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ADB:Affry, Ludwig August Philipp Graf d’

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Artikel „Affry, Ludwig August Philipp Graf d’“ von Wilhelm Gisi in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 135–136, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Affry,_Ludwig_August_Philipp_Graf_d%E2%80%99&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:44 Uhr UTC)
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Affry: Graf Ludwig August Philipp d’A., schweizerischer Staatsmann und Militär, geb. 1743 in Freiburg, † 26. Juni 1810. Sein Vater Graf Ludwig August Augustin, geb. 1713, † 1793, Generaloberster der Schweizer in französischen Diensten und 1759 französischer Gesandter im Haag, stammte aus einer alten Patricierfamilie, aus welcher in den beiden letzten Jahrhunderten mehrere Glieder sich im französischen Kriegs-, andere im vaterländischen Staatsdienst ausgezeichnet. A. trat schon 1757 in französische Militärdienste und durchlief in rascher Reihenfolge alle militärischen Grade bis zum Generallieutenant, in welcher Stellung er während der ersten Jahre der französischen Revolution ein Armeecorps am Oberrhein befehligte, bis der 10. Aug. 1792 seine wie seines Vaters militärische Laufbahn beschloß und ihn zur Rückkehr in sein Vaterland veranlaßte. Ende 1797 kurz vor dem Ausbruch der helvetischen Revolution in den freiburgischen Großen Rath und darauf zum Befehlshaber der dortigen Truppen gewählt, sah er bei dem raschen Ausbruch der Revolution im französischen Theil seines Heimathsortes die Erfolglosigkeit eines bewaffneten Widerstands sofort ein, bestrebte sich daher vielmehr durch Mäßigung einen Bürgerkrieg zu verhüten und zog sich darauf, nachdem Freiburg am 2. März 1798 ohne Schwertstreich capitulirt hatte, aus dem Staatsleben zurück. Erst als Napoleon, um die Schweiz aus dem Zustande fünfjähriger Anarchie und dem Bürgerkrieg zu retten, im Sept. 1802 deren Vermittlung übernahm, trat A. und zwar in sehr bedeutender Stellung wieder in demselben auf. Von seinen Mitbürgern in die sog. helvetische Consulta gewählt, mit welcher Napoleon in Paris den Plan einer neuen Verfassung für die Schweiz berieth, stand er in derselben an der Spitze der Föderalisten und war durch die Mäßigung, Ruhe und Würde seines Charakters, durch seine maßvolle ebensoweit von dem revolutionären Treiben der sog. Patrioten, als den Reactionsplänen der Berner Patricier entfernte politische Gesinnung, endlich durch seine Anhänglichkeit an Frankreich, an dessen Schicksal nun einmal auch dasjenige der Schweiz geknüpft war, vorzugsweise zur Bekleidung der ersten Stelle in dem neu constituirten schweizerischen Staatswesen geeignet. Ihn ernannte daher Napoleon zum ersten Landammann der Schweiz mit sehr ausgedehnten Vollmachten und A. verstand es dann auch die neue (sog. Mediators-) Verfassung (vom 19. Febr. 1803), welche auf dem Föderativprincip, zugleich aber auf der Anerkennung der Volkssouveränetät und der Gleichheit politischer Rechte beruhte, ohne wesentliche Störungen durchzuführen und damit den Grund zu einer zehnjährigen Periode äußern und innern Friedens und materiellen und geistigen Fortschritts zu legen, welche erst mit dem 29. Dec. 1813 infolge des Durchmarsches der Verbündeten endete. Nachdem A. der ersten Versammlung der Tagsatzung im Juli 1803 zu Freiburg seine außerordentlichen Vollmachten zurückgegeben hatte, trat er am 1. Jan. 1804, wo die Directorialleitung an Bern überging, auch von der Landammannswürde zurück und bekleidete fortan die Stelle eines Schultheißen seines Heimathscantons. Neben andern untergeordneten Geschäften ward er aber auch während dieser Zwischenzeit mit zwei wichtigen eidgenössischen Missionen betraut, zuerst im Dec. 1804 als Chef der Deputation zur Beglückwünschung Napoleon’s anläßlich seiner Kaiserkrönung, [136] dann im J. 1805, bei der Eröffnung der österreichischen Krieges durch seine Abordnung an Napoleon nach Straßburg, behufs Auswirkung der Wahrung der schweizerischen Neutralität. Diese letztere Mission war für A. um so peinlicher, ist aber ein um so schöneres Zeugniß für seine republikanische Gesinnung, als die Tagsatzung entgegen dem Willen Napoleon’s nicht A., sondern Wattenwyl zum Befehlshaber des zur Deckung der schweizerischen Grenze aufgestellten Armeecorps gewählt hatte, und A. nun zugleich den darüber aufgebrachten Kaiser beschwichtigen mußte. Am 1. Jan. 1809 wurde A. nach Ablauf des ersten sechsjährigen Directorialcyclus wieder für ein Jahr Landammann der Schweiz, diesmal jedoch nicht mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet. Seine letzte politische Wirksamkeit war seine Abordnung als Vertreter der Schweiz an Napoleon bei dessen Vermählung mit Marie Louise im April 1810, bei welchem Anlaß ihn Napoleon mit Gunstbezeugungen überhäufte und mit einem Jahrgehalt von 1800 Livres beschenkte. Eben von dieser Mission zurückgekehrt und im Begriff, der in Bern versammelten Tagsatzung über dieselbe Bericht zu erstatten, starb A. vom Schlage getroffen.

A. ist ohne Zweifel der um die Schweiz verdienteste Staatsmann der Mediatorszeit, vielleicht des 19. Jahrhunderts überhaupt. Obschon er weder durch Geist noch durch Kenntnisse besonders hervorragte, so hat er doch in der ihm von Napoleon zur Zeit des tiefsten Unglücks der Schweiz angewiesenen Stellung durch richtige, consequente Durchführung der Gedanken des Vermittlers, durch versöhnliche und maßvolle Politik eine neue, glücklichere Epoche der Schweiz inaugurirt, deren Fortdauer ihr viele jener Umwälzungen und Krisen erspart haben würde, welche die mit ihrem Sturz im Jahre 1814 aufgekommene Restaurationsherrschaft veranlaßte.

Lutz, Nekrolog denkwürdiger Schweizer aus dem 18. Jahrhundert, Aarau 1812. Gérard, Oraison funèbre de son Excellence le landamman d’Affry, Fribourg 1810 (deutsch Zürich 1810).