ADB:Am Rhyn, Joseph Karl

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Artikel „Am Rhyn, Joseph Karl“ von Wilhelm Gisi in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 409–410, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Am_Rhyn,_Joseph_Karl&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 06:25 Uhr UTC)
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Am Rhyn: Joseph Karl a. Rh., schweiz. Staatsmann. Geb. 1777, † 1848. Er stammte aus einer patricischen Familie Luzerns und erhielt seine Jugendbildung am Klostergymnasium in St. Urban und in einer wissenschaftlichen Anstalt in Turin. Schon 1793 trat er nach damaliger Einrichtung in den großen Rath und wurde Kriegsrathschreiber. An der helvetischen Revolution nahm er, entgegen dem Beispiel anderer luzernischer Patricier, wie Rüttimann (s. d.), Pfyffer (s. d.), Meyer von Schauensee (s. d.), Mohr (s. d.), Keller u. A. keinen Antheil und trat erst am Ausgang der Helvetic (1803) wieder in den Staatsdienst, in welchem er darauf während der Mediationszeit die wichtige Stelle eines Staatsschreibers bekleidete. A. gehörte beim Einmarsch der Verbündeten zu Ende des J. 1813 zur Partei derer, welche aus dem Sturz Napoleons in den vormals aristokratischen Kantonen eine Annäherung an die Verfassungszustände vor 1798 und den Umsturz der Mediationsverfassung beabsichtigten. Er gab daher seine Stelle auf und trat dann in die im Febr. 1814 durch einen Handstreich der luzernischen Patricier eingesetzte Restaurationsregierung, in welcher er seit dem räthselhaften Tode des Schultheißen Xaver Keller 1816 bis zum Systemwechsel infolge der neuen Verfassung vom 1. Mai 1841, alle zwei Jahre [410] die Stelle des Präsidenten (Schultheiß) bekleidete und in dieser Stellung 1819, 1825, 1831 und 1837 bei dem zweijährigen Wechsel der Vororte Zürich, Bern und Luzern zugleich schweiz. Bundespräsident war. A. vertrat in dieser neuen Stellung nun die liberale Richtung, setzte 1819 die Berufung Troxler’s auf den Lehrstuhl der Philosophie in Luzern durch, unterstützte während der J. 1829–31 die freisinnigen Reformbestrebungen in seinem Kanton und leitete im Dec. 1830 auch als Präsident des Verfassungsraths die Verfassungsberathungen. In kirchlicher Beziehung trat A., namentlich als Präsident des Erziehungsraths, in welcher Stelle er sehr verdienstlich wirkte, unter dem Einfluß seines viel bedeutenderen Collegen Eduard Pfyffer (s. d.), dem Ultramontanismus entgegen und führte zugleich mit Staatsrath L. von Roll von Solothurn seit 1820 die Unterhandlungen, betreffend die Umgestaltung des Bisthums Basel, deren Ergebniß das Concordat von 1828 war. Leider riß ihn seine Befangenheit hier im J. 1824 zu der bekannten Procedur über den angeblichen Mord seines Vorgängers Keller hin, indem er auf die Aussage einer Gaunerbande hin zwei Führer der Ultramontanen als intellectuelle Urheber desselben in lange und harte Gefangenschaft brachte, bis endlich jener Mord als eine durch die hastige Unerfahrenheit einiger junger Untersuchungsrichter, namentlich am Rhyn’s Sohn veranlaßte Fabel, sich herausstellte. Auch in seiner eidgenössischen Stellung bethätigte A. seine liberale Gesinnung, namentlich 1831 in den Verfassungs- und Parteikämpfen, die er mit Klugheit und Gewandtheit für die freisinnige Sache zu einem gedeihlichen Resultate zu führen wußte, sowie er 1837 in dem Conflict mit Frankreich wegen der Flüchtlinge die Würde und ehrenvolle Unabhängigkeit der Schweiz zu wahren wußte. Er † 7. Sept. 1848, nachdem er noch den Sturz des ihm verhaßten 1841 aufgekommenen clericalen (Siegwart’schen) Regiments erlebt hatte.

A. war kein Mann von glänzenden Geistesgaben, dagegen ein unermüdlicher Arbeiter, von seltener Geschäftsgewandtheit und eiserner Consequenz, ein Anhänger der neuen Richtung, aber noch ein Diplomat der alten Schule und mit aristokratischen Formen, geleitet vom Grundsatze der Staatsomnipotenz; er wurde daher auch bald von der jungen liberalen Schule unter Leitung der Brüder Eduard und Kasimir Pfyffer, J. Kopp, Hartenstein u. A. überholt, welche ihn indeß als ein durch sein Ansehen und seine Arbeitskraft nicht zu verachtendes Hilfsmittel beibehielten.

N. Nekrol. , XXVI (1848) 977 ff. K. Pfyffer, Geschichte des Kanton Luzern. 2. Bd. Zürich, 1852.