulack geheißen, hat den Neffen schon zwei Wochen nach der Hochzeit ganz vergrault und – den Grafen zu dem gemacht, der er heute ist, – ein zerfahrener, leicht aufbrausender und körperlich ganz heruntergekommener Mann. Sie hätten ihn früher kennen sollen, Herr Harst! Da war er frisch, lebenslustig, da –“ Und Schimmeck redete in dieser Weise noch eine Weile weiter, bis Schraut ihn fragte, was der Neffe für ein Mensch wäre. „Oh, – ein sehr netter Herr. Ein richtiger Neffe vom Grafen ist’s aber nicht, nur ein Sohn einer älteren Schwester seiner ersten Frau. Er ist Schriftsteller und wohnt drüben in der Kreisstadt.“ – „So so. – Was halten Sie von dem Güterdirektor Bollschwing?“ – „Sehr viel. Ein Ehrenmann durch und durch. Wenn der nicht auf den Besitzungen des Grafen nach dem Rechten sähe, wäre längst alles verlottert.“ – „Wir sind vom Thema etwas abgekommen, Herr Schimmeck. Sie wollten mir doch erklären, weshalb es eine merkwürdige Sache wäre, daß der Graf –“ „Ach so, richtig. – Nun, zunächst das Leuchten im See – damit hat’s seine Richtigkeit. Ich habe es selbst wiederholt gesehen. Der Graf hat nun immer so getan, als ob ihm die Geschichte sehr gleichgültig wäre. Den Detektiv Holzmüller ließ er nur herkommen, weil der Amtsrichter Mörner in Malchin – es gibt dort nur den einen Richter – ihm den Vorschlag wiederholt gemacht hat, die Angelegenheit doch untersuchen zu lassen. Er hat immer über die Sache gelacht und gesagt, es wären ganz sicher Sumpfgase, die auf dem Seegrund brennen. Aber, Herr Harst, – aber in Wirklichkeit war er doch wohl anderer Ansicht, da er viele Nächte im verflossenen Herbst und in diesem Frühjahr sich in seinem Boot auf dem See heimlich herumgetrieben hat, nachdem er sehr bald nach dem ersten Auftauchen des Spuks streng verboten hatte, dort zu fischen oder Kahn zu fahren. Ja – er ließ sogar alle anderen Kähne und Boote unter einem Vorwand zerschlagen. Und dabei gab er sich vor den Leuten stets den Anschein, als wäre ihm das Leuchten im Wasser nicht mal eines Wortes wert.“

Schraut hatte sich auf einen Holzklotz gesetzt und überdachte

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/68&oldid=- (Version vom 1.8.2018)