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Harst spielte den langjährigen, treuen und vertrauten Diener vorzüglich. Er trug eine solide Nickelbrille, leicht ergrauten, kurzen Vollbart und zu einem fertig gekauften blauen Anzug mit ehrbaren Harmonika-Hosen Schaftstiefel, die stets nach Tran dufteten. Seine leicht gerötete Nase verriet eine kleine Vorliebe für Alkohol in jeder Form. Seine Stimme war stets rauh wie ein Reibeisen, und seine Geschwätzigkeit und unterwürfige Höflichkeit gegenüber dem Hotelpersonal mustergültig. – Wir hatten deshalb drei Zimmer genommen, um im mittelsten, 31, vor Lauschern völlig sicher zu sein. Harst schlief in 32, ich in 30, und 31 war der gemeinsame Wohnraum, wo wir auch die Nebenmahlzeiten einnahmen.

So begannen wir also am 14. mittags an Ort und Stelle mit unserer Arbeit. Nun – ich will den Mund nicht zu voll nehmen, denn mein Teil an dieser Arbeit war recht bescheiden. – Gleich nach unserer Ankunft packte mein treuer Heinrich Hinkel mich ins Bett, da ich angeblich von der Fahrt sehr angegriffen war. Er brachte mir Bücher, Zeitungen, Eß- Trink- und Rauchbares und verschwand bis gegen neun Uhr abends. Ich langweilte mich über die Maßen trotz eines Kriminalromans, den er mir gekauft hatte und der recht spannend war. Wenn man aber selbst an einer Verbrecherjagd beteiligt ist, hat selbst die beste Detektivgeschichte nur wenig Reiz.

Endlich erschien mein alter Heinrich dann und erklärte, nun bei mir bleiben zu wollen, half mir beim Anziehen und führte mich in unser Wohnzimmer. Hier ließ er die Maske fallen, nachdem er die Doppeltür nach dem Flur verriegelt und über das Schlüsselloch ein Tuch gehängt hatte. – „So, lieber Schraut, – jetzt können wir mal für eine Weile wir selbst sein,“ meinte er und setzte sich in den zweiten Korbsessel, zündete sich eine seiner geliebten Mirakulum an und sog den Rauch mit Behagen ein. „Zwei von den Offiziellen habe ich schon herausgefunden,“ fuhr er fort. „Ich kenne sie noch von meiner Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft her. Tüchtige Leute sinds, besonders der Kriminalwachtmeister Schilling, der hier jetzt den Oberkellner mimt. Der andere tritt als Hotelgast, Geschäftsreisender, auf. Mit Schilling

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Walther Kabel: Zwei Taschentücher. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zwei_Taschent%C3%BCcher.pdf/92&oldid=- (Version vom 1.8.2018)