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ADB:Bauer, Georg Lorenz

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Artikel „Bauer, Georg Lorenz“ von David Erdmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 143–145, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bauer,_Georg_Lorenz&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:26 Uhr UTC)
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Bauer: Georg Lorenz B., war auf dem Gebiet der biblischen Wissenschaft ein Hauptvertreter der in dem letzten Viertel des vorigen und am Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts herrschenden altrationalistischen Theologie und Kritik. Er war geb. 14. Aug. 1755 zu Hippoltstein bei Nürnberg, wo sein Vater Geistlicher war. Nachdem er die lateinische Schule zu St. Lorenz in Nürnberg besucht hatte, studirte er in Altdorf morgenländische Sprachen und Litteratur, wurde 1776 Frühprediger in der Schloßcapelle zu Nürnberg, 1786 Lehrer und 1787 Conrector an der Schule zu St. Sebald daselbst und 1778 als Nachfolger seines Universitätslehrers Nagel Professor der Beredtsamkeit, der morgenländischen Sprachen und der Moral in Altdorf. 1805 wurde er als Professor der morgenländischen Litteratur und biblischen Exegese nach Heidelberg berufen und in demselben Jahr zum Kirchenrath ernannt. Er starb daselbst 12. Jan. 1806.

Seine schriftstellerische Thätigkeit erstreckte sich über sämmtliche Hauptdisciplinen der alttestamentlichen biblischen Wissenschaft. Seine zahlreichen Schriften verrathen den den alten Supranaturalismus verdrängenden rationalistischen Standpunkt und haben bei der verhältnißmäßig kurzen Zeit, in der sie aufeinander folgen, das Gepräge der Eilfertigkeit, Oberflächlichkeit und Weitschweifigkeit neben großer Gewandtheit und Klarheit in der Darstellung. – In der alttestamentlichen Einleitungswissenschaft („Entwurf einer historisch-kritischen Einleitung in die Schriften des A. T. 1794, 3. A. 1806) schließt er sich mit den Isagogen gleicher Richtung vorwiegend an die historisch-kritische Methode Eichhorn’s an, obwol er diesem gegenüber eine größere Freiheit und Selbständigkeit bewahrt, als jene; daneben liefert er eine compendiöse Zusammenstellung und Beurtheilung einer großen Zahl anderer Ansichten und Meinungen. – In seiner „Hermeneutica sacra V. Ti.“, 1797, die als ein selbständiges Werk aus der Umarbeitung und Vollendung der von Dathe begonnenen neuen Bearbeitung von Glassius’ „Philologia sacra“ entstand und in seinem „Entwurf einer Hermeneutik des A. u. N. T.“, 1799, macht er für die Interpretation der biblischen Bücher lediglich den litterarhistorischen Standpunkt unter Zurückweisung des specifisch-theologischen geltend, [144] indem er die alttestamentlichen Bücher nur als monumenta e cara vetustate ad nos transmissa ideoque genium seculi inculti redolentia ansieht und den Offenbarungscharakter des Inhalts derselben völlig übersieht. Der vernunftgemäße wesentliche Inhalt der Bibel ist nur durch Ausscheidung der temporellen Einkleidung, durch kritische Absonderung des Mystischen und Sagenhaften zu gewinnen. Zu diesem Zweck schrieb er eine „Hebr. Mythologie des A. und N. T. mit Parallellen aus der Mythologie anderer Völker, besonders der Griechen und Römer,“ 1802, 2 Bde. Dabei wurde der wirkliche Schriftgehalt zu einer sogenannten Vernunftlehre aufgelöst und die biblische Wahrheit in höchst gewöhnliche religiöse und moralische Gemeinplätze verflüchtigt. – Als Exeget setzte B. die von J. Christ. Fr. Schulz zu Gießen († 1806) begonnenen, eigentlich vom Diak. Schoder zu Lauffen in Würtemberg gearbeiteten „Scholia in V. Test.“ vom 4. Bande an fort, indem er im 4. bis 6. Bd. die Psalmen, die salomonischen Schriften u. Hiob, im 7. bis 10. B. Jesaias, Jerem. und die kleinen Propheten behandelte. Seine oft in unfruchtbarer Textkritik sich verlierende Exegese entbehrt der grammatischen Genauigkeit und der Vertiefung in den Inhalt des Bibelworts, welches durch die nüchtern rationalistische Erklärung, bei der noch hin und wieder eine supranaturalistische Auffassung mit unterläuft, verflacht wird. – Eine größere Bedeutung hat B. in der Geschichte der protestantischen Theologie hinsichtlich der von ihm zuerst als eine historische Wissenschaft bearbeiteten biblischen Theologie. Nachdem Gabler die Aufgabe derselben dahin bestimmt hatte, daß sie die in der heil. Schrift enthaltenen religiösen Begriffe als ein geschichtliches Factum mit Unterscheidung der verschiedenen Zeiten und Subjecte und so der verschiedenen Stufen in der Entwickelung jener Begriffe darzustellen habe, bearbeitete B. dem entsprechend die bibl. Theologie als eine geschichtliche von der Dogmatik getrennte Disciplin und zwar so, daß er das Alte und Neue Testament gesondert behandelte und bei jedem die einzelnen Schriftsteller und Zeitalter zur Ermittelung der ihnen eigenthümlichen Ansichten und Begriffe unterschied. Hierher gehören außer seinen „Dicta classica V. T. notis perpetuis illustrata“ Sect. I. II., 1798, „Die Theologie des A. T.“ oder „Abriß der religiösen Begriffe der alten Ebräer von den ältesten Zeiten bis auf den Anfang der christlichen Epoche“, 1796, mit einer „Beilage zur Theologie des A. T., enthaltend die Begriffe von Gott und Vorsehung, nach verschiedenen Büchern und Zeitperioden entwickelt“, 1801. Aber bei allem geschichtlichen Interesse verhindert der rationalistische Standpunkt, der am stärksten in der „Beilage“ sich ausspricht, das Eindringen in den wirklichen Inhalt oder Entwicklungsgang des A. T. Die Eintheilung desselben in 14 Abschnitte zeigt, wie äußerlich die geschichtliche Entwicklung von ihm aufgefaßt wird, und bewirkt eine Zerstückelung des biblischen Stoffs, bei der von einer fortschreitenden Entwicklung und von einer Uebersicht über den inneren Gang der Geschichte keine Rede sein kann. Ueberdies beherrscht der chronologische Gesichtspunkt keineswegs das Ganze, sondern er tritt nur in der Unsterblichkeitslehre und Christologie hervor. Indem der Stoff sachlich unter zwei Hauptrubriken geordnet wird 1) als Theologie im engeren Sinne mit zwei Anhängen über Engel und Dämonen und 2) als Anthropologie mit einem Anhang über Christologie, wird dem Postulat der inneren geschichtlichen Entwickelung nicht genügt. – Dasselbe gilt im Wesentlichen von der „Biblischen Theologie des N. T.“, 1800, 4 Bde., in welcher B. eine reine, von allen fremdartigen Vorstellungen gesäuberte Entwicklung der Religionstheorie Jesu und seiner Apostel nach den verschiedenen Ansichten der Schriftsteller aus ihren Schriften geben will. Die einzelnen Lehrsysteme werden ohne inneren Zusammenhang nebeneinander gestellt; ein wirklich geschichtliches Verständniß derselben kann bei seiner Unterscheidung zwischen der wirklichen Lehre Jesu und der Apostel und der in den [145] Schriften des N. T. überlieferten, deren Form und Inhalt durch die Accomodation an die Zeitvorstellungen bedingt gewesen sei, um so weniger erzielt werden, als der Stoff bei jedem einzelnen Schriftsteller nach dem herkömmlichen dogmatischen Schema behandelt wird, und die ganze Darstellung beherrscht wird von der Absicht, die Leser in den Stand zu setzen, über die Wahrheit und Göttlichkeit der Lehre Jesu ein unparteiisches Urtheil zu fällen und ob sie verdiene, allgemeine Weltreligion zu werden. Dabei wird die rationalistische Auffassung des Christenthums als die eigentliche Substanz der Schriftlehre hingestellt, indem nur das, was der Erfahrung und der gesunden Vernunft entspricht, als Wahrheit im Gegensatz gegen die kirchliche Lehre angenommen wird. Von diesem Standpunkt verfaßte er auch ein „Biblische Moral des A. T.“ 2 Th., 1803 und eine „Biblische Moral des N. T.“ 2 Th. 1804, um die moralischen Vorstellungen der bibl. Schriftsteller geschichtlich darzustellen. Hierher gehört auch die Schrift „Ueber den moralischen Charakter Jesu“, 1804.

Außerdem verfaßte er ein „Lehrbuch der hebräischen Alterthümer des A. und N. T.“, 1797, und eine „Beschreibung der gottesdienstlichen Verfassung der alten Hebräer“ in 2 Bd., 1805 (auch unter dem Titel: „Archäologie der gottesdienstlichen Gebräuche“ u. s. w.). Endlich ist noch hervorzuheben sein „Handbuch der Geschichte der hebräischen Nation von ihrer Entstehung bis zur Zerstörung ihres Staats“, 1800–1804, in welchem das supranaturale Element durch die rationalistische Auffassung und Kritik der Geschichte absorbirt wird.