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ADB:Böttiger, Karl August

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Artikel „Böttiger, Karl August“ von Karl Ludwig Urlichs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 205–207, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:B%C3%B6ttiger,_Karl_August&oldid=- (Version vom 30. November 2024, 20:42 Uhr UTC)
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Böttiger: Karl August B., geb. 8. Juni 1760, † 17. November 1835. In Reichenbach im Voigtlande geboren, genoß er in Elsterberg, wohin sein Vater, früher Conrector, als Diaconus versetzt worden war, den ersten Unterricht. Den Gymnasialunterricht erhielt er vom 11. Mai 1772 bis 1778 in Schulpforta; dann studirte er vom 3. Juni 1778 bis zum J. 1781 in Leipzig und war mehrere Jahre in verschiedenen adelichen Häusern als Hofmeister beschäftigt. [206] Seine erste Anstellung führte ihn im J. 1784 als Rector des Lyceums nach Guben; von dort ging er im Mai 1790 mit einem in Guben begründeten Privatinstitut nach Bautzen als Rector des Gymnasiums. Herder’s, seines persönlichen Bekannten, Empfehlung verschaffte ihm im folgenden Jahre einen Ruf nach Weimar, wo er am 3. Oct. 1791 sein Amt als Director des Gymnasiums und Oberconsistorialrath für Schulangelegenheiten antrat. Hatte er sich bis dahin als Pädagog und Schulmann große Anerkennung erworben, und wirkte er auch in Weimar in diesem Fache mit gutem Erfolge, so nahm doch seine rastlose Thätigkeit, durch vielfache Beziehungen mit den Koryphäen der Litteratur, mit künstlerisch angelegten Hofleuten, mit dem Künstler Meier und mit betriebsamen Autoren bestimmt, bald eine andere Richtung. In seiner Eigenschaft als Schulmann veröffentlichte er gelehrte Programme; seine Studien über Terentius und die alte Bühne benutzte Einsiedel, seine übrige Gelehrsamkeit Knebel, seine Kenntniß der Alterthümer, der Metrik und der griechischen Litteratur Goethe und Schiller, denen er sich unter anderem in dem Balladenjahr durch Mittheilung geeigneter Stoffe dienlich erwies. Seine Verbindung mit Meier, die von der Herzogin Amalie erworbenen Vasen und die große in der Bibliothek vereinigte Zahl bedeutender Publicationen führte ihn in das Studium der Archäologie ein. Am engsten aber schloß er sich an Bertuch und Wieland an, und am eifrigsten betrieb er journalistische Beschäftigungen. Unter des ersteren Namen gab er vom J. 1795–1803 das „Journal des Luxus und der Moden“, für Wieland 1797–1809 den „Neuen deutschen Merkur“ heraus; daneben lieferte er in die verschiedensten Zeitschriften zahllose Correspondenzen und Recensionen. Diese Geschäftigkeit und seine Neigung, sich möglichst vielen In- und Ausländern gefällig[WS 1] zu erweisen, brachte ihm neben freundlichen Beziehungen nicht wenige Verdrießlichkeiten. Zuerst überwarf sich Schiller mit dem „Magister Ubique“, dem er eine indiscrete Mittheilung unbekannter Theile des Wallenstein vorwarf; dann nahm ihm Goethe einen persifflirenden Bericht über A. W. Schlegel’s Ion so übel, daß er dessen Druck geradezu untersagte. Die Romantiker waren ihm alle aufsässig, und Tieck verspottete seine Sucht zu loben. Da es auch mit Herder zu Reibungen kam, wurde B. der Weimarer Aufenthalt verleidet. Im J. 1794 und 1798 hatte er vortheilhafte Berufungen abgelehnt; im J. 1806 knüpfte er mit Berlin und Dresden durch dortige Freunde Verhandlungen an. B. Racknitz und Reinhard verschafften ihm in Dresden eine anfänglich nicht bedeutende Anstellung. Er wurde Studiendirector der Pagerie, erst 1814 der neu gebildeten Ritterakademie und Oberaufseher der Antikenmuseen, seit 1821 behielt er die letztere Stelle allein, am 1. Jan. 1835 trat er mit vollem Gehalt in den Ruhestand. In Dresden befand sich B. sehr wohl. Er hielt während des Winters fleißig besuchte archäologische Vorlesungen und erfreute sich allgemeiner Beliebtheit, auch beim Hofe. Ein Freund der Geselligkeit und des heitern Scherzes ließ er es sich auch gefallen, selbst dessen Zielscheibe zu sein. Ein reger Briefwechsel ging mit reichem persönlichem Verkehr Hand in Hand, und während einer geraumen Zeit war B., wenn nicht der bedeutendste, so doch der bekannteste Kunstgelehrte in Deutschland. - Wenn man Böttiger’s wissenschaftliche Leistungen würdigt, hat man von den unzähligen Aufsätzen, welche er, durch ein vortreffliches Gedächtniß und umfassende Lectüre unterstützt, mit großer Leichtigkeit schrieb, so wie von den Berichten über Theater, Kunst ünd Litteratur größtentheils abzusehen. Die Mehrzahl hat nur ephemere Bedeutung gehabt. Indessen befinden sich auch unter ihnen, namentlich den lateinischen Programmen, einige gediegene Leistungen; insbesondere sind seine Arbeiten über die scenischen Alterthümer noch jetzt unentbehrlich, auch die Erklärung einiger Denkmäler, die Abhandlung „De Medea Euripidea“ gelehrt und geistreich. Doch macht sich die [207] stoffmäßige Erudition und die Neigung, Entlegenes und Verschiedenes zu vereinigen in einem Mangel an methodischer Schärfe bemerkbar, welcher ihm von Männern, wie Lobeck bitter vorgeworfen wurde. In Dresden trat er den Kunstwerken selbst näher; er lernte die Eigenthümlichkeiten des Stils bestimmter auffassen, die Gegenstände unter einem einheitlichen Gesichtspunkte systematischer gruppiren und in seinen Vorlesungen sowol die historische, als die systematische Entwicklung deutlicher betonen. Obgleich auch sie an den erwähnten Fehlern leiden, die mythologischen Ansichten meistens veraltet erscheinen, haben doch die spätern Schriften nicht allein in hohem Grade förderlich gewirkt, sondern zum Theil neue Bahnen und Ziele gezeigt. – Unter den Weimarer Werken ist das bedeutendste die schnell beliebt gewordene „Sabina“ (n. Aufl. 1806, ursprünglich in dem Journal für Moden, einzelne Aufsätze), eine gelehrte und ansprechende Darstellung des römischen Privatlebens; unter den Dresdener geben seine „Andeutungen zu 24 Vorträgen über die Archäologie“ (1. Abth. 1806) eine schätzbare, nach Stilen geordnete, Uebersicht der griechischen Plastik, die „Ideen zur Archäologie der Malerei“ (I. Bd. 1811) den Anfang einer Geschichte dieser Kunst, die „Ideen zur Kunst-Mythologie“ (I. 1826. II. 1836) die Grundlage einer in ihrer Art neuen Disciplin. Die nach seinem Tode erschienenen „Litterarische Zustände und Zeitgenossen“ (2 Bde. 1838) liefern interessante, nicht immer zuverlässige Beiträge zur Kenntniß der Weimarer Litteraturperiode.

Sein Leben hat sein Sohn, K. W. Böttiger, ausführlicher in den Zeitgenossen, dritte Reihe, Nr. XLIII und kürzer in dem Neuen Nekrolog der Deutschen XIII, 2 dargestellt. Ders., Böttiger, eine biographische Skizze, 1837. Eichstädt, Opuscula orator p. 655–672. Ein vollständiges Verzeichniß der Schriften gibt Sillig vor Böttiger’s kl. Schriften (3 Bde. 1837 ff.); es füllt nicht weniger als 56 Seiten.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gegefällig