Stunden der Andacht/Betrachtung, wenn der Neumond eingesegnet wird

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« Gebet für den Landesfürsten Stunden der Andacht Am Neumonde »
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Betrachtung, wenn der Neumond eingesegnet wird.

„Und zum Monde sprach der Herr, daß er
sich erneue, ein glänzend herrlich Bild, für
die Erdensöhne.” –
 (Gebet.)

„Lob und Preis dir, Gott und Herr des Weltalls, der du mit deinem Worte geschaffen hast die Himmel, mit einem Hauche deiner Allmacht all’ ihre leuchtenden Heere! Du hast Allen ihren Gang und Stand angewiesen, daß sie nimmer verwechseln und verfehlen ihre Bestimmung. „Zum Monde aber sprachst du, daß er sich erneue, ein glänzend herrlich Bild für die Erdensöhne,” in dem steten Absterben und Wiederaufleben seines Lichtes ist er ein Bild und Gleichniß unseres wechselnden und wandelnden Lebens auf Erden und aus der Höhe spricht er zu dem Menschen herab, tröstend und erhebend, mahnend und warnend.

Zu dem Unglücklichen spricht der Mond: Zage nicht und traure nicht, armes Herz, welches auch dein Leid sei, wie trüb und düster auch dein Pfad ist, und dein Leben umnachtet und umdunkelt – sieh mich an! nicht trübseliger und nächtlicher kann dein Geschick sein, als meine Gestalt noch vor wenigen Tagen war, und schon wieder siehst du mich leuchtend und glänzend am Himmelsplan. So auch wird dein Schicksal sich wandeln, denn nicht ewig währt die Trauer, nicht auf immer zürnt der Herr! Drum zage nicht und ängstige dich nicht, trage muthvoll und ergeben, was der Herr dir auferlegt, bald läßt er dir wieder leuchten seinen Gnadenstrahl, und führt dich aus der Finsterniß zum Lichte.

Und du, Glücklicher, mahnt er den Beglückten und Erhöhten, sei nicht so stolz, thue nicht so groß, wenn auch des Glückes Glanz und Strahl dich umgibt und des Lebens Straßen sich hell und leuchtend vor dir aufthun. Sieh auf mich, auch ich strahle jetzt im Lichte, doch eine kurze Zeit nur und ich wandle glanzlos und verdunkelt, und vergebens sucht mich dein Auge. Gleich mir aber geht des Menschen Schicksal einen ewigen Kreisgang, und ehe du dich’s versiehest, kannst auch du der Nacht und dem Grauen des Unglücks anheimfallen. Darum sei demüthig und bescheiden, laß fallen deine Strahlen in die dunkeln Hütten des Elends, erhelle die Finsterniß des Unglücks neben dir, und gieße milden Trost, wo und wie du kannst, in die betrübten und gedrückten Herzen.

[25] Und zu der Jugend spricht der Mond in seiner stummen und doch so mächtigen Beredtsamkeit; Ihr, die ihr im Neumonde des Lebens steht, nehmet auch ihr mein Bild euch zur Lehre. Wie ich von Tag zu Tag immer zunehme an Licht und immer höher steige auf meiner Bahn, so möget ihr mit jedem Tage zunehmen an Licht und Kraft des Geistes, und immer höher streben auf der Bahn eurer Bestimmung, damit ihr nicht der trostlosen Nacht der Unwissenheit und der Sünde anheimfallet und euer Leben nicht im Dunkel der Thatenlosigkeit unbemerkt dahinschwinde, sondern im hellen Glanz der Weisheit und der Tugend die Welt erleuchte und erfreue.

Dem Greise aber, der im letzten Lebensviertel matt und gebeugt einhergeht, sein Licht immer abnehmen und schwinden sieht, dem ist der Mond in seiner Höhe ein gar beredter Tröster, und jede Neumondsverkündigung ist für ihn eine himmlische Verheißung des jenseitigen Lebens, „denn zum Monde sprach der Herr, daß er sich erneue, ein glänzend herrlich Bild für die Erdensöhne, daß auch sie gleich ihm sich einst erneuen und verjüngen, zum Ruhm und zur Verherrlichung ihres Schöpfers.”

Wie er vor unseren Augen abstirbt und erbleicht, um wieder von Neuem in verjüngter Gestalt zu erscheinen, so der Mensch in seiner Unsterblichkeit. Hier erlischt sein Lebenslicht, aber dort in den jenseitigen Gefilden, wo kein Wechsel ist und kein Wandel, sondern nur Ewigkeit und Freuden der Ewigkeit, strahlt es wieder auf, um nimmermehr unterzugehen.

So möge denn, Allgütiger, der Mond sich erneuen zum Heil und zum Segen für mich und für die gesammte Menschheit, sein trostreiches, erhebendes Bild uns stets vor Augen sein und Hoffnung und Zuversicht, Muth und Vertrauen, fromme Vorsätze und Bestrebungen uns ins Herz legen.

Möge der kommende Monat mir und den Meinen Alles bringen, was zu unserem wahren Wohl gereicht: Gesundheit der Seele und des Körpers, innern und äußern Frieden, gesegnete Früchte unsrer Thätigkeit und eine reiche Saat für unser ewiges Heil.

Amen.