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ADB:Eisenmann, Gottfried

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Artikel „Eisenmann, Gottfried“ von Theodor Husemann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 770–772, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eisenmann,_Gottfried&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 17:00 Uhr UTC)
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Eisenmann: Gottfried E., Arzt und Politiker, geb. 20. Mai 1795 zu Würzburg und † 23. März 1867 daselbst. Der Sohn eines armen Handwerkers zeigte er schon früh bedeutende Anlagen und widmete sich 1810 in seiner Vaterstadt dem Studium der Rechtswissenschaft. Nachdem er aber im Befreiungskriege 1813/15 ehrenvoll mitgekämpft, ging er zum Studium der Medicin über und erlangte nach Ablegung glänzender Examina 1819 den Doctorgrad und 1822 die Befugniß zur ärztlichen Praxis in Würzburg. Die nach den Freiheitskriegen allgemeine Begeisterung für den Wiederaufbau eines einigen[WS 1] und freien deutschen Reiches theilend, wurde E. 1818 Mitstifter der Burschenschaft in Würzburg und 1821 Mitglied des sogenannten Bundes der Jungen, bei dessen Zusammenkünften in Erlangen, Jena etc. er nicht fehlte. Die Theilnahme an dieser niemals fest organisirten Verbindung führte 1823 zu Eisenmann’s Verhaftung und zur Anklage auf Hochverrath und erst im Mai 1825 erlöste ihn der Spruch des Appellationsgerichts des Isarkreises, welches den Thatbestand des Hochverraths für nicht genügend begründet erklärte, aus der Haft im Münchener Untersuchungsgefängniß. Die trotz dieser Freisprechung über ihn verhängte einjährige Verbannung Eisenmann’s aus seiner Heimathgemeinde in eine kleine fränkische Stadt wurde vor Ablauf der Frist wieder aufgehoben. 1828 begründete E. ein neues, im constitutionell-monarchischen und deutschpatriotischen Sinne redigirtes politisches Journal, das baierische Volksblatt, das, obschon Oppositionsblatt, wenigstens anfangs sich der Gunst König Ludwigs erfreute. Der König hatte sogar E. zum Redacteur einer baierischen Staatszeitung, für welche dieser auf sein Verlangen einen Plan ausgearbeitet hatte, ausersehen. Aber Eisenmann’s Unabhängigkeitssinn ließ ihn diese Stellung ablehnen und andere Versprechungen von der Hand weisen, welche ihm für eine regierungsfreundlichere Tendenz seines Blattes geboten wurden. Obschon das Volksblatt auch nach der Julirevolution den gesetzlichen Boden nicht verließ, wurde es doch 1832 unterdrückt und E. eines der schwerstbetroffenen Opfer der damaligen Reaction; man verhaftete ihn, obwol schwer krank, im September 1832, hielt ihn länger als vier Jahre in München in strenger Untersuchungshaft und verurtheilte ihn wegen des Hochverraths, den er durch einen einer andern censirten Zeitschrift entnommenen Artikel begangen haben sollte, zur Abbitte vor dem Bildniß des Monarchen und zu Zuchthaus auf unbestimmte Zeit. Er wurde zur Verbüßung seiner Strafe zuerst auf die Veste Oberhaus bei Passau, später auf die Veste Rosenberg bei Kronach gebracht, anfangs in strenger Haft, seit 1841 milder gehalten, und erst 1847 öffneten sich [771] dem durch die 15jährige Haft siechen und körperlich gebrochenen Manne die Pforten des Gefängnisses durch Begnadigung, um welche zu bitten er selbst nie vermocht werden konnte. Eisenmann’s Schicksal erregte allgemeine Theilnahme in Deutschland, und so kann es nicht Wunder nehmen, daß das Frühjahr 1848 ihm eine gewisse Sühne für die erlittenen Leiden in Gestalt von Ehrenbezeugungen brachte, die übrigens – wie z. B. das Ehrendiplom des ärztlichen Vereins zu München und der medicinischen Gesellschaft beweist – dem wissenschaftlich verdienten Mann auch in der Kerkerhaft nicht gefehlt hatten. Die Stadt Nürnberg, in welcher er seinen Wohnsitz genommen hatte, entsandte ihn zum Frankfurter Vorparlamente, in welchem er bereits in der ersten Sitzung seine constitutionell-monarchischen Gesinnungen, denen er trotz seiner bitteren Erfahrungen treu geblieben, bethätigte und wesentlich zur Förderung der baldigen Berufung eines deutschen Parlaments beitrug. Die Wahl Eisenmann’s in den Fünfziger Ausschuß des Vorparlaments, die Ovationen auf der Frankfurter Reise und bei der Ankunft, die Wiedereinsetzung in die volle Rechtsfähigkeit durch das baierische Amnestiegesetz vom 15. April 1848 und die auf Antrag der Kammern bald darauf erfolgende Entschädigung von 15000 Gulden aus der Centralstaatscasse für die erlittene Haft, die theils einstimmig, theils mit großer Mehrheit geschehende Wahl zum deutschen Parlamente in Frankfurt von Seiten sechs fränkischer Wahlbezirke, endlich die Verleihung des Ehrenbürgerrechtes der Stadt Nürnberg – das waren alles versöhnende Momente, freilich aus einer Zeit, in der es auch an Anfeindungen seitens der politischen Gegner beider Seiten nicht fehlte. In den Mai 1848 fällt auch Eisenmann’s Verheirathung mit seiner Jugendgeliebten, welche ihm in den späteren Jahren eine treue Stütze und Pflegerin geworden ist. Im Frankfurter Parlament, in dem er den Würzburger Wahlkreis vertrat, entwickelte der kleine, bewegliche, blaß und kränklich aussehende Mann einen ungewöhnlichen Grad von Thätigkeit, der von größerer Bedeutung hätte werden können, wenn E. einer Partei sich einzuordnen verstanden hätte und nicht stets seinen eigenen Anschauungen gefolgt wäre, ein Umstand, der die Satire beider Seiten der Versammlung heraufbeschwor, welche das Wirken des selbst von seinen Gegnern als redlich und von bestem Willen beseelt anerkannten Mannes mit dem Fluche der Lächerlichkeit zu umgeben drohte, wozu eine im Fünfziger Ausschusse gebrauchte und später in umgekehrter Richtung wiederholte Phrase des Reactionssehens und manche Aeußerlichkeiten Handhaben boten. Seinen Abstimmungen nach gehörte er zum linken Centrum; doch hielt er sich, nachdem ihm selbst die Bildung eines linken Centrums mißlungen, zum Casino (rechtes Centrum), von dem er sich jedoch bei wichtigen Abstimmungen wiederholt isolirte, um sich, sobald ihm die Ereignisse in Oesterreich-Ungarn das Herannahen der Reaction klargemacht, völlig davon zu trennen und wie früher den Revolutionären, so jetzt den Feinden der Märzerrungenschaften entgegenzutreten, deren Triumphe die von ihm im Verein mit Raveaux und Trütschler ausgehende Gründung der Märzvereine nicht zu hemmen vermochte. Noch in der letzten Sitzung des Parlaments in Frankfurt, in welcher er gegen die Verlegung der Versammlung nach Stuttgart protestirte, sprach er die Ueberzeugung aus, daß die Beseitigung des Erbkaisers Deutschlands Einheit retten könne. Dann legte er sein Mandat nieder, um sich von da ab in Würzburg bis an sein Lebensende seinem Berufe und besonders wissenschaftlichen Studien zu widmen, wie ihm solche schon vor und namentlich im Laufe seiner Festungszeit einen ansehnlichen Ruf als medicinischer Schriftsteller gebracht hatten, was die erwähnten Ehrendiplome, zu denen 1856 noch das des Vereins deutscher Aerzte zu Paris kam, erweisen.

Als medicinischer Schriftsteller ist E. der fruchtbarste und neben C. H. Fuchs [772] der hauptsächlichste Vertreter der systematisirenden Richtung der naturhistorischen Schule. Nur die Arbeiten vor der zweiten Gefangenschaft, unter denen „Der Tripper in allen seinen Formen und Folgen", 1830, am bekanntesten geworden, haben einige praktische Bedeutung gehabt. Die meisten Werke Eisenmann’s entstammen aber der langen Haft und sind, da sie sich ja schon der äußeren Verhältnisse wegen nicht auf eigene Beobachtung stützen konnten, fast ausschließlich theoretisirend und höchstens wegen der darin niedergelegten ausgedehnten Bücherstudien für die historische Pathologie von Werth. E. hat darin eine monographische Bearbeitung verschiedener Familien des von ihm aufgestellten natürlichen Systems der Krankheiten (ausführlich mitgetheilt in Eisenmann’s 1835 erschienener Schrift „Die vegetativen Krankheiten und die entgiftende Heilmethode") gegeben, und zwar zuerst der Kindbettfieber (1834), dann der Krankheitsfamilien Pyra (1834), Typhus (1835), Cholosis (1836), Typosis (1839) und Rheuma (1841). Aus der Festungszeit stammt auch eine Anzahl von kleineren Abhandlungen in medicinischen Zeitschriften, eine Bearbeitung der Heilquellen des Kissinger Saalthales (1837), eine populäre Schrift gegen die Homöopathie (1836), eine Abhandlung über Hirnerweichung (1842) und mehrere Uebersetzungen von bedeutenderen ausländischen medicinischen Werken (z. B. Ricord, Becquerel und Rodier, Durand Fardel). Auch in der Periode nach den Parlamentstagen veröffentlichte E. außer diversen eigenen selbständigen Schriften, meist Monographien – Pathologie und Therapie der Rheumatosen (1861), Bewegungsataxie (1863) – mehrere Uebersetzungen französischer und englischer medicinischer Autoren. Die letzte wissenschaftliche Schrift Eisenmann’s betrifft das Friedrichshaller Bitterwasser. Ein weit größeres Verdienst als durch seine eigenen wissenschaftlichen Werke hat sich E. durch die Redaction des von Canstatt gegründeten Jahresberichtes über die Leistungen und Fortschritte der gesammten Heilkunde aller Länder erworben, welchen er zuerst in Gemeinschaft mit Canstatt, dann allein und von 1851 an in Verbindung mit Virchow und Scherer und unter Mitwirkung der namhaftesten Fachgelehrten herausgab. – Von nicht medicinischen Schriften ist eine kleine Arbeit: „Die Parteyen der teutschen Reichsversammlung“ als Quelle zur Geschichte des Frankfurter Parlaments und Eisenmann’s Stellung zu den Parteien hervorzuheben.

Verzeichnisse der medicinischen Schriften bei Callisen, Med. Schriftst.-Lex. VI. 13. XXVII. 439 ff. — Engelmann, Bibl. chir. 144. Suppl. 58. Nekrolog in St. Würzb. Ztg. 1867, 141–143 und als Anhang zu Jahrgang 1865 des Jahresber. f. d. ges. Medicin; außerdem vergl. die polit. Zeitungen von 1830–49 und die Werke von Laube, Biedermann u. a. über die deutsche Reichsversammlung von 1848/49.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: eigenen