Zum Inhalt springen

ADB:Egmont, Lamoral Graf von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Egmont, Lamoral Graf von“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 684–686, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Egmont,_Lamoral_Graf_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:09 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Egmond
Nächster>>>
Egmont, Justus van
Band 5 (1877), S. 684–686 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Lamoral von Egmond in der Wikipedia
Lamoral von Egmond in Wikidata
GND-Nummer 118529153
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|5|684|686|Egmont, Lamoral Graf von|Pieter Lodewijk Muller|ADB:Egmont, Lamoral Graf von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118529153}}    

Egmond: Lamoral, Graf v. E., Fürst von Gaveren, geb. 1522. Sohn des Johann v. E. und der Françoise von Luxemburg, erbte bei dem Tode seines unverheiratheten Bruders Karl die sehr ausgedehnten Güter seiner Eltern, wodurch er zu den reichsten Edelleuten der Niederlande gehörte. Seine Erziehung genoß er am Hofe Karls V., den er fast auf allen seinen Feldzügen begleitete. Schon 1546 vertraute der Kaiser ihm den Befehl der Armee von Flandern an. Den größten Ruhm jedoch gewann er im Kriege mit Frankreich in den Jahren 1557 und 1558. Die vollständige Vernichtung des französischen Heeres bei St. Quentin war seinem kühnen Angriff zu verdanken, welcher im entscheidenden Moment dasselbe über den Haufen warf. Im nächsten Jahre schlug er bei Grevelingen die Armee des Marschalls de Thermes eben so vollständig. Ob er jedoch nicht mehr ein glänzender Reiterführer als ein Feldherr war, steht dahin. Seine Zeitgenossen freilich stellten ihn Alba ebenbürtig gegenüber.

Als Philipp nach Spanien abgereist war, 1559, nahm E. die erste Stelle unter den Großen des Landes ein; er war Statthalter von Flandern und Mitglied des Staatsraths, das goldene Vließ trug er längst und seine Heirath mit Sabina von der Pfalz verschwägerte ihn mit vielen fürstlichen Häusern. Seine hervorragenden soldatischen Eigenschaften, seine Leutseligkeit gegen Jedermann, seine glänzende äußere Erscheinung und liebenswürdiger offener Charakter machten ihn zum Abgott des Volks. Und der von seiner Popularität etwas berauschte Edelmann, der sich berufen glaubte, der Vorkämpfer seines Volks zu sein, war dadurch in die traurige Rolle gedrängt, welcher er seinen Namen vorzüglich verdankt. Wie allen seinen Standesgenossen war ihm die Regierungspolitik von Philipp, namentlich wie sie in Granvella verkörpert war, tödtlich verhaßt. Ein guter Katholik, ein loyaler Unterthan, glaubte er Opposition machen zu müssen, ohne zu ahnen, wohin das bei den Zuständen in den Niederlanden führen mußte. Als die drei Mitglieder des Staatsraths, Oranien, E. und Horn, ihren Kampf auf Tod und Leben mit dem Cardinal anfingen, betheiligte sich keiner so lebhaft wie er. Dem Scharfblick des Cardinals gelang es freilich, ihn zu durchschauen, wie wenig er ohne Oranien bedeutete. Nur in Beleidigungen des Ministers, in heftigen Auslassungen etc. that er es andern zuvor. Tollköpfe wie [685] Brederode, Heißsporne wie Hoogstraten, sahen in dieser Zeit in ihm ihren Führer. Als der Sieg erfochten und Granvella abberufen war, die Regierung von Madrid jedoch keine Beschwerde abstellte, glaubte E., wie die meisten Niederländer in ihrer loyalen Verblendung, der König brauche nur besser informirt zu sein, und ließ sich darum 1565 die bekannte Mission auftragen, als Deputirter der niederländischen Regierung die Beschwerden derselben und der Nation an den Stufen des Thrones niederzulegen. Von König und Hof mit Schmeicheleien und Ehren überhäuft, ließ er sich ganz irre führen und kehrte heim, ohne etwas erreicht oder auch nur eine bestimmte Versicherung erhalten zu haben.

Indessen hatte die Bewegung gewaltige Dimensionen angenommen. Der von den den Mitgliedern des Staatsrathes ausgegangenen Opposition hatten sich die andern Statthalter angeschlossen, diesen waren die übrigen Großen des Landes und der ganze zahlreiche niedere Adel gefolgt. Schon kamen die Bürger der Städte in Bewegung. Zu gleicher Zeit nahm die Dreistigkeit der „Ketzer“ trotz des verschärften Inquisitionsverfahrens immer mehr zu. Dem Lutheranismus war der ungleich streitsüchtigere Calvinismus gefolgt, der namentlich in die wallonischen Provinzen eindrang, auch in Egmond’s Statthalterschaft, in das französisch redende Flandern. Dem Compromiß gegenüber hatte E. sich ziemlich kühl verhalten, man weiß, wie er beschuldigt worden ist, am bekannten Festmahle der Conföderirten, wo er einen Augenblick erschienen, ein „Vive les Gueux“ angestimmt zu haben; doch sein ganzes Betragen zeigte, wie wenig er mit dem Treiben einverstanden war. Doch weigerte er sich, Gewalt gegen die Reformirten zu gebrauchen, so lange dieselben nicht selbst zu den Waffen griffen. So viel wie möglich hielt er sich an seine bewährten Freunde Oranien und Horn, und wie sie trat er mehrfach als Vermittler auf, um die Regierung mit den Conföderirten zu versöhnen. Sein Beispiel war maßgebend für die Herren, welche katholisch und loyal bleiben wollten, ohne sich, wie die Mansfelde und Barlaymont, der Regierung unbedingt zu ergeben; Arenberg, Meghen und andere hielten meist zu ihm. Egmond’s Verhalten in diesen Zeiten war nicht unnatürlich; er war zu gut katholisch und zu loyal, um sich den Conföderirten zu nähern, und zugleich zu wenig mit den Plänen der Regierung einverstanden, zu sehr überzeugt von der Nothwendigkeit von Aenderungen in Religionssachen und in der Regierung, um sich bestimmt gegen sie zu wenden. Doch als der Bildersturm losbrach, stellte er sich ganz auf die Seite der Regierung. Wie vielen war ihm das Treiben der Calvinisten ein Aergerniß, waren ihm die entschieden demokratischen Neigungen derselben zuwider. Aber nach wie vor beharrte er bei seiner Idee, die königliche Regierung werde am Ende durch Reformen die Ruhe wiederherstellen. Während Oranien ihm vorhielt, der König werde ihr Thun nie gutheißen, er werde jetzt einen Entschluß fassen und mit Gewalt die Verletzung seines Glaubens und seiner Autorität strafen, und dabei sämmtliche Rechte, sowol die neuen von der Brüsseler Regierung zugestandenen, wie die alten mit Füßen treten, beharrte er bei seiner Ansicht, es sei unzulässig, sich dem König zu widersetzen, der doch nichts Unrechtes wolle und der ihn persönlich seiner Huld und seiner guten Absichten versichert habe. Das ganze Spätjahr 1566 und das Frühjahr 1567 hindurch verharrte E. auf diesem verhängnißvollen Standpunkt. Während Oranien und die Seinigen, wissend, welches Ungewitter aus Spanien heranzog und wie es unmöglich sei, auch den bewaffneten calvinistischen Aufstand, welcher von denen ausging, die sich nicht mehr hinschlachten lassen wollten, zu verhindern, wie aussichtslos derselbe auch war beim Fehlen aller erprobten Führer und alter Soldaten, sich an die Spitze des Volkes stellen wollten, um die durch den Compromiß geforderten Rechte im Nothfalle mit den Waffen in der Hand zu erlangen oder wenigstens die alten [686] Rechte zu schützen, blieb E. allen Bitten, sich ihnen auch nur bedingt anzuschließen, unzugänglich. Er lähmte dadurch auch Oranien, der damals bei weitem nicht die Popularität Egmond’s besaß und, wie er wiederholt erklärte, ohne E. nichts wagen konnte, denn sein Name allein konnte der Bewegung bei unzähligen Edelleuten, alten Soldaten und Bürgern als Schild dienen; was er that, thaten sie; auch dem König würde der Widerstand des berühmten Generals imponirt haben, wie wenig er auch sonst dessen Persönlichkeit schätzte. So ward Egmond’s Verhalten verhängnißvoll für sein Land und für ihn selbst; doch wie alle beschränkte Naturen bebte er vor den Consequenzen seines Thuns zurück und beharrte mit starrem Eigensinn auf seinem einmal eingenommenen Standpunkt, wie unvernünftig er auch war.

Dagegen half er den Aufstand der sich gegen die erstarkende Regierung zur Wehr stellenden Calvinisten mit Gewalt niederschlagen, suchte wo er konnte zwar vermittelnd aufzutreten, war aber zugleich der, der die Regentin zu kräftigen Maßregeln anfeuerte. Während Oranien den Ausbruch des Religionskrieges in Antwerpen mit unsäglicher Mühe zurückhielt, waren es Egmond’s eigene Fähnlein, die draußen bei Austruweel die Calvinisten unter Tholouse erschlugen. Und von Herzen stimmte er der Regentin bei, als diese in der Kirche von Antwerpen ihren Dank für den errungenen Sieg darbrachte. Er that dies, obgleich ihm Alba’s Anmarsch bekannt war, und ihm nicht allein von Oranien, sondern von allen Seiten vorgestellt wurde, sein eigenes Haupt sei nicht sicher, selbst beim loyalsten Verhalten. So blieb er und Graf Horn mit ihm, während Oranien, Hoogstraten und ihre Parteigenossen nach Deutschland flohen, da ihnen jeder Widerstand unmöglich, jeder Moment des Bleibens gefährlich däuchte.

Als Alba im August in den Niederlanden die Regierung übernommen hatte, stellte E. sich zur Verfügung und ward vom Herzog mit der eigenthümlichen Verstellung, welche Philipps Maßregeln charakterisirten, mit Ehren überhäuft, bis die Gewißheit von der Unmöglichkeit eines Widerstandes erlangt war, dann ward er unter einem erdichteten Vorwand in Alba’s Palast gelockt und da mit Horn verhaftet, 9. Septbr. 1567, und nach Gent geführt. Er ahnte auch dann noch nicht, daß er selber sein Urtheil schon unterzeichnet hatte, als er mit Oranien und Horn den berühmten Klagebrief über Granvella an den König unterschrieben hatte. Mit Verletzung aller Privilegien und nationaler Rechtsformen ward endlich ein Proceß wegen Hochverrath, Majestätsbeleidigung, Rebellion etc. gemacht, und am 5. Juni 1568 ward E. zusammen mit Horn auf dem Stadthausplatz in Brüssel enthauptet, auf demselben Platze, wo jetzt ihr Doppelstandbild steht. Bis zu seinem Ende hat er auf die Gnade seines Königs gehofft. Er starb ein treuer Unterthan und Katholik.

Egmond’s Schicksal war tragisch, doch nicht unverdient. Wer in einer Revolution anfangs das Haupt der Opposition spielt, soll nicht nachher in stummer Unterwerfung die Befehle der Regierung erwarten, namentlich wenn der Fürst ein Philipp II. ist. Doch E. wollte das nicht einsehen, seine Selbstverblendung war von einem starren Eigensinn begleitet, der ihn bis zuletzt an der einst gefaßten Meinung der guten Absichten des Königs festhalten ließ. Verdient er auch nicht so hart beurtheilt zu werden, wie von manchen neueren Historikern, namentlich Motley und Bakhuizen van den Brink geschehen ist: es kann nicht geleugnet werden, daß seine Opposition gegen Granvella nicht ganz uneigennützig und sein späteres Verhalten, wenn auch loyal, doch äußerst töricht war und ein unsägliches Elend über die Niederlande gebracht hat. Ihn traf das Loos jener, die eine Rolle spielen, welcher ihre Kräfte nicht gewachsen sind.