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ADB:Amplonius Ratink

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Artikel „Amplonius von Berka“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 45 (1900), S. 772–774, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Amplonius_Ratink&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 10:57 Uhr UTC)
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Amplonius: A. von Berka, Arzt, Theologe und Bibliothekgründer, geboren gegen 1363/64, † April 1435. Nach ihrer Herkunft nannten sich A. und seine Familie Rating oder Ratingen; da der Familienname aber noch nicht fest war, so bezeichnete A. sich wieder allermeist nach seiner Vaterstadt Rheinberg am Niederrhein als A. von Berka oder Berke. (Vgl. 22. December 1433: opidum et parrochia Berckensis, Coloniens. diocesis. Mitth. d. Ver. f. Gesch. u. Alt.-K. von Erfurt Heft 9, S. 140.) Die Herkunftsbezeichnung von der Büchen (de Fago) wird nur gelegentlich von ihm, gewöhnlich aber von seinen Söhnen Amplonius und Dionysius gebraucht. Auf seine, als eines Sohnes bemittelter Eltern Ausbildung wurde viel gewandt, und der von jung auf strebsame genoß an verschiedenen Orten Unterricht. Im J. 1383 finden wir ihn in Soest, wo Heinrich von Orsoy, Rector der Patrocluskirche, sein Lehrer ist. Wenn dieser dem früheren Schüler 1397 eine schöne Boethiushandschrift des 13. Jahrhunderts schenkt, so weist dies auf des A. schon frühzeitig auf das Sammeln von Büchern gerichteten Eifer. Kurz vor 1385 besucht er die älteste deutsche Hochschule zu Prag, wo er am 9. December d. J. zum ersten Baccalaureatsgrade in der philosophischen Facultät zugelassen wird und am 20. Mai 1387 den Magisterhut (biretum) erhält. Er übt dann daselbst pflichtmäßig eine zweijährige Lehrthätigkeit, doch finden wir ihn im November 1388 schon wieder in Soest. Bereits seit jungen Jahren den naturwissenschaftlichen und heilkundlichen Studien zugewandt geht der Prager Magister 1391 an die zwei Jahre vorher eröffnete Universität Köln, wo er den Baccalaureat der Medicin erwirbt. Darnach finden wir ihn schon am 29. April 1392 in der ersten Immatriculation an der Erfurter Universität, an welche man ihn seines schon erlangten Rufes wegen gezogen zu haben scheint. Die reichen Mittel, die ihm mittlerweile zu Gebote standen, gaben ihm Veranlassung, von nun an der Ansammlung eines Bücherschatzes eifriger obzuliegen, und so läßt er von jüngeren Studirenden oder Lohnschreibern eine ganze Reihe von Abschriften in seiner Wohnung anfertigen. Schon jetzt ist hierbei besonders ein Landsmann Heinr. Bruyn von Rheinberg (Brun de Berka) thätig. Kurz vor dem 12. October 1393 muß A. zum Doctor der Medicin promovirt sein. Als solcher ist er am 5. Mai 1394 bis zum Februar des nächsten Jahres Rector der Universität. Aber der überaus strebsame Geist genügte sich auf dieser Höhe noch nicht, sondern suchte in der Wissenschaft „bis zur Erkenntniß der Göttlichkeit und des göttlichen Waltens vorzuschreiten“. Ums Jahr 1395 weisen Spuren auf seine Anwesenheit in Wien; anfangs Februar 1399 ist er zu Köln a. Rh., wird am 25. Juni d. J. daselbst Rector, dann am 8. October als solcher wiedergewählt. Dann tritt er als Leib- und Hofarzt in die Dienste Erzbischof Friedrich’s III. von Köln und bricht mit diesem am 24. Mai 1401 zu der von König Ruprecht zum 27. August d. J. ausgeschriebenen Romfahrt auf. Schon am 2. Januar 1402 kehrt er nach Köln zurück. Nun gewinnt er wieder Muße für die Vermehrung seines Bücherschatzes, kauft aus rheinischen Stiftern, aus Frankreich, von einem Joh. v. Waas in Brügge, auch auf der Frankfurter Messe theilweise größere Bücherbestände, besonders aber vergrößert er seine Bibliothek durch Abschriften, die unter seiner Aufsicht gefertigt wurden. Wieder ist hierbei ein [773] Landsmann Joh. Wyssen aus Rheinberg zu nennen. Seinen Abschreibern vermittelt er wissenschaftliche Vorbildung und auskömmlichen Unterhalt. Daneben ist A. wenigstens bis 1410 als Arzt in Köln thätig (1407 heißt er phisicus et theologus, clericus Agrippinensis). Bis zum Jahre 1412 lebte er in einer glücklichen und mit Kindern gesegneten Ehe. Von zwei Söhnen, Amplonius und Dionysius, verfolgte der ältere als Arzt und Gottesgelahrter ganz die Studien seines Vaters, während der jüngere sich nur dem geistlichen Stande widmete; daneben wurden ihm zwei Töchter, Helena und Agnes, geboren. Als nun aber A. die höheren Weihen und ansehnliche Pfründen erhielt, sah er sich durch die Satzungen genöthigt, sich von seiner Frau, der aus Herford gebürtigen Kunigund v. Hagen – sie lebte noch 1433 als venerabilis et honesta matrona – mit deren Einwilligung scheiden zu lassen. Die Töchter traten in das Clarissinnenkloster zu Mainz, wohin auch die Mutter gegangen zu sein scheint.

Da nun A., der seit dem 1. Mai 1412 als Pfründner und Chorbischof zu St. Aposteln in Köln erscheint, sich und die Seinigen geistlich versorgt und für die zur Vorbereitung der Söhne noch erforderlichen Mittel das nöthige ausgesetzt hatte, so schritt er dazu, den wichtigsten seiner von Jugend auf gesammelten Schätze, seine ansehnliche Büchersammlung, in geeigneter Weise sicher unterzubringen, auch deren weitere Mehrung thunlichst zu befördern. In einer zu Köln am 1. Mai 1412 ausgestellten Urkunde führt er diese Absicht aus durch die Gründung des nach ihm benannten Amplonianischen Collegs. Als Sitz dieser auf 15, später auf 17 Stellen berechneten Genossenschaft hatte er, als eine gediegene privilegirte deutsche Universität, Erfurt ausgewählt. Zunächst nur für diese Collegiaten, die aus 13 Magistern und nur 4 einfachen Studenten bestehen sollten, war die Benutzung jenes litterarischen Schatzes bestimmt, der bis auf gewisse Ausnahmen nur in dem Studorium oder Lesezimmer benutzt werden sollte. Der Zweck des Collegs war die Ausbildung der Studenten zu Magistern der Artistenfacultät und der letzteren zu Doctoren der übrigen Fächer. Nach des Amplonius Stiftung war das Collegium nur zur Bildung von Studenten der Kölner Diöcese bestimmt. Machte sich hierin seine stark ausgeprägte Liebe zur engeren Geburtsheimath geltend, so war dies noch weit mehr der Fall bei der Vertheilung der einzelnen Pfründen. Von 15 Stellen wies er nicht weniger als neun seiner kleinen Vaterstadt Rheinberg zu, deren Unterrichtswesen ihm überhaupt sehr am Herzen lag. Die übrigen Stellen kamen auch auf rheinisch-westfälische Städte und Personen, denen er durch Jugendunterricht und durch seine und seiner Frau Familienbeziehungen nahe stand: Soest, Herford, Erpel.

Vor der Enteignung fertigte er gegen 1410–1412 ein noch erhaltenes Verzeichniß seiner Bücher mit vielen Bemerkungen. Einen großen Theil seines Schatzes lieferte er sofort aus, die übrigen sollten, nebst weiter zu machenden Erwerbungen, nachfolgen. Die Stadt Erfurt, die den Werth dieser Stiftung für ihre Universität zu würdigen wußte, überwies dem Collegium ein ansehnliches, später durch Hinzukauf noch vergrößertes Haus „zur Himmelpforte“ (ad portam coeli) in der Michaelisstraße, frei von allen bürgerlichen Lasten, zum Besitze, übernahm die Verzinsung der zur Stiftung gehörigen Capitalien, sowie deren Vertheilung an die Stipendiaten. A., der zwischen 1417 und 1423 neben seiner Kölner Pfründe auch noch die Stelle eines Dechanten des St. Victorstifts zu Mainz besaß, war ums Jahr 1420 in einen sehr unerquicklichen, lang hingezogenen Rechtsstreit mit dem Rathe zu Erfurt, der Einrichtungen seines Collegs wegen verwickelt. Nachdem durch den päpstlichen Auditor Guillermus Maligener am 27. Januar 1423 eine für Erfurt günstige Entscheidung herbeigeführt war, stellte A. unterm 22. September d. J. einen zweiten Stiftungsbrief über das [774] Colleg aus, der viel ausführlicher und genauer als der erste war. Von den 17 Pfründen sollen, der Opfer wegen, die Erfurt gebracht hatte, zwei vom Rath zur Verleihung an Stadtkinder bestellt werden. Noch wiederholte, theils sehr eingehende spätere Bestimmungen aus den Jahren 1433 bis 1434 bekunden die kräftige Antheilnahme des A. an dieser seiner Stiftung. Durch Vertretung war er bis an sein Ende, das um Ostern 1435 (es fiel damals auf den 17. April) jedenfalls in Köln erfolgte, Dechant seines Collegs, welche Würde dann auf seine Söhne überging. A. ist einer der edelsten Vertreter des wissenschaftlichen und geistlichen Strebens seiner Zeit. Dem entspricht auch die Bedeutung der von ihm begründeten Bibliothek, die in ihrer Art ihresgleichen sucht. Wol reichen auch auf deutschem Boden Stifts- und Klosterbibliotheken in eine noch frühere Zeit hinauf, aber keine, auch keine deutsche Universitätsbibliothek gibt es, die in solchem Umfange ein Gesammtbild des wissenschaftlichen Strebens jener beziehungsweise frühen Zeit darböte. Schon für die Kunde des Materials und des Schriftwesens ist jener Schatz hochmerkwürdig. Was den äußeren Umfang betrifft, so übergab A. im J. 1412 gegen 640 Bände, ein Bestand, der bis an sein Lebensende noch bedeutend vermehrt wurde. Dem Wunsch des Stifters gemäß fügten auch später die Collegiaten noch manches hinzu, darunter seit Erfindung des Buchdrucks auch eine Anzahl Wiegendrucke. Immerhin war diese Vermehrung im Vergleich zu dem Amplonianischen Schatze keine bedeutende. Vor ihren mancherlei Einbußen mag die Sammlung gegen 1200 Bände stark gewesen sein. Seit 1837 der königlichen Bibliothek in Erfurt einverleibt ist die besonders aufgestellte Sammlung jetzt 978 Bände stark. Am schwächsten ist das kanonische Recht vertreten. Das Fehlen der humanistischen Litteratur erklärt sich aus der Zeit der Entstehung. Eine Seite der Amplonianischen Stiftung, die noch genauerer Prüfung bedarf, ist die Bedeutung, die sie als Pflanzschule gelehrter Abschreiber weit über die Grenzen der eigenen Sammlung hinaus gewann. Wir sehen nämlich, wie es auswärts in Bibliotheken nicht nur Handschriften gibt, die als anerkanntes ehemaliges Zubehör der Amplonianischen Sammlung durch Verkauf oder in anderer Weise aus ihr entnommen wurden – so eine ganze Reihe zwischen 1709 und 1729 von Lothar Franz, Grafen von Schönborn, der von 1695 bis 1729 Erzbischof von Mainz war: Es gibt auch auswärts Handschriften, die im 15. Jahrhundert von Mitgliedern des Amplonianischen Collegs zur Himmelpforte geschrieben sind, ohne daß sich vermerkt fände, daß sie einst zu jener Sammlung gehörten, so z. B. cod. lat. 31 der Universitätsbibliothek zu Leiden vom Jahre 1456 (Harzzeitschr. 11 [1878] S. 467 f.) und eine jetzt auf französischem Boden zu Epinal befindliche Handschrift, welche den Hierosolymita des Ekkehard von Aura enthält, vom Jahre 1459. Es bleibt zu prüfen, welche Bedeutung die gelehrte Amplonianische Schreiberschule durch eine derartige Vermehrung des litterarischen Apparats für Private oder auswärtige Bibliotheken gewann.

H. Weißenborn, Amplonius Ratingk de Berka und seine Stiftung. Erfurt 1878; – Ders., Urkunden zur Gesch. des Amplonius de Fago, in Heft VIII und IX der Mittheil. d. Ver. f. die Gesch. u. Alterth.-Kunde von Erfurt. Erfurt 1877 u. 1880, und besonders W. Schum. Beschreibendes Verzeichn d. Amplon. Handschr.-Samml. z. Erfurt. Berlin 1887. Vorwort S. V–LVIII.