ADB:Ebel, Johann Gottfried

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Artikel „Ebel, Joh. Gottfried“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 518–519, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ebel,_Johann_Gottfried&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 00:39 Uhr UTC)
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Ebel: Joh. Gottfried E., Arzt und Naturforscher, geb 6. Octbr. 1764 zu Züllichau in preuß. Schlesien, gest. 8. Octbr. 1830 in Zürich. Sohn eines angesehenen Kaufmanns, legte E. auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, dann auf jenem zu Neu-Ruppin den Grund zu seiner Bildung, bezog 18 Jahre alt die damalige Universität Frankfurt a. O., um sich aus Neigung zu den naturwissenschaftlichen Fächern dem Studium der Medicin zu widmen, und erlangte hier 1789 auf Grund einer gehaltreichen Dissertation über das Verhältniß der Nerven zum Gehirn bei Menschen und Thieren den Doctorgrad in der Medicin. Nach einem mehrmonatlichen Besuche der Heilanstalten in Wien begab sich E. wieder auf Reisen und besuchte zunächst die Schweiz. Die großartige Natur der Alpenwelt wirkte so anziehend, daß E. 3 Jahre lang in der Schweiz verweilte, sie nach allen Richtungen durchwanderte und nicht blos eingehende naturwissenschaftliche, besonders geognostische Studien betrieb, sondern auch das Auge für die Sitten und Gebräuche des Volks, für Geschichte und Kunst des Landes offen hielt. 1793 als praktischer Arzt nach Frankfurt a. M. übergesiedelt, widmete E. alle Mußestunden der sorgfältigen Ausarbeitung und Veröffentlichung seiner Schweizerbeobachtungen in einem größeren Werke: „Anleitung auf die angenehmste und nützlichste Art in der Schweiz zu reisen“, 1793, ein besonders für reisende Naturforscher, zugleich aber auch für Naturfreunde im allgemeinen geschriebenes Reisehandbuch, welches in dieser Richtung geradezu mustergültig genannt werden kann und dem Verfasser einen europäischen Ruf verschaffte, indem er darin eine Fülle interessanter wissenschaftlicher Beobachtungen mit vielseitigen wissenswerthen Bemerkungen über Land und Leute in höchst belehrender Weise zu verknüpfen verstand. Dieses Werk erlebte drei Auflagen (1804 und 1810) und galt selbst bei den Schweizern als eine Fundgrube der Belehrung über ihr Land. Eine „Schilderung der Gebirgsvölker der Schweiz“, welche 1798 bis 1802 in Form einer Reisebeschreibung folgte, zeigt ebenso den feinen und scharf blickenden Beobachter, als vortrefflichen Darsteller. Eine Uebersetzung der philos.-politischen Schriften Sièyes’, die er 1796 besorgte, machte ihn als Beförderer revolutionärer Ideen verdächtig und nöthigte ihn Frankfurt zu verlassen. Er wandte sich zunächst nach Paris, wo er neben dem ärztlichen Berufe sich fortwährend mit wissenschaftlichen Studien, – mit Sömmering mit anatomischen beschäftigte. Hier sah er, wie die hochgehenden Wogen der damaligen politischen Bewegung von Frankreich aus auch die Unabhängigkeit und Freiheit der Schweiz zu verschlingen drohten. E. stand auf der Wache und suchte selbst unter ernsten Gefahren für seine Person durch zahlreiche von Paris an verschiedene einflußreiche Schweizer geschriebene Briefe auf dieses drohende Unglück aufmerksam zu machen; er bat und beschwor dieselben, ihre Selbständigkeit durch eine aus eigenem Antriebe ins Werk gesetzte freisinnige Reform ihres Gemeinwesens zu retten und das zu befürchtende Verhängniß von der Schweiz abzuwenden. Für diese wohlwollende und uneigennützige Gesinnung ertheilte ihm der gesetzgebende Rath das schweizer Bürgerrecht, das später durch das Stadtbürgerrecht in Zürich ersetzt wurde. 1801 nach Frankfurt zurückgekehrt, arbeitete E. nun das in seinem Reisehandbuch zerstreute geognostische Material zu einer zusammenhängenden Uebersicht „Ueber den Bau der [519] Erde“ 1808 in 2 Bänden aus, ein großes, lebendiges Bild der Alpen, ganz aus eigenen Beobachtungen und ohne Einfluß fremder Theorien entworfen und deshalb ganz eigenartig. Er versuchte darin zuerst die Alpen als ein großes, zusammengehöriges Ganzes darzustellen, dessen innerste centrale Theile er aus mehr oder weniger steil gestellten Tafeln oder Platten des durch chemische Processe und durch vorwaltende Krystallisationskraft erzeugten Urgebirgs zusammengesetzt sich dachte, während daneben in 6 oder mehr parallelen Seitenketten das durch mechanische Thätigkeit entstandene Flötzgebirge, die Kalkberge und die übrigen Schichtgesteine bis zur Molasse herab sich anlehnen, unter stetem Hinweis auf ein lebendiges Element, welches einer ungeheuern Voltaischen Säule in Kugelgestalt vergleichbar der Urorganisation der Erde zu Grunde läge. So wenig haltbar auch diese theoretischen Vorstellungen sind, so macht doch das Buch Ebel’s auf zahlreiche Thatsachen aufmerksam, die in der Wissenschaft von dauerndem Werthe bleiben. Das Werk ist zudem von zahlreichen, lehrreichen Gebirgsprofilen und einer ersten geognostischen Karte der Schweiz begleitet.

Seit 1810 weilte E. wieder in der Schweiz und wählte Zürich zu seinem dauernden Aufenthalt, so daß ihm die Schweiz zu seiner zweiten Heimath wurde. Eng befreundet mit den Familien Escher, theilte er sein Leben fortan zwischen dem Wirken für Wohlthätigkeitszwecke und ernsten wissenschaftlichen Studien („Ideen über die Organisation des Erdkörpers, 1811; „Malerische Reise durch die neue Bergstraße Graubündens“, 1825). In der sorgfältigen Ueberarbeitung und Erweiterung der „Anleitung“ für eine weitere 4. Auflage und bei der Fortsetzung der Schilderung der schweizerischen Gebirgsvölker ereilte ihn der Tod, ohne daß es ihm vergönnt war, das Begonnene ganz zu vollenden.

Vgl. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Zürich 1833. Verhandlungen der Schweizer Gesellsch. der Naturw. 17. Sess. 1832. 128. Verhandl. der schweizer. gemeinnützigen Gesellschaft 1835. Wolf, Biogr. IV. 382.