ADB:Baiter, Johann Georg
[191] Verhältnisse zwangen ihn schon 1819 wieder nach Zürich zurückzukehren, um für mehrere Jahre eine Hauslehrerstelle anzunehmen. Nachdem er die Universitätsstudien dann von 1824–29 unter F. Thiersch in München, Benecke und Dissen in Göttingen und Lobeck in Königsberg fortgesetzt und durch Promotion ex absentia in Tübingen abgeschlossen hatte, wurde er 1830 Vicar für seinen Lehrer H. Bremi am Collegium humanitatis in Zürich, 1831 Inspector der Alumnen (Stipendiaten), und 1833 (gleichzeitig mit Hermann Sauppe) an die neugegründete Kantonsschule gewählt. An dieser ertheilte er den griechischen Elementarunterricht mit fast ängstlicher Pünktlichkeit, von einer beneidenswerthen Gesundheit unterstützt, ohne Unterbruch bis zu seiner Resignation im October 1876. Daneben wirkte er von 1833–49 als Extraordinarius an der Universität und war von 1837–89, 1843–45 und 1849–65 Prorector des Gymnasiums.
Baiter: Johann Georg B., namhafter Textkritiker, geboren zu Zürich am 31. Mai 1801, † ebendaselbst am 10. October 1877. Auf den Schulen seiner Vaterstadt vorgebildet, bezog er, noch nicht siebzehnjährig, im Frühjahr 1818 die Universität Tübingen zum Studium der Philologie, aber ökonomischeNeben dieser beruflichen und amtlichen Thätigkeit, die allein schon ein großes Maß von Arbeit forderte, schuf B. mit seltener Energie und bewundernswerther Ausdauer eine Reihe litterarischer Arbeiten, die ihm einen sehr geachteten Namen in der gelehrten Welt verschafften. Den Anfang machte 1831 die (seinen Lehrern H. Bremi und Joh. Casp. v. Orelli gewidmete) Neubearbeitung von Spohn’s Ausgabe des Panegyrikus von Isokrates. Dann gab B. 1834 mit Hermann Sauppe Lykurg’s Leocratea heraus, und von 1838–50 ließen die beiden „Turicenses“ die nach verschiedenen Richtungen bahnbrechende Gesammtausgabe der attischen Redner mit kritischem Apparat, den Fragmenten und Onomastikon erscheinen (2 Bände, daneben als editio minor von 1838–43 eine Textausgabe in kleinerem Format). Gleichzeitig war B. aber auch für andere Autoren thätig, besonders für Plato und Cicero. Mit J. C. v. Orelli und Aug. Winckelmann gab er eine kritische Gesammtausgabe der Werke Plato’s (2 Bände, Zürich 1839–42), die durch Heranziehung neuer wichtiger Handschriften (Clarkianus und Parisin. A) einen entschiedenen Fortschritt in der Textkritik bedeutete, und daneben wieder als editio minor eine bloße Textausgabe (1838–41), von der einzelne Hefte wiederholt von B. neu bearbeitet wurden (Euthyphro, Apologie und Krito in 4. Aufl. 1861, die Republik in 4. Aufl. 1874, Baiter’s letzte litter. Arbeit). – 1845 erschienen von B. und Orelli des Babrios Fabellae iambicae nuper repertae, und 1846 als erster Band von Didot’s Pariser Ausgabe der attischen Redner eine neue Textesrecension des Isokrates von B., für welchen Autor er besonders sorgfältige Studien gemacht und schon früh einen index vocum plenissimus angefertigt hatte (vgl. Oratt. Att., Fasc. II, pag. VII), der im Manuscript 1896 an Dr. Eugen Drerup[WS 1] überging.
Für Cicero war B. von Orelli schon sehr früh für dessen große Ausgabe zur Mitarbeit herangezogen worden: an der Bearbeitung der Scholiasten und des Onomastikon’s (Ciceronis opera edid. J. C. v. Orelli, vol. VI-VIII, 1833–38) ist B. mitbetheiligt, den index graeco-latinus, den index legum und die umfangreichen Fasti Consulares et Triumphales hat er allein zusammengestellt. Für die zweite Ausgabe, welche nach Orelli’s Tode B. mit Karl Holm (von 1845–62) besorgte, hat B. eine Reihe neuer Handschriften herangezogen, und später für seine im Verein mit C. L. Kayser edirte Textrecension bei Tauchnitz (1860–67) namentlich für die Briefe eine neue Collation des Mediceus gegegeben. Ebenso hat er für Orelli’s commentirten Tacitus (2 Bde. 1846–48) die Medicei neu verglichen, und für die zweite Ausgabe die Annalen neu bearbeitet (1858). Ferner hat B. von Orelli’s Horaz die editio maior in dritter (1850–52), die editio minor in dritter bis fünfter Ausgabe besorgt (1850–68), [192] und endlich mit H. Sauppe Leake’s Topographie von Athen übersetzt (Zürich 1844).
Die Publicationen Baiter’s sind also fast alle textkritischer Art; ein gemeinsames Verdienst derselben lag in der Aufspürung der besten handschriftlichen Quellen und in der größten Akribie bei deren Vergleichung, und alle waren um ihrer Sorgfalt und Zuverlässigkeit wegen hoch geschätzt. „In Baiter war eine merkwürdige Mischung von rascher Auffassung mit Nüchternheit, Takt und Scharfblick in der Erkennung von Schäden: Eigenschaften, die gerade in den mit Orelli gemeinsam betriebenen Arbeiten zu dessen ideenreichem, genialem Ungestüm die richtige Ergänzung bildeten“. Orelli selbst hat den Werth Baiter’s sehr wohl erkannt und ihn gleichsam als seine rechte Hand betrachtet, in der Einsicht, daß dieser seinen Ideen die richtige Ausführung zu geben wußte. Am politischen Leben hat B. sich nie activ betheiligt; dagegen war er bis an sein Lebensende ein eifriges und thätiges Mitglied der Loge Modestia cum Libertate in Zürich.
- Vgl. den Nekrolog (von Arnold Hug) im Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung vom 29. und 30. October 1877.
Anmerkungen von Wikisource-Bearbeitern
- ↑ Richtig: Engelbert Drerup