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ADB:Fischer, Adolf

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Artikel „Fischer, Adolf“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 563–566, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fischer,_Adolf&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 14:20 Uhr UTC)
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Fischer: Gustav Adolf F., Dr. med., namhafter Reisender, Colonialpolitiker und einer der besten Kenner des äquatorialen Ostafrika, wurde am 3. März 1848 als Sohn eines Bankinhabers zu Barmen geboren. Den ersten Unterricht empfing er im elterlichen Hause. Später besuchte er das Gymnasium seiner Vaterstadt. Seit Ostern 1869 studirte er zunächst in Bonn, dann in Würzburg und Berlin Medicin und Naturwissenschaften. Im December 1872 promovirte er in Würzburg, bestand dann ebendaselbst die medicinische Staatsprüfung und genügte hierauf beim 1. Dragonerregiment in Berlin seiner Militärpflicht. Nach Ablauf des Freiwilligenjahres trat er als Assistenzarzt beim ostfriesischen Infanterieregiment in Emden ein, ging jedoch bald zur Reserve über, um sich in Berlin zum Afrikaforscher ausbilden zu können. Als nämlich Clemens Denhardt im Sommer 1876 die Ausrüstung einer deutschen Expedition betrieb, welche die commerziellen Verhältnisse des äquatorialen Ostafrika untersuchen und namentlich Handelsverbindungen mit den bisher wenig zugänglichen Galla- und Somalistämmen anknüpfen sollte, beschloß F., sich diesem aussichtsreichen Unternehmen anzuschließen. Wohl vorbereitet reiste er gegen Ende des Jahres 1876 von Hamburg nach Sansibar ab. Da Denhardt erst im Mai 1878 hier eintraf, benutzte F. die Zwischenzeit zu einer vorbereitenden Excursion nach den nördlich von Sansibar gelegenen Küstengebieten. Er untersuchte namentlich die Küstenstrecke von Mombassa bis zur Lamubai, insbesondere das Mündungsgebiet des Tana und Osi, und bemühte sich, die bequemsten Zugangsstraßen nach dem unbekannten [564] Innern zu ermitteln. Als Reiseziel hatte er sich die Landschaft Wito gesetzt, über die Richard Brenner außerordentlich günstige Berichte veröffentlicht hatte. Leider wurde er durch eine ungewöhnlich lange Regenperiode eineinhalb Monate in Kipini an der Osimündung zurückgehalten, sodaß er Wito erst spät erreichte. Er fand hier die Verhältnisse wesentlich anders als sie Brenner geschildert hatte. Vor allem überzeugte er sich, daß Wito wegen seiner mangelhaften Verbindung mit der Küste als Ausgangspunkt für eine Forschungs- oder Handelsexpedition nicht geeignet sei, sondern daß der Tana die natürliche Einfallspforte nach dem Innern bilde. Nachdem er vier Wochen in Wito zugebracht hatte, kehrte er über Kipini zur See nach Sansibar zurück, wo er nach einer Abwesenheit von sieben Monaten wieder eintraf. Er begann nun sofort mit den Vorbereitungen für die geplante zweite Reise. Am 23. Mai 1878 brach er gemeinsam mit den Brüdern Denhardt von Sansibar auf. Sie fuhren zunächst nach Malindi nahe der Sabakimündung, warteten hier das Ende der Regenzeit ab und zogen dann an der Küste hin bis Kipini. Von hier aus fuhren sie auf Booten der Eingeborenen den Osi aufwärts bis Kau, bogen hier aber nicht nach Wito ab, sondern ruderten zunächst den Osi und dann den Tana weiter aufwärts bis Massa. Hier verweilten sie drei Monate und beobachteten das merkwürdige Volk der Wapokomo. Da aber ihre Mittel zu Ende gingen, sahen sie sich wider Willen zur Umkehr genöthigt. Im December 1878 trafen sie wieder in Sansibar ein. Infolge der Anstrengungen dieser Reise verfiel F. in ein heftiges Fieber, doch überwand er es glücklich mit Hilfe seiner ärztlichen Kunst. Da diese auch von anderen Kranken in Anspruch genommen wurde, so beschloß er, sich in Sansibar als Arzt niederzulassen. Als solcher hat er dreieinhalb Jahre lang in uneigennütziger Weise mit bestem Erfolg gewirkt. Er durfte sich rühmen, während dieser Zeit mehr als 2000 Fieberkranke geheilt zu haben. Die Mittel, welche ihm seine ausgedehnte Praxis verschaffte, setzten ihn in den Stand, eine dritte Reise und zwar diesmal nach dem damals noch fast ganz unbekannten Massailande vorzubereiten. 15000 Mark, die ihm noch fehlten, steuerte die Geographische Gesellschaft in Hamburg bei. Wohl ausgerüstet reiste er im October 1882 von Sansibar ab. In Pangani stellte er seine Karawane zusammen. Am 30. December brach er auf und zog in vorwiegend nordwestlicher Richtung am linken Ufer des Panganiflusses hin bis zum Südfuße des Kilimandscharo. Diesen Schneeberg umging er im Westen und erreichte unbehelligt von den als räuberisch und blutgierig verschrieenen Massai den wichtigen Straßenkreuzungspunkt Nguruman. Von hier aus schlug er eine vorwiegend nördliche Richtung ein und gelangte am 11. Mai 1883 an den abflußlosen Naiwaschasee. Hier sah er sich nach mehrwöchentlichem Aufenthalte zur Umkehr genöthigt. Er selbst litt am Fieber, seine Träger waren erschöpft, die Beschaffung von Lebensmitteln wurde immer schwieriger, und 3000 Massaikrieger traten ihm feindselig entgegen. Er umwanderte den See und begab sich auf einem etwas östlich verlaufenden Wege nach Nguruman zurück. Von hier aus wendete er sich nach dem südlich gelegenen langgestreckten Natronsee, zog an dessen Westufer entlang, entdeckte zahlreiche heiße Quellen, umging den Vulkan Doenjo Ngai und marschirte dann in südlicher Richtung nach dem gewaltigen Meruberge. Am 22. Juli erreichte er in der Landschaft Klein-Aruscha am Südfuße des Kilimandscharo wieder seine frühere Route und zog nun, vorwiegend dem Panganiflusse folgend, rasch nach der Küste, wo er am 14. August nach fast achtmonatlicher Abwesenheit wieder eintraf. Nach kurzem Aufenthalte in Sansibar kehrte er im November nach Deutschland zurück und wurde von der Geographischen Gesellschaft in Hamburg festlich empfangen. Er hielt sich nun theils in Berlin, [565] theils in Hamburg auf. Er arbeitete einen Bericht über seine letzte Reise aus und ordnete in Gemeinschaft mit anderen Gelehrten seine reichen Sammlungen, die er dem naturhistorischen Museum und dem Museum für Völkerkunde in Hamburg überwies. Auch nahm er regen Antheil an den colonialen Bestrebungen, die damals in ganz Deutschland begeisterten Anklang, aber auch heftigen Widerspruch fanden. Er selbst wünschte die Erwerbung deutscher Colonien in Afrika, doch verschwieg er auch nicht seine auf lange Erfahrung begründete Ueberzeugung, daß dieselben niemals im Stande sein würden, den Bevölkerungsüberschuß des Mutterlandes aufzunehmen. In diesem Sinne hielt er auf dem fünften deutschen Geographentage in Hamburg einen zündenden Vortrag über oder vielmehr gegen die Verwendung des Europäers im tropischen Afrika. Auch veröffentlichte er ein Aufsehen erregendes Buch „Mehr Licht im dunkeln Welttheil, Betrachtungen über die Colonisation des tropischen Afrika unter besonderer Berücksichtigung des Sansibargebiets“ (Hamburg 1885), das auf viele Colonialschwärmer wie ein kalter Wasserstrahl wirkte. Es gipfelte in den Sätzen: Das tropische Afrika ist und bleibt vorerst mehr oder weniger eine Todtenkammer für den Europäer. Die gesunden Gebiete sind die unfruchtbaren, und die fruchtbaren sind die ungesunden. In der Plantagenwirthschaft beruht die Zukunft und in der unerschöpflichen Arbeitskraft des Negers der Schatz Centralafrikas. – Im Frühjahr 1885 trat ihm eine neue ehrenvolle aber gefährliche Aufgabe entgegen: die Aufsuchung des seit Jahren verschollenen, durch den Aufstand des Mahdi von der Außenwelt abgeschnittenen Forschungsreisenden Wilhelm Junker, der sich mit Emin Bey, Casati und Lupton Bey muthmaßlich im Quellgebiet des Weißen Nils aufhielt. Die Hoffnung, diese kühnen Pioniere der Cultur durch eine Expedition von Norden her zu befreien, war seit dem Falle Chartums und dem Tode Gordon’s aufgegeben worden. Man trat daher dem Gedanken nahe, von der afrikanischen Ostküste her einen Vorstoß nach der ägyptischen Aequatorialprovinz zu versuchen. Der in Petersburg lebende Bruder Junker’s wandte sich an Adolf Bastian, und dieser schlug vor, F., den er als einen der besten und besonnensten Kenner Ostafrikas schätzte, möge mit einer wehrhaften Karawane von Pangani aus nach Uganda vordringen und dann versuchen, Lado, den vermuthlichen Aufenthaltsort der Verschollenen zu erreichen. F. folgte bereitwillig diesem Rufe. Im Frühjahr 1885 begab er sich nach Sansibar, um eine Karawane zusammenzustellen. Leider stieß er gleich anfangs auf unerwartete Schwierigkeiten. Der Sultan Said Bargasch war durch die Bestrebungen der deutschen ostafrikanischen Gesellschaft, Colonialbesitz zu erwerben, argwöhnisch geworden und hegte Befürchtungen für den Fortbestand seiner Machtstellung. Er legte deshalb der Anwerbung von Trägern allerlei Hindernisse in den Weg, so daß es F. nur unter großen Mühen und Unkosten gelang, in Pangani eine Karawane von 221 Köpfen zusammenzubringen. Am 2. August brach er auf. Um wenigstens der Wissenschaft zu nützen, wenn er sein eigentliches Ziel nicht erreichen sollte, schlug er einen bisher unbetretenen Weg durch die Landschaften Ungu, Kibaia, Irangi und Ussandavi ein und kam am 16. November wohlbehalten in Kagehi am Südufer des Victoriasees an. Von hier aus sandte er zuverlässige Boten mit einem Briefe an den Herrscher von Uganda, um die Erlaubniß zum Durchzuge durch dieses Land zu erhalten. Leider wußte er noch nicht, daß sich die Verhältnisse hier seit einiger Zeit sehr wesentlich geändert hatten. Der alte König Mtesa, den Emin Bey früher mehrfach besucht, und mit dem er freundschaftliche Beziehungen unterhalten hatte, war gestorben, und sein Nachfolger Muanga, der durch arabische Händler aufgehetzt wurde, haßte die Europäer und wollte ihnen keinerlei Einfluß in seinem [566] Reiche gestatten. F. mußte in Kagehi 52 Tage lang auf eine Antwort warten. Infolge der ungesunden Lage dieses Ortes erkrankte er zugleich mit dem größten Theile seiner Leute. Im Januar 1886 kehrten endlich seine Boten mit einem ablehnenden Bescheide des Königs zurück. Gleichzeitig übergaben sie ihm einen Brief des in Uganda wohnenden englischen Missionars Mackay, der ihn dringend warnte weiter vorzurücken und ihm dasselbe Schicksal in Aussicht stellte, das den kurz vorher ermordeten Bischof Hannington ereilt. hatte. Doch brachten die Boten auch eine gute Nachricht. Sie hatten nämlich erfahren, daß Emin und Junker noch lebten und sich wohlbehalten vermuthlich im Lande Unyoro nordwestlich von Uganda aufhielten. F. beschloß deßhalb, seinen ursprünglichen Plan, über den Victoriasee zu fahren und dann Uganda zu durchqueren, aufzugeben. Vielmehr wollte er nun den See im Osten umgehen und dann über den oberen Nil nach Unyoro oder Wadelai vordringen. Doch war dieser Versuch nicht vom Glücke begünstigt. Die Landschaften, die F. durchzog, waren durch Dürre und Viehseuchen verödet, und er mußte mit seinen Begleitern in der kläglichsten Weise das Leben fristen. Auch konnte er seine als Tauschwaaren mitgebrachten Baumwollenzeuge nicht verwenden, da die dort wohnenden Massaistämme unbekleidet gingen. Am Baringosee zwang ihn die Noth am 13. April zur Umkehr. Er zog zunächst zum Naiwaschasee, den er von seiner dritten Reise her kannte, und dann in Gewaltmärschen durch die Landschaften Kikuyu, Ukamba und Teita nach der Küste, die er am 14. Juni nach fast elfmonatlicher Abwesenheit bei Wanga wieder erreichte. Nachdem er sich von einem schweren Fieberanfall scheinbar erholt hatte, kehrte er im September nach Deutschland zurück. Zunächst hielt er sich einige Zeit im elterlichen Hause in Oberbilk bei Düsseldorf auf, um einen vorläufigen Reisebericht und eine dazu gehörige Karte zu entwerfen. Anfang November begab er sich nach Hamburg, um in der dortigen Geographischen Gesellschaft einen Vortrag zu halten, und dann nach Berlin, wo er seine inzwischen eingetroffenen Sammlungen zu ordnen gedachte. Hier erlag er am 11. November 1886 im Alters von 38 Jahren plötzlich und unerwartet einem Rückfalle des Tropenfiebers, das er für völlig überwunden gehalten hatte. Dem wenige Monate später glücklich heimkehrenden Wilhelm Junker war es nicht mehr vergönnt, ihm die Hand zu drücken. Sein Grab ist auf dem lutherischen Friedhofe in Barmen. Die Geographische Gesellschaft in Hamburg, der er besonders nahe gestanden hatte, ehrte sein Andenken dadurch, daß sie ihm nachträglich ihre große goldene Kirchenpauer-Medaille zuerkannte und dieselbe dem Vater des Verstorbenen zur Aufbewahrung in der Familie übergab. – Als Schriftsteller war F. nicht sehr fruchtbar, da ihn sein früher Tod an der Ausführung größerer litterarischer Pläne verhinderte. Außer seinem Werke „Mehr Licht im dunklen Welttheil“ hat er kurze Reiseberichte in den Mittheilungen der geographischen Gesellschaft in Hamburg (1876–77, S. 347–362; 1878–79, S. 1–57; 1882–83, S. 36–99, 189–237, 238–279), sowie mehrere Aufsätze in Petermann’s Mittheilungen, im Jahrbuch der Hamburgischen wissenschaftlichen Anstalten, in der Zeitschrift für Ethnologie und in der Zeitschrift für die gesammte Ornithologie veröffentlicht.

Nachrufe in den meisten geogr. Zeitschriften, z. B. Mittheilungen der geogr. Gesellschaft in Hamburg 1885/6, S. 215–221 (mit Bildniß); Ausland 1886, Nr. 49; Globus 1887, LI, 31; Deutsche Rundschau f. Geogr. und Statistik 9, 187–189.