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ADB:Bernhard II. (Bischof von Semgallen)

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Artikel „Bernhard II., Edelherr zu Lippe“ von Rudolf Falkmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 422–424, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bernhard_II._(Bischof_von_Semgallen)&oldid=- (Version vom 2. Dezember 2024, 00:35 Uhr UTC)
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Bernhard II., Edelherr zu Lippe, Sohn Hermanns I., dessen Stammbesitzungen an der oberen Lippe lagen, geb. um 1140, † 30. April 1224, steht als eine glänzende Erscheinung unter den westfälischen Dynasten in der Blüthe der Ritterzeit da. Wir erhalten Nachrichten von ihm aus Westfalen, Sachsen, Thüringen, vom Rhein, aus Livland, selbst aus Frankreich (Laon). Gleichzeitige und spätere Chroniken sind seines Lobes voll, und ein Poet, Magister Justinus zu Lippstadt, hat um 1260 seine Thaten im „Lippiflorium“, einem aus lateinischen Distichen bestehenden kleinen Epos, verherrlicht. Als jüngerer Sohn zum geistlichen Stande bestimmt, wurde er in der Domschule zu Hildesheim ausgebildet, trat in das dortige Domcapitel, wurde aber nach dem Tode des älteren Bruders zurückgerufen, um das geistliche mit dem Kriegsgewande zu vertauschen, und an seines Vaters und anderen Höfen, wahrscheinlich dem Heinrichs d. Löwen, seine ritterliche Ausbildung zu vollenden. Schon in jungen Jahren empfing er den Ritterschlag. Während sein Vater mit Friedrich Barbarossa nach Rom gezogen war und dort 1167 mit vielen anderen Fürsten und Edlen einer Seuche erlag, zog B. mit Heinrich d. Löwen gegen die zu seinem Sturze verbündeten Fürsten und war anscheinend schon 1168 bei der Vertheidigung einer der wichtigsten Burgen der Welfen, Haldensleben bei Magdeburg, und den von dort aus unternommenen Streifzügen betheiligt. Als der Kaiser aus Italien zurückgekehrt in Würzburg Hof hielt und dorthin die sächsischen Fürsten entbot, fand sich auch B. mit glänzendem Gefolge dort ein, wurde vom Kaiser geehrt und erhielt die Erlaubniß, auf eigenem Gebiete eine befestigte Stadt zu erbauen, das heutige Lippstadt. Den neuen Bürgern gab er ausgedehnte Freiheit in der Wahl und Ausbildung ihres Stadtrechts, vertheidigte sie und begünstigte die Entwickelung eines freien Bürgerthums. Nachdem das Soester Recht in der Stadt eingebürgert war, bestätigte und erweiterte er ihre Privilegien in einer noch erhaltenen Urkunde (nach 1197), welche ihn bereits im Besitze aller wesentlichen Hoheitsrechte zeigt. Dieses statutarische Recht Lippstadts ging in der Folge auf zahlreiche Städte Westfalens über. Bald darauf wurde von B. eine zweite Stadt, Lemgo, gegründet und mit gleichen Vorrechten versehen. Beide reiften zu rascher Blüthe heran und entwickelten im Hansabunde eine ausgedehnte Handelsthätigkeit. – Weiterhin finden wir B. öfter in Braunschweig bei Heinrich d. Löwen, in Paderborn, Münster, Köln. Aus dem Ahrthale holte er seine Gattin Hedwig, Tochter des Grafen Ulrich von Are, welche ihm zahlreiche Nachkommenschaft gebar. Nach wenigen Friedensjahren führte die Rivalität des Erzbischofs Philipp von Köln und seiner Anhänger gegen Heinrich d. Löwen aufs neue zum Kriege, und B. schloß sich wiederum mit bewährter Treue dem letzteren an (1177), bekämpfte dessen Feinde in Westfalen, zerstörte im Bunde mit Tecklenburg und dem Bischofe Hermann von Münster die feindlichen Burgen Ahausen und Diepenau, eroberte für den Herzog den Leuenberg (Sparenberg) bei Bielefeld, [423] wehrte den Angriff des Bischofs Arnold von Osnabrück ab und entsetzte die von demselben belagerte Burg Dietrichs von der Horst, Hintkamp (1178). Ueberfallen von vielen Feinden, welche sein Gebiet verheeren, begibt er sich zum Herzog Heinrich, kehrt mit einem neuen Heere zurück, belagert im Bunde mit Widukind von Rheda, jedoch erfolglos, die kölnische Stadt Soest und erobert Medebach. Damals wurde Haldensleben, ein wichtiger Stützpunkt der welfischen Macht, wiederum von den Erzbischöfen von Köln und Magdeburg bedroht. B. übernimmt die Vertheidigung, streift bis vor die Thore Magdeburgs, wehrt mit Muth und Geschick die Uebermacht der Feinde ab, und erst nach langwieriger Belagerung übergibt er (1181) die durch Aufstauen der Ohre unter Wasser gesetzte Stadt mit Zustimmung des Herzogs gegen freien Abzug der Besatzung. – Nachdem er bis zur letzten Stunde mit ritterlicher Treue an dem geächteten Welfenfürsten festgehalten, kehrte er als geehrter und gefürchteter Held in seine Heimath zurück. Hier überließ er sich längere Zeit einer friedlichen Thätigkeit im Verkehr mit benachbarten Fürsten, knüpfte auch mit Köln wieder freundliche Beziehungen an und erhielt vom Erzbischofe, dem nunmehrigen Herzoge von Westfalen, sein Lehn zurück. Damals (1185) legte er in Verbindung mit den Edlen von Rheda und Woldenberg den Grund zu der großen Cistercienserabtei Marienfeld und stattete dieselbe auch später reichlich mit Besitzungen aus. Als sein Freund und Verwandter Widukind von Rheda im heil. Lande gestorben, erhielt er die Vogtei über Rheda, über die Klöster Liesborn und Freckenhorst und benutzte diese Rechte zur Verstärkung seiner Macht. Durch Erbauung einer kleinen Bergveste im Teutoburger Walde, der Falkenburg (1193–97), erregte er die Eifersucht des Bischofs von Paderborn, einigte sich aber mit demselben dahin, daß sie Beiden gemeinschaftlich sein sollte. – Es folgten einige Jahre stiller Ruhe, während sein Sohn Hermann II. in den Vordergrund tritt. B. selbst war in Folge kriegerischer Strapazen, oder nach damaliger Anschauung zur Strafe seiner Frevel gegen die Kirche, schwer erkrankt, an beiden Füßen gelähmt, so daß er kein Roß besteigen konnte und sich im Tragsessel in die Schlacht tragen lassen mußte. Er suchte durch Liberalität gegen den Klerus frühere Frevel zu sühnen, er beschloß sogar, sich ganz dem Dienste Gottes zu weihen, sich von seiner Gattin zu trennen und als Mönch in das Kloster Marienfeld zu treten, um sich hier in stiller Beschaulichkeit und ernsten Studien für größere Pläne vorzubereiten.

Um diese Zeit (1199–1204) mahnten päpstliche Bullen die sächsische Ritterschaft zum Kreuzzuge gegen die heidnischen Livländer und Esthen, mit deren Bekehrung seit 1158, vorzugsweise von Westfalen aus, Anfänge gemacht waren. An den äußersten Grenzen der Christenheit, in Riga, war bereits ein Bischofssitz gegründet, an dessen Spitze ein für seine Mission begeisterter thatkräftiger Westfale, Bischof Albert (von Apeldorn) stand. Auf diesen Schauplatz neuer Thaten war auch der Blick des greisen B. gerichtet, als er das Kreuz nahm und von Stund an, wie er selbst erzählte, sich genesen fühlte. Ob er schon vor 1208 als Mönch Livland besucht hat, ist zweifelhaft, gewiß ist, daß er 1211, ein 70jähriger Greis voll Jugendmuth, sein Gelübde ausführte und mit dem rückkehrenden Bischof Albert, in Begleitung der Bischöfe von Paderborn, Verden, Ratzeburg in den fernen Ostseeländern anlangte, wo er zunächst im Cistercienserkloster zu Dünamünde seinen Aufenthalt nahm. Bald darauf zum Abte dieses Klosters erwählt, betheiligte er sich von nun an lebhaft bei den politischen und kriegerischen Ereignissen des Landes, indem er nicht nur als „praedicator Livoniae“ auftrat, sondern auch in häufigen Kämpfen bewies, daß er als Mönch die bewährte Kriegskunst des Ritters nicht verlernt hatte. Dem Bischof Albert stand er treu zur Seite, auch in dessen Streitigkeiten mit dem vom Papste unterstützten [424] Schwertbrüderorden. Im Jahre 1216 finden wir den Abt B. wieder in Westfalen und am Rhein, wo er im Kloster Heisterbach verweilte und dem bekannten Abte Cäsarius seine Abenteuer und Wunder erzählte. Im folgenden Jahre kehrte er mit dem tapferen Grafen von Holstein und andern Kreuzfahrern an die Düna zurück, nahm an der siegreichen Schlacht gegen die Esthen an der Pala (21. Sept. 1217) Theil und begleitete den Bischof Albert zum Könige Waldemar von Dänemark, um Hülfe für Livland zu erbitten, eilte von da nach Rom und erwirkte vom Papst Honorius III. nicht nur Bestätigung der ihm zugedachten Würde eines Bischofs von Selonien, sondern auch eine allen livländischen Kreuzfahrern Ablaß verheißende Kreuzbulle. So ausgerüstet zog er durch Deutschland in das Bisthum Utrecht, wo er von seinem eigenen Sohne, dem Bischof Otto, zu Oldensaal die bischöfliche Weihe empfing, und weiter durch Friesland das Kreuz predigend nach Bremen, wo er selbst mit Otto seinen eben zum Erzbischofe erwählten Sohn Gerhard weihete, und kehrte nach Livland zurück, wo er in dem neuen, durch einen Theil Semgallens erweiterten Bisthume Selonien zu Selburg seinen Sitz nahm. Mit Eifer darauf bedacht, die erst halb unterworfene Diöcese zu schützen, baut er Vesten und Kirchen, setzt Geistliche ein, zieht den Heerschaaren unbewaffnet voran und entflammt sie zum Kampf. Dem Bischof Albert blieb er auch in den durch das feindliche Auftreten des Dänenkönigs entstandenen Gefahren und den Conflicten mit den Schwertbrüdern eine treue Stütze. Noch einmal begab er sich, um neue Streiter zu sammeln, nach Westfalen, wo er für weitere Dotirung Marienfelds sorgte, die Altäre der nun vollendeten Klosterkirche mit anderen Bischöfen consecrirte, auch die Marienkirche zu Lippstadt, sowie eine Capelle auf der Schauenburg weihete. Im J. 1223 finden wir ihn wieder in seinem Bisthume, unermüdlich gegen die rebellischen Esthen zu den Waffen rufend, bis der Tod seinem vielbewegten thatenreichen Leben zu Selburg am 30. April 1224 ein Ende machte. Das Kloster Dünamünde forderte die Leiche des heil. Mannes, der Abt Robert holte sie zu Schiffe ab, aber das Fahrzeug verunglückte, und die Leichen Beider wurden an den Strand geschwemmt. – B. hinterließ fünf Söhne: Hermann II., Nachfolger in der Herrschaft Lippe, Gerhard, Erzbischof von Bremen, Otto und Bernhard, Bischöfe von Utrecht und Paderborn, Dietrich, Propst zu Deventer, und sechs Töchter, von denen zwei an Grafen von Ziegenhain und Lauterburg vermählt, vier Aebtissinnen westfälischer Stifter wurden. Sein großer Geist, sein tapfrer Arm legten den Grund zu dem hohen Ansehen seines noch blühenden Hauses und machten ihn zu einer „Zierde Westfalens“.

G. Laubmann, Mag. Justini Lippiflorium. – Scheffer-Boichorst, Herr Bernhard zur Lippe. Detmold 1872.