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ADB:Felsing, Jacob

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Artikel „Felsing, Jakob“ von Wilhelm Diehl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 516–518, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Felsing,_Jacob&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 08:25 Uhr UTC)
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Felsing: Jakob F., angesehener Kupferstecher, ist am 22. Juli 1802 als Sohn des Hofkupferstechers Johann Konrad F. zu Darmstadt geboren. Er besuchte zuerst das Gymnasium seiner Vaterstadt, wurde aber schon ein Jahr vor seiner Confirmation von seinem kränkelnden Vater aus dieser Schule genommen, um noch einigen Unterricht im Kupferstechen von diesem, einem zu seiner Zeit geachteten Meister topographischer Werke, zu empfangen, der sich allerdings zunächst auf technische Fertigkeit bezog. Nach dem frühen Tode des Vaters (1819) blieb er vorerst in Darmstadt, um sich unter der Leitung seines väterlichen Freundes, Oberbaurath Moller, für die Bearbeitung von architektonischen Darstellungen in seiner Kunst auszubilden. In dieser Zeit stach [517] er unter anderem für Moller’s „Denkmäler mittelalterlicher Baukunst“ eine Ansicht des Portales der Elisabethenkirche in Marburg. In diese Arbeiten brachte das Jahr 1822 eine für Felsing’s ganzes Leben tiefeinschneidende Aenderung. Durch Vermittlung Moller’s und des Geh. Cabinetssecretärs Schleiermacher erhielt er vom Großherzog Ludwig I. 500 Gulden zu einer Reise nach Mailand, denen in den folgenden Jahren noch drei weitere gleichgroße Gaben zur Unterstützung des strebsamen jungen Mannes folgten. So war es F. ermöglicht, frei von Nahrungssorgen ganz seiner Ausbildung zu leben, bis er als schaffender Künstler seinen Lebensunterhalt sich selbst verdienen konnte. Fast zehn Jahre hat F. in den Kunstcentren Italiens zugebracht. Grundlegend war davon die Zeit des Anfangs, die viereinhalbjährige Arbeit in der Werkstätte des berühmten Mailänders Longhi. 1827 wandte sich F. als gereifter Kupferstecher nach Florenz, wo ihn die Persönlichkeit des berühmten Morghen eineinhalb Jahr lang festhielt. Hier entstand u. a. sein sehr verbreitetes Blatt „Christus am Oelberg“ nach Carlo Dolce, das ihm in der großen Concurrenz der Mailänder Akademie nicht bloß den Namen eines hervorragenden Künstlers, sondern auch die goldene Medaille eintrug. 1829 treffen wir ihn dann vorübergehend in Rom, 1830 in Neapel, 1830–1832 wieder in Florenz. Als ausgereifteste Frucht dieser Jahre wird wol der schon beim ersten Aufenthalt in Florenz begonnene und 1832 vollendete Stich der „Madonna del Trono“ nach Andrea del Sarto angesehen werden müssen. Die Academia delle belle arte zu Florenz urtheilte wenigstens so, wenn sie den Künstler gerade wegen dieses Werkes zu ihrem Professor erster Classe ernannte (1833), und thatsächlich halten bis heute viele Kenner den Stich wegen der meisterhaften weichen Behandlung für Felsing’s bestes Werk, nicht bloß dieser Periode, sondern überhaupt.

Als F. 1832 Italien, seine zweite Heimath, verließ, um nach Darmstadt und zu seiner geliebten Mutter zurückzukehren, da hatte er die Absicht, diesen Aufenthalt in Deutschland nur einen vorübergehenden sein zu lassen; sein Herz und seine Kunst hatten ihn zu sehr an Italien gekettet. Trotzdem wurde nichts daraus. Moller, der ihn nach Italien geschickt, wollte ihn jetzt nicht zum zweiten Mal, und womöglich auf immer, dem Lande der Künstler überlassen. Durch seine Vermittlung erhielt deshalb F. eine Stelle am Großherzoglichen Hofe zu Darmstadt. Er wurde Hofkupferstecher mit einem Gehalt von 600 Gulden und hatte dabei noch den Auftrag, zwei Kinder des Großherzogs, Prinz Alexander und Prinzessin Marie (die nachmalige Kaiserin von Rußland), im Zeichnen zu unterrichten. In dieser Stellung als Hofkupferstecher blieb F. bis zu seinem Tode, die Verleihung des Titels Professor im Jahre 1854 hat hier ebensowenig eine Aenderung gebracht wie die zahlreichen Orden und Auszeichnungen, welche ihm von fürstlicher und künstlerischer Seite aus zu Theil wurden. Verläuft mithin sein Leben von 1832 an, weil an eine ganz bestimmte Stellung und an denselben Wirkungsort gebannt, in gewissem Sinne abwechslungslos, so ist es doch keineswegs an Wandel, Abwechslung und Entwicklung arm zu nennen. Gerade umgekehrt. F. kam erst von jetzt an recht in der Welt herum und in seiner praktischen Künstlerarbeit beginnt erst jetzt die Periode der Ausgestaltung. Reisen nach Paris (1834, 1854), London (1847, 1851), Berlin (1851), München (fünfmal), Belgien (dreimal) und Holland erweitern seinen Gesichtskreis, die Bekanntschaft mit der Düsseldorfer Schule wirkt klärend und fördernd auf seine künstlerische Auffassung und bietet seiner Technik neue eigenartige Stoffe. Dazu kommt sein reger Verkehr mit den Führern von Kunst und Wissenschaft im engen Kreise der Vaterstadt. F. fühlt es selbst, daß er mit dieser Erweiterung der äußeren Verhältnisse [518] seines Lebens wächst. Es wächst sein Ansehen; 1834 wird er correspondirendes Mitglied der Mailänder Akademie und der Société libre des beaux arts zu Paris und ähnliche Ehrungen bringen die folgenden Jahre. Es wächst in ihm aber auch das Gefühl der Pflicht, zur Vertiefung des künstlerischen Verständnisses der Mitwelt etwas beizutragen; er bringt die erste Darmstädter Kunstausstellung zu Wege, leistet dann vierzig Jahre lang als Vorstand der aus der Verbindung des Darmstädter Kunstvereins mit anderen ähn1ichen Vereinen entstandenen rheinischen Kunstvereins Hervorragendes auf diesem Gebiete und bringt 1861 die „Darmstädter Kunstgenossenschaft“ zustande. Bei solchem äußerlichen Wachsthum mußte auch die künstlerische Arbeit Felsing’s sich auf eine höhere Warte erheben. Daß das geschah, beweisen die Erzeugnisse seiner Kunst aus dieser Zeit. F. selbst hat z. B. seinen 1854 entstandenen Stich „Loreley“ (nach Sohn) und die 1861 vollendete „Gefangennahme Christi“ (nach H. Hofmann), welch letztere ihm 1862 die österreichische goldene Künstlermedaille eintrug, sogar den besten Werken seiner italienischen Zeit vorgezogen und selbst wer weniger bekannte Werke des Meisters aus dieser Zeit betrachtet, wird zugeben, daß der Künstler in der Technik nicht zurückgegangen, sondern gewachsen ist. Freilich einen Rückgang mußte F. doch erleben, den Rückgang der Schätzung des Kupferstiches beim Publicum. Er selbst datirt ihn schon vom Jahre 1848 an und bringt ihn für die Folgezeit in Zusammenhang mit dem Aufkommen der Photographie, der er im übrigen auch als Concurrentin die wärmste Sympathie entgegenbrachte. Allerdings ist die geniale Arbeit seines Bruders Heinrich auf dem Gebiet des Kupferdruckes ein noch viel gefährlicherer Gegner der Kupferstecherkunst geworden als jene. Trotzdem ging seine Arbeit noch 1864 so flott, daß er über eine jährliche Einnahme von 4000 Gulden verfügte. 1870 stellte er sein Geschäft als Kupferstecher ein und lebte von da an seiner Vaterstadt und der Kunst als Wissenschaft. Mehrere kunstwissenschaftliche Arbeiten sind dafür Zeuge. Am 9. Juli[1] 1883 ist er gestorben. Mit Recht sagt der Nekrolog in der Darmstädter Zeitung von ihm: „Die von F. treu und sorgsam geübte, schwierige und mühevolle Kunst des Kupferstiches ist so recht eigentlich bestimmt, durch ihre Werke den Kunstfreund zu erfreuen“. F. hat, aus kleinen Verhältnissen herausgewachsen, Großes geleistet, wenn ihm auch nicht der Ruhm zu theil wurde, der seinen Bruder ehrte, bahnbrechend für künftige Geschlechter auf einem wenig betretenen Gebiet gewirkt zu haben.

„Jakob Felsing der Kupferstecher. Eigene Aufzeichnungen zu seiner Lebensgeschichte“, zuerst veröffentlicht in dem Werke „Hundert Jahr im Dienst der Kunst, Erinnerungsgabe der Firma O. Felsing etc.“ Berlin 1897.

Darmstädter Zeitung, 26. Juni 1883.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. Felsing, Jak. XLVIII 518 Z. 25 v. u. l.: 9. Juni (statt 9. Juli). [Bd. 56, S. 396]