Zum Inhalt springen

ADB:Christ, Johann Friedrich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Christ, Johann Friedrich“ von Conrad Bursian in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 140–142, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Christ,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 2. Dezember 2024, 13:45 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Crisman, Franz Xaver
Band 4 (1876), S. 140–142 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Friedrich Christ in der Wikipedia
Johann Friedrich Christ in Wikidata
GND-Nummer 10079114X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|4|140|142|Christ, Johann Friedrich|Conrad Bursian|ADB:Christ, Johann Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=10079114X}}    

Christ: Johann Friedrich Ch., der Vorgänger Winckelmann’s in richtiger Würdigung der antiken Kunst, der Begründer des Studiums der Archäologie auf deutschen Universitäten, geboren im April des Jahres 1700 zu Coburg, wurde von Jugend auf durch die Erziehung in seinem dem Hof und den fränkischen Adelsfamilien nahestehenden Elternhause zur Beschäftigung mit der schönen Litteratur, der deutschen sowol als der französischen und italienischen, und mit der Kunst angeleitet und zu eigenen Versuchen in Dichten, Zeichnen und Malen angeregt. Nachdem er sich auch in den anfangs von ihm vernachlässigten classischen Sprachen, wenigstens im Latein, eine tüchtige Vorbildung erworben, bezog er 1720 die Universität Jena, wo er sich philosophischen, hauptsächlich aber juristischen Studien widmete. Bald nach seiner Rückkehr ins Vaterhaus wurde ihm der Antrag gestellt, den ältesten Sohn des sachsen-meiningischen Premierministers v. Wolzogen als Hofmeister auf die Universität Jena zu begleiten; [141] er nahm diesen Antrag an und verweilte mit seinem Zöglinge 2½ Jahr in Jena, wo er mit diesem juristische, historische und philosophische Vorlesungen hörte. Schon damals erwachte in ihm die Neigung, sich dem akademischen Lehramt zu widmen, doch stand er auf Wunsch seines Vaters zunächst davon ab und nahm die Stellung eines geheimen Cabinetssecretärs in Meiningen an, welche ihn wieder in enge Beziehungen zu den dortigen Hofkreisen brachte. Im J. 1726 übernahm er die Leitung der Studien der beiden jüngeren Söhne des Ministers v. Wolzogen und bezog mit diesen die Universität Halle, wo er, obgleich er noch keinen akademischen Grad erlangt hatte, von der philosophischen Facultät die Erlaubniß erhielt, Vorlesungen zu halten, die sich eines ungewöhnlichen Beifalls von Seiten der Studirenden erfreuten. Auch veröffentlichte er hier, nachdem er schon früher verschiedene deutsche und lateinische Poesien und „eine kurze Anzeige seiner vorhabenden Beschreibung der Historie der Mahlerey neuerer Zeiten“ (Jena 1724) hatte drucken lassen, in den Jahren 1726–29 eine Anzahl kleiner Abhandlungen und Aufsätze aus den Gebieten des römischen Rechts, der römischen Alterthümer und der Geschichte (mit Einschluß der Litterar- und Culturgeschichte) theils einzeln, theils unter dem Collectivtitel von „Noctes academicae“ („Noctium academicarum libri sive specimina IV“, Halle 1727–29). Im J. 1729 siedelte er als Hofmeister des zweiten Sohnes des kurfürstlich-sächsischen und königlich-polnischen Kanzlers Grafen v. Bünau nach Leipzig über, wo er sich als Privatdocent bei der philosophischen Facultät habilitirte und bald darauf (1731) eine außerordentliche Professur der Geschichte mit einem kleinen Jahrgehalt erhielt. Seine akademische Thätigkeit unterbrachen längere Reisen, die er in den Jahren 1733 und 1735 mit seinem Zöglinge an die Höfe Deutschlands, nach Holland, England und Oberitalien machte, Reisen, die durch eine Fülle neuer Anschauungen, namentlich auf dem künstlerischen Gebiete, zur Verfeinerung seines Geschmacks und zur Erweiterung seiner Kenntnisse beitrugen. Nach der Rückkehr widmete er sich ganz seiner Lehrthätigkeit an der Universität, besonders nachdem ihm im J. 1739 neben seiner außerordentlichen Professur für Geschichte die ordentliche Professur der Dichtkunst übertragen worden war. Seine Vorlesungen, die immer fein und geschmackvoll, aber für die Mehrzahl der Studenten besonders wegen seiner zahlreichen Excurse, die ihn oft weit von dem Gegenstande abführten, weniger mundgerecht waren, bezogen sich hauptsächlich auf römische Schriftsteller; außerdem las er wiederholt ein sogenanntes „collegium litterarium“ („super re litteraria“), worin er, und zwar er zuerst unter allen deutschen Universitätslehrern, neben den schriftlichen auch die bildlichen Denkmäler des Alterthums behandelte und so diese bis dahin auf den deutschen Universitäten gänzlich vernachlässigte Seite der antiken Cultur in den Kreis der Universitätsstudien einführte. Aus nachgeschriebenen Heften dieser Vorlesung, welche bald nach Christ’s Tode von mehreren Gelehrten, wie von J. A. Ernesti und von Chr. Ad. Klotz ohne Nennung des Namens des Verfassers ausgebeutet wurden, sind die von Johann Karl Zeune herausgegebenen und mit Anmerkungen begleiteten „Abhandlungen über die Litteratur und Kunstwerke vornehmlich des Alterthums“ (Leipzig 1776) hervorgegangen, welche in 12 Abschnitten von der Litteratur überhaupt, von der Eintheilung derselben, von Aufschriften (Inschriften), Architektur und Marmor der Alten, von alten Münzen, von den Statuen, von dem erhobenen Bildwerke (Relief) der Alten, von den Gemmen, von der Malerei der Alten, von den Gefäßen und Geräthen der Alten, von der Diplomatik oder von dem Gebrauche und der Beurtheilung der Briefschaften aus den mittleren Zeiten, von den alten Handschriften und von gedruckten Büchern handeln: ein ziemlich buntes Gemisch, worin aber die auf Epigraphik, Numismatik und Bildwerke des Alterthums bezüglichen Abschnitte mit Vorliebe und besonderer Sorgfalt bearbeitet [142] sind. Seine amtliche Stellung als Professor der Poesie veranlaßte ihn zur Abfassung zahlreicher Gelegenheitsschriften, theils lateinischer Gedichte, theils kurzer Abhandlungen über verschiedene Gegenstände der classischen Alterthumswissenschaft, wie über die Darstellungen der Musen in antiken Bildwerken („Imagines Musarum e simulacris antiquis percenset etc.“, Lipsiae 1739: Einladungsschrift zu seiner Antrittsrede als ordentlicher Professor), über die Vasa murrhina der Alten („De murrhinis veterum disquisitio“ 1743), über die Einrichtung der Trinkgelage bei den Alten („Magisteria veterum in poculis ac modos temperandi convivii exponit etc.“, 2 Programme, 1745 und 1749), über die Fabeln des Phädrus, die er für ein Product nicht des classischen Alterthums, sondern des italienischen Gelehrten Niccolo Perotti (1430–1480) erklärt („De Phaedro eiusque fabulis prolusio“ 1740; eine ausführlichere Rechtfertigung dieser Ansicht gegen die von einem Ungenannten [Prof. Funck in Rintelen] dagegen erhobenen Einwürfe versuchte er in der Schrift: „Ad eruditos quosdam de moribus simul de Phaedro eiusque fabulis uberior expositio. Accessit auctarium fabularum quarundam Phaedri nec Phaedri“, 1747; nochmals wiederholte er seine Ansicht in der Vorrede zu den von ihm nach alten Quellen in lateinischen Senaren gedichteten zwei Büchern Aesopischer Fabeln, Leipzig 1749). Zeugnisse seiner histor. Studien sind die Schriften: „De rebus Langobardicis commentariorum liber unus“ Leipzig 1730, und „De Nicolao Machiavello libri III“, Halle 1731. – Ein specielles Studium widmete Ch. den antiken Gemmen, wovon die von ihm verfaßte Beschreibung der geschnittenen Steine der Richter’schen Sammlung („Musei Richteriani Dactyliotheca interprete J. Fr. Christio“, 1743), die Vorrede und der Text zu den beiden ersten Tausenden der von Phil. Dan. Lippert herausgegebenen Abdrücke antiker Gemmen (1755 u. 1756), endlich eine Abhandlung über die Kennzeichen des antiken Ursprungs an Gemmen („Dissertatio super signis in quibus manus agnosci antiquae in gemmis possint“, in „Commentarii Lipsienses litterarii“ T. I. Lips. p. 64 ss.) Zeugniß geben. Unterstützt wurde er dabei durch seine genaue Kenntniß der Technik der Steinschneidekunst, wie ihm auch die Uebung, welche er sich in der Handhabung des Pinsels, des Grabstichels und der Radirnadel erworben hatte, bei seinen Arbeiten über die Geschichte der Malerei und Kupferstechkunst zu Statten kam. Das von ihm von Jugend auf projectirte Werk über die Geschichte der neueren Malerei ist, wie andere Entwürfe größerer Arbeiten mit denen er sich trug, nicht zur Ausführung gelangt (eine Probe davon, das Leben L. Cranach’s, erschien in den „Acta eruditorum Franconica“, Nürnberg 1727); als eine Art Vorarbeit dazu kann sein Buch über die Monogramme der Künstler („Anzeige und Auslegung der Monogrammatum, einzeln und verzogenen Anfangsbuchstaben der Namen, auch anderer Züge und Zeichen, unter welchen berühmte Mahler, Kupferstecher und andere dergleichen Künstler auf ihren Werken sich verborgen haben“ Leipzig 1747; ins Französische übersetzt mit Zusätzen von G. Sell, Paris 1750) betrachtet werden. – Ch. war schon seit dem Jahre 1752 fortwährend kränklich und starb plötzlich während seines Rectorats am 3. Aug. 1756.

Vgl. Jo. A. Ernesti, „Memoria J. F. Christii“ in den Opuscula oratoria p. 229 ss. ed. II.; (Joh. Christoph Strodtmann’s) Beiträge zur Historie der Gelahrtheit, worinnen die Geschichte der Gelehrten unserer Zeiten beschrieben werden. Dritter Theil (Hamburg 1749) S. 25 ff.; Adelung, Fortsetzung und Ergänzungen zu J. G. Jöchers Allgemeinem Gelehrten-Lexikon Bd. II, S. 312 ff. und J. G. Meusel’s Lexikon der vom Jahre 1750–1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller Bd. II, S. 93 ff.; über Christ’s Verdienste um das Studium der antiken Kunst besonders C. Justi, Winckelmann. Sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen. Bd. I, S. 374 ff.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 142. Z. 1 v. u.: Kürzlich erschien: E. Dörffel, Joh. Friedr. Christ, sein Leben und seine Schriften. Ein Beitrag zur Gelehrtengeschichte des 18. Jahrh. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1878. [Bd. 8, S. 794]