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hatten, waren mit ihrer Beute also längst über alle Berge, als der Ermordete gefunden wurde, und hatten einen Vorsprung von etwa 24 Stunden, was gewiegten Verbrechern – und um solche handelte es sich hier doch fraglos nach der ganzen Art der Vorbereitung und Ausführung – vollauf genügt, alle Spuren hinter sich zu verwischen. So war es auch. Die Kriminalpolizei war am 12. Mai, als Kammler meinem Brotherrn die neue Aufgabe stellte, bei der Untersuchung des überaus schwierigen Falles noch keinen Schritt weiter gekommen, wenn man von einigen unwesentlichen Feststellungen absieht. Emil und Viktor Reupert hatte geradezu der Erdboden verschluckt, obwohl der ältere, der angebliche Vater, ein auffallend langer, dünner Mensch mit einem Feuermal an der linken Wange gewesen war, während Viktor (das waren natürlich alles angenommene Namen; in ganz Bremen gab es keinen Kaufmann Reupert) einen künstlichen linken Arm gehabt hatte, beide also besondere Kennzeichen besaßen, die ihre Verfolgung wesentlich hätten erleichtern müssen. –

Am 12. Mai abends gegen 7 Uhr hatte Harald Harst jene eingangs erwähnten Sätze gesprochen und dann hinzugefügt: „Immerhin brauchen wir diesmal nicht zu befürchten, daß diese neue Aufgabe, wie es bei der vorigen der Fall gewesen, durch die Zeitungen, die ja meiner Wette spaltenlange Artikel gewidmet haben, wieder in alle Welt posaunt wird. Ich habe Kammler verpflichtet, dieses zweite Problem ebenso wie die ferneren bis nach der jedesmaligen Erledigung streng geheim zu halten. Trotzdem will ich keine Vorsicht versäumen, damit wir wirklich inkognito im Sonnenschein absteigen, wie ich schon sagte. Sie fahren noch heute abend, natürlich verkleidet, und ich folge morgen früh. Morgen nachmittag treffen wir uns im Alsterpavillon gegen sechs Uhr. Sie besorgen inzwischen in Hamburg einen eleganten fahrbaren Krankenstuhl und ein paar ältere Koffer sowie allerlei gebrauchte Sachen zum Füllen der Koffer. Wir werden reichgewordene einfache Leute darstellen. Danach richten Sie sich bei den Einkäufen.“ Während er mir diese Befehle erteilte, saß er an seinem Stutzflügel in seiner Bibliothek und

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/88&oldid=- (Version vom 1.8.2018)