ADB:Eccard, Johann Georg von
Grafen Flemming. Diese Stellung vermochte ihn jedoch ebenso wenig zu fesseln als sich andere angebliche Aussichten, z. B. eine Anstellung an der Universität Wittenberg, verwirklichten. Gewiß ist, daß E., seinen Lieblingsneigungen treu geblieben, im J. 1694 nach Hannover ging und Gelegenheit fand, die Aufmerksamkeit Leibnitz’s auf sich zu ziehen, indem er ihm Urkunden mittheilte, die dessen Interesse erweckten. So nahm ihn Leibnitz zu sich und bediente sich seiner statt Joachim Feller als höchst fähigen Gehülfen bei seinen verschiedenen geschichtlichen Arbeiten. E. bewies sich hierbei ebenso brauchbar als eifrig. Leibnitz entsendete ihn in der Zeit von 1694–1706 mehr als einmal, besonders zur Benutzung verschiedener auswärtiger Archive, oder ließ sich von ihm auf seinen Reisen begleiten und zog ihn auch bei seinen historischen Unternehmungen, wie z. B. der Herausgabe der Scriptores Rerum Brunsvicensium zu Rathe. Besonders waren es die sprachwissenschaftlichen Kenntnisse Eckhart’s, die Leibnitz jetzt wie später wohl zu schätzen wußte. In diese Jahre (1700–1702) fällt auch die Herausgabe des „Monatlichen Auszugs aus allerhand neu-herausgegebenen nützlichen und artigen Büchern.“ Es kann seit Guhrauer’s bezüglichen Untersuchungen und Ausführungen freilich keinem Zweifel unterliegen, daß das überwiegende Verdienst an diesem höchst zeitgemäßen Unternehmen Leibnitz zukommt und daß E. Unrecht thut, indem er dasselbe für sich in Anspruch nimmt (s. den von E. verfaßten „Herrn v. Leibnitz Lebenslauf“ in Chr. G. v. Murr’s Journal für Kunstgeschichte, 7. Thl. S. 172); aber so viel werden wir ihm wol zugestehen dürfen, daß ein wenn auch kleiner Theil dieses Verdienstes ihm zugestanden werden muß. Wie hoch Leibnitz E. schätzte, wird zugleich durch die Thatsache bezeugt, daß E. im J. 1706 in Folge der ausdrücklichen Befürwortung von Seiten seines Gönners zum Professor der Geschichte an der Universität Helmstädt ernannt wurde. Seine engen Beziehungen zu Leibnitz wurden durch diese Beförderung nicht gestört, wenn auch der unmittelbare Verkehr darunter Einbuße erlitten hat. In die Helmstädter Epoche fällt die Ausarbeitung, beziehungsweise Veröffentlichung von ein paar Eckhart’schen Schriften linguistisch-etymologischen Inhalts, auf die wir [628] noch zurückkommen werden. Das J. 1714 brachte E. eine ihm wahrscheinlich nicht unerwünschte Aenderung in seiner äußeren Stellung: er wurde nach Hannover zurückgerufen und mit einer ansehnlichen Besoldung zum hannöverschen Rath und Historiographen ernannt. Man wird annehmen dürfen, daß auch dieses nicht ohne Zuthun Leibnitz’s geschehen ist. E. wurde in Folge dieser Ernennung ja, wie er das selber sagt, der „Gehülfe“ Leibnitz’s bei der Abfassung der Geschichte des welfischen Hauses und speciell auch der Annales imperii. In die Zeit dieses zweiten hannöverschen Aufenthaltes Eckhart’s fällt die Herausgabe eines guten Theiles seiner in das Gebiet der deutschen Geschichte und des deutschen Alterthums fallenden Werke, die seinen Namen in der gelehrten Welt hoch berühmt gemacht haben. Hier in Hannover hat er (1720) auch, von Jugend an ein Liebhaber der Dichtkunst, seine „Poetischen Nebenstunden“ (Braunschweig 1720) herausgegeben (vgl. Baring, Clavis diplom. Praefatio, p. 5). Als Leibnitz 1716 starb, schrieb er – ursprünglich französisch – die schon erwähnte Schrift über „Leibnitzens Lebenslauf“ für die Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans, eine Schrift, die bekanntlich verschiedene Beurtheilungen erfahren hat. Eckhart’s Verhältniß zu seinem „großen Freunde“ war übrigens bis zuletzt ungetrübt geblieben und die wechselseitige Ermunterung und Unterstützung in ihren gemeinsamen Studien hatte keinen Abbruch erlitten. Nun ging das Amt eines königlichen Bibliothekars wie Historiographen des welfischen Hauses vollständig auf E. über. So beschäftigte er sich denn jetzt angelegentlich mit der Herausgabe des „großen historischen Werkes“ von Leibnitz, d. h. der Annales imperii, und zugleich mit der Fortsetzung desselben bis 1025, wobei er, nach seiner eigenen Angabe, von „königlicher Majestät“, d. h. Georg I. von England, der Leibnitz die angeblich langsame Förderung des Unternehmens bekanntlich ebenso schwer als ungerecht verdacht hatte, kräftig unterstützt wurde. Aber auch er hat dies Werk, ebenso wenig als die ebenfalls schon von Leibnitz begonnenen Origines Guelficae zum Ziele geführt. Es dauerte nämlich nicht lange, so fühlte er sich in seiner Stellung in Hannover nicht mehr befriedigt, obwol sie nach den Verhältnissen jener Zeit keineswegs schlecht ausgestattet war. Seine Eitelkeit – denn an diesem Gebrechen scheint er mehr als gut gelitten zu haben – war zwar im J. 1719 durch die Erhebung in den Adelstand von Seiten Kaiser Karls VI., dem er seine Origines Austriacae gewidmet hatte, eine große Genugthuung widerfahren, aber Gründe anderer Art, nach allem was man weiß in erster Linie die arge Zerrüttung seiner ökonomischen Lage, die er u. a. auf zu geringe Entschädigung für seine Mühen und Auslagen im Dienste seiner wissenschaftlichen Obliegenheiten zurückführte, hatten ihm Verlegenheiten bereitet, von welchen er sich zuletzt nicht anders befreien zu können glaubte, als durch den verzweifelten Entschluß, seine Stellung preiszugeben und mit Zurücklassung seiner Familie zu fliehen (December 1723).
Eckhart: Johann Georg v. E. (oder Eccard, wie er vor seiner Erhebung in den Adelstand stets geschrieben hat), geb. 7. Septbr. 1664 zu Duingen im kalenbergischen Amte Lauenstein, wo sein Vater Oberförster war. Nach genossenem Privatunterricht kam er zur Fortsetzung seiner Ausbildung auf die schon damals angesehene Schule zu Pforta und ging von da auf die Universität Leipzig über. Hier trieb er, obwol dem Wunsche seiner Mutter gemäß zur Theologie bestimmt, mit Vorliebe historische und philologische Studien, die früh ihre besondere Richtung auf energische Beschäftigung mit der deutschen Sprache, Geschichte und den Alterthümern nahmen. Der Theologie sagte er zuletzt auch förmlich ab und wurde, nach Ueberwindung einiger Schwierigkeiten seine Existenz zu fristen, Secretär des kursächsischen Staatsministers und FeldmarschallsEs tritt damit eine tiefgreifende Wendung in dem Leben Eckhart’s ein. Von Geburt Protestant und bisher einem protestantischen Fürstenhause dienend, suchte er jetzt sich eine neue Zukunft zu begründen, indem er sich dem Katholicismus in die Arme warf. Ob dieser Gedanke schon länger in ihm gelegen und bei dieser Veranlassung blos Gestalt gewann, ist mit Sicherheit nicht zu sagen; die innere Wahrscheinlichkeit spricht mehr für als gegen eine solche Annahme; mit höher stehenden Katholiken wenigstens, wie z. B. nach seiner eigenen Angabe mit dem späteren Cardinal Passionei, damaligen päpstlichen Nuntius bei der Eidgenossenschaft, stand er schon seit längerer Zeit im Verkehr (s. sein Schreiben an diesen in den Acta epistol. legationis Helveticae etc. Tugii 1729, p. 247). Freilich wird man kaum bestreiten wollen, daß zwischen Eckhart’s Schreiben, das er an das hannöversche Ministerium im Augenblick seiner Flucht [629] (23. Decbr. 1723) über seine bez. Beweggründe richtete (Will, Hist.-dipl. Magazin I. 2) und worin er diese ausschließlich auf seine – „nicht von ihm verschuldete“ – Schuldenlast u. dgl. zurückführt, und zwischen seiner schon angezogenen Zuschrift an den Nuntius Passionei (Köln 24. Jan. 1724), worin er die ökonomische Frage völlig übergeht und nur von seinen religiösen Antrieben spricht, eine Art von Widerspruch besteht, der auf seinen in Rede stehenden Schritt ein nicht absolut günstiges Licht wirft. Wie dem aber sei, E. verbrannte seine Schiffe hinter sich, ging zunächst zu den Benedictinern nach Corvey und schlug nach kurzem Aufenthalt von da den Weg nach Köln ein, wo er am 2. Febr. 1724 im Collegium der Jesuiten, die ihn mit offenen Armen aufgenommen hatten, zur römischen Kirche übertrat. E. hatte ohne Zweifel darauf gerechnet, daß es ihm bei seinem wissenschaftlichen Namen und der Sympathie, die ihm sein Uebertritt überall in der katholischen Welt erwecken mußte, an Gönnern und an einer neuen Stellung nicht fehlen könne. Diese Vorausssetzung hat sich denn auch rasch genug bestätigt. Von verschiedenen Seiten her, auch von Wien und Rom aus wenn wir recht berichtet sind, wurden ihm Anerbietungen gemacht, er entschied sich aber für Würzburg, wohin ihn der damalige Fürstbischof Joh. Philipp v. Schönborn als Hof- und Universitätsbibliothekar mit dem Titel eines Hofraths und mit einem ansehnlichen Gehalt berief. Hier in Würzburg, wohin ihm seine Familie nachgefolgt war, ist dann auch Eckhart’s Frau zur römischen Kirche übergetreten. Es ließ sich zunächst auch alles gut an. Eckhart’s Ernennung zum bischöflichen Historiographen war mit oder bald nach seiner Berufung erfolgt; auch wurde er schon im Juli 1724 zu Regierungsgeschäften mit beigezogen. Schönborn’s Nachfolger, Fürstbischof Christoph Franz v. Hutten, der C. bereits als Domdechant warme Zuvorkommenheit bewiesen hatte, verbesserte bald auch seine Stellung und erhöhte seinen Rang, indem er ihn schon am 4. Octbr. 1724 zum geheimen Rath ernannte. Seine Hauptkraft verwendete E. von nun an auf die Ausarbeitung des ihm übertragenen Werkes über die Geschichte Ostfrankens, beziehungsweise des Hochstifts Würzburg. Auch einige kleinere Schriften, wie z. B. die Streitschrift gegen Schannat, im Interesse des Hochstifts abgefaßt, sind in diesem Jahre entstanden. Indeß auch in Würzburg stieß E. auf Gegnerschaft, deren Ursprung er auf den eingeborenen „Erbhaß“ gegen alle Fremde und auf den Neid, den seine „ziemlich starke Besoldung und andere Douceurs“ ihm zuzogen, zurückführte. So mußte er sich denn mit der Gnade seiner Fürsten – er erlebte noch die Succession Friedrich Karls v. Schönborn, gewählt 18. Mai 1729 – und den Verkehr mit den „Herren Cavaliers“ vom Hofe den Trost suchen, den ihm etwa seine wissenschaftlichen Beschäftigungen, die er mit unermüdeter, ja mit gesteigerter Hingabe betrieb, zu gewähren nicht vermochte (s. sein Schreiben an den königl. großbritt. Hofrath und Leibmedicus Joh. Hugo zu Hannover, bei Will, l. c. S. 159). Daß Eckhart’s Verstimmung in Würzburg so weit gediehen, daß er, wie Harenberg erzählt, wieder nach Hannover habe zurückkehren wollen, erscheint uns, zum mindesten gesagt, zweifelhaft. Daß das schroffe Vorgehen des Domcapitels und der Censoren, die der Veröffentlichung der „Commentarii de rebus Or. Franciae“ in der Zeit des Interregnums nach dem Tode des Fürstbischofs Chr. Fr. v. Hutten Schwierigkeiten in den Weg zu legen suchten, seinen Unmuth reizte, wissen wir allerdings, aber wir wissen nicht minder gut, daß er gegen diese Ränke mit einer so entschlossenen Energie auftrat, die auf alles eher als auf Kleinmuth und Verzagtheit schließen läßt (nach Archivalien im Kreisarchiv zu Würzburg). Freilich der bekannte Handel mit dem Würzburger Professor Beringer, den E. in Zusammenhang mit seiner lebhaften Vorliebe für Natur und Naturwissenschaft als arg Getäuschten enthüllen half (1727), wird die Anzahl seiner Gegner nicht vermindert [630] haben. Indeß, wie er auch seine Lage betrachtet haben mag, es war ihm ein früheres Ziel gesetzt, als man hätte vermuthen mögen, er erlag bereits am 9. Febr. 1730 einer kurzdauernden Krankheit, erst 66 Jahre alt; seine Gebeine ruhen in der Pfarrkirche von St. Peter. Sein Geschlecht hat sich bis in unser Jahrhundert herein fortgepflanzt.
Was die wissenschaftliche Bedeutung Eckhart’s anlangt, so ist sie in seinen Leistungen zum Theile in der germanischen Philologie, zum Theile in der deutschen Geschichte und dem deutschen Alterthum begründet. Die erstere anlangend, hat Rudolf v. Raumer in neuester Zeit (Geschichte der germanischen Philologie, München S. 171–73) Eckhart’s Stellung in der Entwicklung dieser Wissenschaft eingehend bestimmt. E. hat hierin einerseits im Gebiete der etymologischen Forschung, für die er besondere Begabung mitbrachte, speciell durch seine „Historia studii etymologici linguae Germanicae hactenus impensi“ (Hannover 1711) gearbeitet und in dieser Schrift einen trefflichen litterar-historischen Ueberblick über alles, was bis dahin für die Erforschung der germanischen Sprachen sowol in Deutschland als bei den übrigen germanischen Völkern geleistet worden war, geliefert; andererseits hat er sich durch die Herausgabe altdeutscher Denkmäler erhebliche Verdienste erworben. Aus einer größeren Reihe sei hier nur seine Ausgabe der Catechesis theotisca aus dem 9. Jahrhundert (1713) und des Hildebrandsliedes (im 2. Bde. der Commentarii 1729) erwähnt. Seine lexikalische Kenntniß der altdeutschen Sprache ist es, die diesen Editionen Werth verleiht; vom grammatischen Bau derselben hatte er, wie Raumer ausdrücklich hinzufügt, freilich keine Ahnung.
Noch größer und nachwirkender erscheinen die Verdienste, die sich E. als Geschichtsforscher erworben hat. Er steht neben Mascow und Leibnitz an der Schwelle der neuen deutschen Geschichtsschreibung, deren hervorstechender Charakterzug die strenge Wissenschaftlichkeit, eine festere kritische Methode und das Zurückdrängen nicht zur Sache gehöriger Einflüsse bildet. E. stand unter den günstigen Einwirkungen, die der Anstoß hervorgebracht hat, den die von Frankreich ausgegangene erfolgreiche Pflege der historischen Hülfswissenschaften, in erster Lmie der Diplomatik, auf die deutsche Geschichtsforschung ausgeübt hat; der nahe und lange Verkehr mit Leibnitz ist ihm in dieser Richtung offenbar in nicht geringem Grade zu gute gekommen. E. war ein wirklicher Gelehrter, der immer aus dem Vollen schöpfte und sein Material im weitesten Sinne beherrschte. Seine genealogischen Arbeiten, wie über das Haus Habsburg und die Fürsten Obersachsens etc. beurkunden, wenn auch die Ergebnisse derselben nicht immer Stand gehalten haben, doch eine ungewöhnliche Meisterschaft auf diesem, was die älteren Zeiten anlangt, schlüpfrigen Boden. Auch an dem ursprünglich von Leibnitz unternommenen und erst viel später von Scheidt vollendeten und publicirten umfassenden und inhaltreichen Werke der Origines Guelficae hat er in seiner zweiten hannöverschen Zeit emsig mit Hand angelegt. Als Herausgeber von Geschichtsquellen hat er sich durch sein „Corpus historicum medii aevi“ (2 Bde., Leipzig 1723) für seine Zeit Dank verdient, wenn auch nicht verschwiegen werden darf, daß er dabei den strengeren Grundsätzen, die heutzutage bei Editionen der Art herrschend geworden sind, allzufern geblieben ist. Unter seinen historischen Schriften, um uns bei seinen recht schätzbaren kleineren Abhandlungen nicht aufzuhalten, sind sein Hauptwerk die „Commentarii de Rebus Franciae Orientalis et Espiscopatus Wirceburgensis“ (2 Bde., 1729), das alle die angedeuteten Vorzüge in hohem Grade in sich vereinigt, „ein Werk des emsigsten Fleißes und glänzenden Scharfsinnes, an Reichhaltigkeit des Stoffes Leibnitzens Jahrbüchern vorzuziehen und noch immer brauchbar“, wie der neueste treffliche Bearbeiter der Geschichte des ostfränkischen Reiches sich mit begründeter Anerkennung ausspricht. Das Werk ist übrigens ein, freilich großartiges Bruchstück geblieben; denn es [631] reicht nur bis in die Zeiten König Konrads I. und des Bischofs Dietho von Würzburg, während die Absicht des Verfassers war, es so weit als möglich heraufzuführen. Für jeden Fall war die frühe Unterbrechung für die Wissenschaft ein schwer empfundener Verlust.
- Vgl. J. C. Harenbergii Anecdota ecclesiastica et litteraria de Jo. Ge. Eccardo in den Symbolae Litterariae Haganae etc. Class. secundae Fasc. Primus, Hagae comitum p. 151 sqq. und desselben Historia Gandersheimensis, Hannover 1734. – Chr. Bönicke, Grundriß einer Geschichte von der Universität zu Würzburg (Würzburg 1782), 2. Thl. S. 12–27, nebst den bereits im Texte berührten Hülfsmitteln. Die verschiedenen Schriften Eckhart’s hat Will in seinem in dem Historisch-diplomatischen Magazin für das Vaterland und angrenzende Gegenden, Bd. I. Stück 2 enthaltenden Aufsatze „Zur Lebensgeschichte J. G. v. Eckhart’s am vollständigsten aufgezählt.