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ADB:Coelde, Dietrich

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Artikel „Coelde, Dederich“ von Eduard Aander Heyden in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 386–388, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Coelde,_Dietrich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 15:32 Uhr UTC)
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Coelde: Dederich C., wurde geboren um das J. 1435 in der Hauptstadt Westfalens. Seine Eltern waren von Osnabrück nach Münster gezogen und hatten hier das Bürgerrecht erhalten. Nach seinem Geburtsorte wurde er meistens D. von Münster, nach dem seines Vaters auch D. von Osnabrück genannt, den Familiennamen C. geben ihm nur westfälische Schriftsteller. Ueber Dederichs Jugend ist nichts bekannt, außer daß er nach Köln zog, um den Studien der philosophischen Wissenschaften obzuliegen. Nachdem er die besten Fortschritte in denselben gemacht, trat er (wol zu Münster oder Köln) in den Orden der Augustiner-Eremiten oder Fraterherren. Später vertauschte er das Fraterhaus mit dem Franciscanerkloster, wo läßt sich ebenfalls nicht bestimmen, nur das wissen wir, daß es nicht zu Münster geschah, da Mönche der regulären Observanz, die C. annahm und verbreiten sollte, erst im J. 1614 (nicht 1612) in letztere Stadt einzogen. Zuerst erscheint er in Nordholland und tritt auf als ein gewaltiger Volksprediger, eifriger Seelenhirt, energischer Reformer seines Ordens und als Schriftsteller. Das 1449 gegründete Kloster zu Antwerpen erhielt ihn längere Zeit als Guardian. 1467 richtete er ein neues Kloster zu Bodenthal bei Brüssel ein. Dann zog er zu Wagen von Ort zu Ort und suchte durch seine hinreißende und erschütternde Beredsamkeit die überall bestehenden politischen Parteistreitigkeiten und Erbitterungen beizulegen. Als 1489 Frankreich und Belgien von einer schrecklichen Pest heimgesucht und in Brüssel fast alle Seelsorger von derselben hinweggerafft werden, verläßt er sein Kloster, um [387] es vor Ansteckung zu bewahren, errichtet auf dem Markte ein Zelt mit einem besonderen Tabernakel für das h. Sacrament, spendet den Gesunden, die zu Tausenden sein Zelt umlagern, die kirchlichen Heilsmittel und eilt zu Pferde von Haus zu Haus, die Kranken und Sterbenden mit den letzten Tröstungen zu versehen. Länger als ein Jahr wüthete die Pest, 33000 Menschen raffte sie hinweg: 32000 versah er mit den Gnadenmitteln der Kirche; von diesen seien, so sagt er, nur zwei Seelen verloren gegangen. Kein Wunder, daß das Volk ihn als Wunderthäter, wo nicht als Heiligen betrachtete. Erzbischof Hermann IV. von Köln berief ihn 1493 zum Guardian des 1490 bei der Residenz Brühl neu erbauten Observantenklosters und diesem stand er bis 1497 als solcher vor. 1503 wurde auf Coelde’s mahnendes Wort das Kloster zu Brüssel von der dritten zur stricten Regel der h. Clara übergeführt, 1506 der alte Franciscaner-Convent[WS 1] zu Löwen reformirt. Er starb 80 Jahre alt als Guardian des letzteren Klosters, nachdem er kurz vorher in einer Predigt seine baldige Auflösung verkündigt und wurde am 11. Dec. 1515 auf dem Chore der dortigen Ordenskirche bestattet. Seine Gebeine wurden in hohen Ehren gehalten und vor der Zerstörung, welche die Grabstätte später traf, bewahrt bis auf den heutigen Tag. – Dieses sind die wenigen Nachrichten, welche von Coelde’s außerordentlicher Thätigkeit auf uns gekommen sind. Wie viele Spuren seiner Wirksamkeit sind wol ganz untergegangen! Mit Recht wird die rasche Ausbreitung der Observanz von Belgien aus in den rheinischen, niederländischen und westfälischen Conventen, ferner der Umstand, daß für die höchsten Ordenswürden belgische Mönche dorthin berufen werden, zum großen Theil auf Dederichs Rechnung geschrieben, weil diese Erfolge von dem Hauptschauplatze seines Wirkens ausgehen und sich gleichsam unter seinen Augen vollziehen. – Den praktischen Verdiensten Coelde’s um Ordensdisciplin und Seelsorge stehen die litterarischen gleich, wenn nicht noch höher als jene. Seine bedeutendste und volksthümlichste Schrift ist der „Christenspiegel", der erste niederdeutsche Katechismus. Er erschien 1470 in Brabant als Handschrift und wurde 1480 zuerst zu Köln gedruckt. Dederichs neuester Biograph, Nordhoff, weist 21 Drucke (den letzten von 1708) nach, eine Thatsache, die klarer als Worte bekundet, wie sehr das Büchlein seinem Zweck entsprach, wie neu sein Inhalt blieb, wie treffend die Form und Anlage war. Manche Ausgaben mögen untergegangen oder im Dunkel der Bibliotheken versteckt sein. Andere von ihm verfaßte Schriften sind: „De passione Domini lib. I“, „Manuale simplicium lib. I“, „De exercitatione interiore“ etc.; sie alle fallen, soweit sich nach den Titeln schließen läßt, in das Gebiet der populären Belehrung und Erbauung, gehen also seinem pastoralen Wirken zur Seite. Auch verkehrte er mit den tüchtigsten Humanisten und Gelehrten. Rudolf von Langen verfaßte 1493 auf Dederichs persönlichen Wunsch das Gedicht „Rosarium virginis beatissimae“ und in der Widmung an den gelehrten Kölner Peter Rink gedenkt er seiner, rühmt seine Predigergabe und setzt voraus, daß auch die Rink’s in Köln ihn längst gut kennten. 1494 trifft ihn Johannes Trittenheim in Köln und ist des Lobes voll über den gottbegeisterten und thätigen Mann. Mit dem genannten Erzbischof von Köln, auf dessen Wunsch C. mehrere seiner Schriften verfaßte und mit dem Bischof von Utrecht, David, Bastard von Burgund, stand er ebenfalls in genauer Beziehung. – Coelde’s Beinamen „von Münster“ und „von Osnabrück“ haben zu den mannigfachsten Verwechselungen Veranlassung gegeben. Zuerst hat man unter dem Dederich von Münster und dem Dederich von Osnabrück zwei verschiedene Persönlichkeiten verstanden, ferner hat man ihn identificirt mit dem älteren Dederich von Münster (wahrscheinlich aus der zu Münster blühenden Erbmännerfamilie Keckering), der am Constanzer Concil thätig war und mit dem älteren Dederich von Osnabrück, der den Familiennamen [388] Brie führte und ebenfalls das Concil zu Constanz besuchte und es auch beschrieben hat. Erst neuere Forschungen haben diese Irrthümer aufgedeckt.

Nordhoff in der Pick’schen Monatsschrift Heft 1, 3, 7 und 11.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Fanciscaner-Convent