ADB:Erlach, Rudolf von
Ulrich v. E., des siegreichen Feldherrn der Berner in dem Treffen am Dornbühl (5. März 1298), war Bürger zu Bern. Er war aber, wie schon sein Vater als Castellan des Schlosses Erlach, zugleich Lehensmann des Grafen Rudolf von Nidau. Als nun im J. 1339, theilweise auf Anstiftung Ludwigs des Baiern, dessen Anerkennung Bern verweigerte, gegen die Stadt eine mächtige Coalition zu Stande kam, zwischen der benachbarten Stadt Freiburg im Uechtland und fast dem gesammten Adel der Umgegend, stand der Graf von Nidau an der Spitze derselben. Erlach’s Herz dagegen war mit seiner schwer bedrohten Vaterstadt. „Als der krieg nit wendig werden mochte, da stund nun doch sin herz harhein zu der statt Bern, zu sinem wib und sinen kinden, zu sinen fründen und gesellen.“ Er trat vor seinen Lehensherrn mit offener Rede und erhielt von ihm die Erlaubniß, in den Reihen seiner Mitbürger zu kämpfen. „Um einen Mann minder oder mehr; – ir mögend heim varen und da üwer bestes tun!“ E. fühlte sich durch diese Geringschätzung verletzt und kam nach Bern, wo er freudig empfangen und als ein bewährter kriegserfahrener Mann sogleich zum Hauptmann erwählt wurde. Bei dem Städtchen Laupen, das vom Heere der Verbündeten belagert wurde und zu dessen Entsatz die Berner mit einigem Zuzug aus der inneren Schweiz heranrückten, kam es am 21. Juni 1339 zur Schlacht. Erlach’s Tapferkeit und Geistesgegenwart gab die Entscheidung zum Siege und er wurde der Retter der Stadt. Als solcher hochgeehrt, lebte er noch lange Jahre auf seinem Schlosse zu Reichenbach, bis ihn 1360 sein leichtsinniger Schwiegersohn Jost von Rudenz ebendaselbst ermordete. – Diese Tradition, welche noch im J. 1849 in der Aufstellung eines ehernen Reiterstandbildes des Siegers bei Laupen ihren Ausdruck gefunden hat, wurde seither von der historischen Kritik bestritten, und zwar – kurz gefaßt – aus folgenden Gründen: weil 1) die älteste, gleichzeitige Nachricht (Narratio conflictus laupensis) weder ihn, noch einen Andern als Anführer der Berner nennt, sondern vorauszusetzen scheint, daß der Stadtschultheiß selbstverständlich den Befehl geführt habe; weil 2) dies überhaupt in Bern als stehende Sitte galt und nichts in jenem Fall eine Ausnahme begründete; weil 3) die erzählte Lösung des lehensrechtlichen Verhältnisses zum Grafen von Nidau undenkbar und unmöglich sei und die Spuren romanhafter Ausschmückung deutlich verrathe. Die Urkunden, deren die Archive der Familie v. E. und dasjenige des Schlosses zu Reichenbach eine verhältnißmäßig große Anzahl enthalten, [222] ergeben folgendes: Ulrich, Castellan zu Erlach, Ritter, verheirathet mit einer Tochter Werners von Rheinfelden, eines vornehmen Bürgers zu Bern, war 1303 gestorben als Bürger zu Bern und als Besitzer eines Hauses in dieser Stadt. Sein ältester Sohn Rudolf hatte schon 1299 von seinem mütterlichen Großvater aus besonderer Zuneigung, dann 1302 von Ulrich von Bremgarten, zum Dank für geleistete Freundschaftsdienste, Grundbesitz in der Nähe von Bern, zu Reichenbach, geschenkt erhalten. Im J. 1307 erscheint er, domicellus genannt, unter bernischen Bürgern als Zeuge, 1309 heißt er: Castellan zu Erlach, Bürger zu Bern; 1310 bei Schlichtung einer Streitigkeit mit den Verwandten seiner Mutter führte er die Bezeichnung armiger, 1315 dagegen, als sein Bruder Cuno in den Deutschen Orden trat, die Ritterwürde. Im J. 1316 hatte Rudolf, Castellan und Ritter, unterdessen mit Elisabeth, der Tochter Ulrichs „des Rychen“ von Solothurn verheirathet, eine ganze Reihe von schwierigen Erbtheilungen mit seinen Geschwistern zu bereinigen, die bezüglichen Verträge wurden alle von dem Rathe zu Bern abgeschlossen. Sein Besitzthum zu Reichenbach vergrößerte er durch Kauf und Tausch und hatte deshalb mit seinen Nachbarn wiederholt Processe zu führen, so 1324, 1338 und 1339. Die letztere Urkunde trägt das Datum: Mitte Juni, ist somit höchstens acht Tage vor der Schlacht bei Laupen ausgestellt und nennt ihn ebenfalls „Bürger zu Bern“. Im April 1340 war er zufolge einer von der Kritik nicht bestrittenen Angabe der schon erwähnten „Narratio“ Anführer der Berner in einem gegen Freiburg unternommenen glücklichen Streifzuge. Er erscheint noch 1342 und 1346 in persönlichen Geschäften und endlich 1343, 1344 und 1352 als Vormund Rudolfs, des jüngeren Grafen von Nidau. Ob E. der Feldherr der Berner im Siege bei Laupen gewesen sei, kann demgemäß weder als geradezu unmöglich, noch als gewiß bezeichnet, muß vielmehr mit den zuverlässigsten Forschern bernischer Geschichte als eine zur Zeit noch offene Frage hingestellt werden. Von der Beantwortung dieser Frage aber hängt die geschichtliche Bedeutung des Mannes ab. Sein jüngerer Bruder Burkhard war der Stammvater der zahlreichen Familie, aus der eine ganze Reihe bedeutender Männer hervorgegangen ist.
Erlach: Rudolf von E., gest. 1360. Die bernischen Chronisten des 15. Jahrh. erzählen: Rudolf v. E., der Sohn des Ritters- v. Wattenwyl, Geschichte der Stadt und Landschaft Bern, Band II. G. Studer, Die Geschichtsquellen des Laupenkriegs, und Studien über Justinger, im Archiv des bernischen historischen Vereins, IV. Band, 3. u. 4. Heft; VI. Band, 1. Heft. Justinger’s Berner-Chronik, nebst Beilagen, ed. Studer, 1871.