ADB:Blaas, Karl von
*): Karl von B., Historienmaler, geboren am 28. April 1815 zu Nauders (Tirol) von armen Eltern, † am 19. März 1894 zu Wien. Nach einem kümmerlichen Schulunterricht in Nauders und Innsbruck brach sich sein Künstlertalent immer mehr Bahn, so daß sein Oheim Franz Purtscher Freiherr v. Eschenburg, Gerichtspräsident zu Verona, vom Jahre 1832 an ihn auf seine Kosten die Akademie von Venedig besuchen ließ. Hier machte er trotz kümmerlichster Lebens-Verhältnisse rasch glänzende Fortschritte, so daß er schon 1834 zwei erste Preise erhielt, denen zwei weitere im J. 1835 folgten, darunter auch der höchste, für Composition (Tullia, wie sie über den Leichnam ihres Vaters fährt). Auf der Ausstellung von Venedig 1834 erwarb sein erstes Porträt (Selbstporträt) großen Beifall und verschaffte ihm mehrere Porträtaufträge. September 1835 reiste er nach München. Vor den Fresken von Heinrich Heß in der Allerheiligencapelle empfand er zum ersten Male, „daß die religiöse Kunst anders als bloß naturalistisch sein solle, daß man ohne höheres Studium und frommes Empfinden solche Bilder nicht schaffen könne“. Anfangs 1837 wieder in Venedig, malte er dort sein erstes historisches Bild: „Moses auf dem Berge Sinai“, das ihm von der Wiener Akademie ein fünfjähriges Romstipendium eintrug.
BlaasNoch im selben Jahre kam er nach Rom. Unterwegs lernte er in Florenz den Schweizer Maler Paul Deschwanden[WS 1] kennen, „dessen frommer Sinn und ätherische Engelsgestalten Blaas’ Neigung für religiöse Kunst verstärkten, die dann durch den Umgang mit Overbeck und dem ganzen Nazarenerkreis in Rom noch weitere Nahrung fand. „Der Kampf zwischen Realismus, dem ich bisher gefolgt war, und Idealismus war in mir aufgelodert.“ Fromme Künstler und Bücher machten ihn zum „Schwärmer“; ihr Urtheil in der Kunst traf aber nicht mit seiner Ueberzeugung zusammen. Er gab sich mit Eifer dem Studium der alten italienischen Meister, vor allem des Raffael hin und strebte danach, schöne, lebendige Formen und kräftiges Colorit mit frommem Geist zu vereinigen, was aber „mit katholischer Strenge“ zurückgewiesen wurde. [452] Unter diesen Eindrücken entstand sein erstes Bild in Rom: „Die Wiederkehr des Patriarchen Jakob mit seinem Gefolge“, welches in Rom ausgestellt wurde und wegen seiner „Zeichnung und Farbengebung“ sehr gelobt wurde. Dasselbe ward vom Kaiser Ferdinand für die Galerie des Belvedere (jetzt im k. k. Hofmuseum) erworben. In nächster Folge entstand dann sein Bild „Die hl. Elisabeth“, welches Fürst Metternich in Wien erwarb. Er wiederholte dasselbe noch zwei Mal, für den Domprobst Eberle von Bozen und den Fürsten Radziwill. Schon mehr zur Zufriedenheit Overbeck’s war eine hl. Familie für den Fürstbischof in Trient; für eine Capelle in Franzensfeste malte er um dieselbe Zeit ein Altarbild „Johannes des Täufers“. 1839 machte B. mit seinem Freund Deschwanden eine Kunstreise durch Umbrien. Hierauf malte er „Mariae Heimsuchung“ für den Kunsthändler Unterberger in Innsbruck (jetzt im Ferdinandeum daselbst; eine Wiederholung in Amerika). 1841 malte er „Die hl. Katharina von Engeln getragen“, ein Gemälde, das auf der Ausstellung in Rom schon am zweiten Tage von einem Amerikaner gekauft wurde und Blaas’ Künstlernamen in Rom begründete. Für einen bekehrten Juden Ratisbon erhielt er nun den Auftrag zu fünf Altarbildern für eine Kirche in Paris. Auch für eine englische Kirche malte er im Auftrag des Lord Shrewsbury mehrere Engelsbilder. Außerdem Porträts.
Die günstigen Umstände bewogen ihn, eine schöne Albanerin aus guter Familie, Agnese Auda, 1842 heimzuführen. Im selben Jahre malte er das Porträt der Fürstin Doria zwei Mal und erhielt darauf von der römischen Aristokratie und namentlich von Engländern zahlreiche Porträtaufträge. Nebenbei malte er eine damals sehr bewunderte „Rebekka am Brunnen“ im Besitz von J. Treils in Venedig. 1844 malte er für Baron Bussière zwei Bilder: „Maria mit zwei Engeln“ und „Mariae Heimsuchung“. Während B. in seinen religiösen Darstellungen mehr und mehr dem frömmelnd süßlichen, unwahren Idealismus des Nazarenerthumes nachgab, bewahrte er sich eine freiere und natürlichere Auffassung in den zahlreichen Porträts und namentlich in den Kostüm- und Sittenbildern, die er in den römischen Bergen und 1847 in Neapels Umgegend aufnahm. Im selben Jahre entwarf er die Festdekorationen im Dom von Albano aus Anlaß des Besuches des neuerwählten, damals „freisinnigen“ Papstes Pio IX. daselbst und erhielt dafür eine silberne Medaille. 1848 malte er in Albano drei Altarbilder für eine Kirche zu Foth in Ungarn, im Auftrage des Grafen Stephan Karolyi, ferner ein Altarbild für die Hauscapelle des Fürsten Metternich: „Papst Clemens die ihm erschienene Madonna verehrend“ (in der fürstl. Villa am Rennweg in Wien). Für den Grafen Panin in Petersburg malte er eine Scene aus dem Tiroler Landsturm 1809, „Die Flucht nach Aegypten“ und „Christus in Emmaus“.
Mehrere der vorerwähnten Bilder waren im J. 1846 in Wien ausgestellt und fanden großen Beifall. Dort malte er auch im J. 1849 mehrere religiöse Gemälde, einen hl. Georg, S. Franciscus und eine Madonna. Auf seiner Rückreise nach Rom besuchte er 1850 seinen noch lebenden 88jährigen Vater in Nauders. Nachdem eine von Overbeck und P. Tenerani warm befürwortete Bewerbung des Künstlers vom 21. März 1850 um die erledigte Professur der Geschichtsmalerei an der k. k. Kunstakademie von Mailand im September desselben Jahres abschlägig beschieden worden war, wurde ihm noch im nämlichen Jahre eine Professur für Malerei an der Wiener Akademie angetragen. Er nahm den ehrenvollen Ruf an, jedoch mit Urlaub bis zum Januar 1851, welchen er zur Vollendung verschiedener Gemälde benutzte, darunter „Die Messe, welche Schnittern auf freiem Felde gelesen wird“, ein größeres Bild, welches vom Grafen Beroldingen auf der Wiener Kunstausstellung 1851 gekauft wurde. [453] Ferner ein Familienbild für seinen Gönner Lord Shrewsbury, das er im Juli 1851 in Palermo ausführte. Blaas’ letzte Arbeit in Rom war sein Selbstporträt im Alter von 35 Jahren (1850), das in den Besitz seiner Tochter Cornelia kam.
Im August 1851 begab er sich nach Wien. Ein Auftrag der Gräfin Colloredo, geborenen Potocka, ihr Porträt zu malen, verschaffte ihm sofort zahlreiche andere Bestellungen von Porträts aus den Kreisen des Hofes und Hochadels in Wien. Die Gräfin Hunyady, später Fürstin Milos Obrenowitsch und die junge Fürstin Franz Liechtenstein (geb. Potocka) stellte er in lebensgroßen Halbfiguren dar; im J. 1853 malte er ein Bild des Kaisers für London. Daneben malte er kleine Genrebilder und Altargemälde: „Madonna mit dem Kinde“ für die Erzherzogin Sophie, „Heilige Familie“ und „Christus am Oelberg“ in fast lebensgroßen Figuren für die Fürstin Mathilde Schwarzenberg. Ferner zwei Porträtbilder in ganzen Figuren des Cardinalprimas von Ungarn Scitowsky und des 80jährigen Grafen Zichy. In den Ferien der zwei folgenden Jahre malte er für den Grafen Stephan Karolyi die Kirche von Foth in Ungarn mit Fresken aus der Geschichte Christi und Maria’s aus (6 Oelbilder und 28 Freskobilder). Damals malte er auch das Bild „Karl der Große in einer Knabenschule“, welches ihm auf der Pariser Weltaussstellung von 1855 die II. goldene Medaille eintrug, und das lebensgroße Porträt der Gräfin Lanckoronska mit ihrem Söhnchen[WS 2]. 1854 malte er in der neugebauten Altlerchenfelderkirche an der linken Mittelschiffwand Fresken aus dem Leben Jesu und Marias, und „in der Hälfte des Kreuzgewölbes gegen den Chor zu“ sechs religiöse Allegorien in Colossalgröße. Im ganzen 24 Fresken. Für das Prachtmissale, welches im April 1854 der jungen Kaiserin überreicht wurde, ebenso wie für ein ähnliches Missale, ein Geschenk des Kaisers an den Papst, stellte B. mehrere Miniaturbilder auf Pergament her.
Im Sommer 1856 übernahm er eine Professur an der Akademie Venedig, wo er anfangs schwer um die Freiheit im Unterricht zu kämpfen hatte. Er führte allerlei Reformen im Malunterricht dort ein. Im ersten Jahr arbeitete er noch an den Cartons für die Lerchenfelder Kirche, daneben führte er für das Stammbuch der Erzherzogin Margarethe mehrere Aquarellbilder aus dem römischen Leben aus. Auch im nächsten Jahre schuf er mehrere kleine römische Sittenbilder: „Die Verlobte“ (vom Minister Bach gekauft), „Römische Frauen aus der Kirche kommend“ für Erzherzog Maximilian in Miramare u. a. Im Herbst 1858, nach Vollendung der Lerchenfelder Fresken, malte er das figurenreiche Gemälde „Raub der venetianischen Bräute durch istrianische Piraten“, das auf der Kunstausstellung in Wien 1859 die große goldene Medaille erhielt (jetzt im Ferdinandeum, Innsbruck), heutzutage aber durch seine theatralisch-akademische Haltung in Composition und Colorit wenig fesselt. Im selben Jahr erhielt er den Auftrag zur Ausschmückung des Arsenals mit Fresken aus Oesterreichs Geschichte, woran er bis 1872 in den Sommerferien arbeitete. 45 Freskogemälde, darunter 4 große Schlachtenbilder in den Nischen der großen und mittleren Halle sind alle eigenhändig ausgeführt. An den Kuppelgemälden half ihm sein Sohn Eugen einen Sommer hindurch. Cartons dazu sowie von mehreren religiösen Bildern befinden sich im Ferdinandeum in Innsbruck. Auch in Venedig erhielt er 1861 die Oberleitung bei der Ausmalung der Waffensäle im neuen Arsenal; ebendort nahm er an der Restaurirung der Mosaiken von S. Marco theil.
Im Mai 1866 siedelte er wieder nach Wien über, um von neuem eine Lehrstelle an der Akademie einzunehmen. Hier verlor er am 18. October 1868 seine edle, geliebte Frau. 1872 nach Vollendung seiner Fresken im Arsenal [454] erhielt B. vom Kaiser das Comthurkreuz des Franz Josephordens und damit den Adel. Seine letzte große Arbeit vom Jahre 1876 war ein Altarbild für eine Wiener Kirche: „Johannes auf Pathmos“. Außerdem malte er in seinen letzten Jahren kleinere Bilder, Volksscenen und mythische Gegenstände. Seine sterblichen Reste ruhen in einem von der Gemeinde Wien auf dem dortigen Centralfriedhof ihm gewidmeten Ehrengrabe, das mit der Broncebüste des Verstorbenen geschmückt ist.
B. gehörte zu denjenigen Künstlern, welche zu Lebzeiten gefeiert und mit Aufträgen überhäuft, bald nach ihrem Tode den Glanz ihres Ruhmes einbüßen und wenn nicht ganz vergessen, so doch wenig mehr beachtet werden. Seiner Kunst, so sehr sie ihn bei Lebzeiten emportrug, wohnte eben auch jener tragische Zwiespalt inne (den B. selbst zeitweise fühlte), welcher den Vermittelungs- und Verschmelzungsversuchen einer Uebergangszeit zwischen heterogenen, einander ausschließenden künstlerischen Geistesströmungen und Bestrebungen unfehlbar anhaften muß. Hauptsächlich dürfte neben seiner religiösen Malerei auch seine umfangreiche Thätigkeit als Porträtmaler im Dienste hoher und vornehmer Kreise, denen er schmeicheln zu müssen meinte, dazu beigetragen haben, daß seine ursprünglichen realistischen und coloristischen Neigungen und Anlagen allmählich verflachten und verflauten und er, ohne sich zu einem kraftvollen und ausgesprochenen, persönlichen Stil durchringen zu können, einer bunten, zum Süßlichen neigenden akademischen Glätte und Mache verfiel. In den neueren, auch eingehenderen Darstellungen der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts wird er auffallender Weise, im Gegensatz zu seiner, an Erfolgen reichen Laufbahn, fast durchweg übergangen.
- Selbstbiographie des Malers Karl Blaas, herausg. von Ad. Wolf. Wien 1876. – Tiroler Bote, 1887, Nr. 308; 1841, Nr. 128; 1842, Nr. 232; 1846, Nr. 220, 241; 1849, Nr. 887; 1858, Nr. 20. – Schützenzeitung (Innsbruck), 1858, Nr. 106; 1861, Nr. 124. – v. Wurzbach, Biogr. Lexikon des Kaiserth. Oesterreich. Wien 1856. – L. Pfaundler, Lexikon über die bild. Kstler. etc. in Tirol und Vorarlberg 1863 (Handschrift im Ferdinandeum, bez. W. 4804). – Allgemeine Zeitung, München, 1894, 24. März. – Fr. v. Boetticher, Malerwerke des 19. Jahrh., I. – Kunstfreund 1904, S. 106, 116 (mit urkundl. Nachrichten). – Zeitschrift. f. bild. Kunst u. Kunstchronik an vielen Stellen (s. Register). – Friedr. Noack, Deutsch. Leben in Rom. Stuttgart u. Berlin 1907.
[451] *) Zu Bd. XLVII, S. 6.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Melchior Paul von Deschwanden (1811-1881), Historien- und Landschaftsmaler.
- ↑ Karl Graf Lanckoroński (1848-1933), Schriftsteller, Kunstsammler, u.a.