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ADB:Frecht, Martin

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Artikel „Frecht, Martin“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 325–327, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frecht,_Martin&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 13:24 Uhr UTC)
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Frecht: Martin F., evangelischer Prediger und Professor im Zeitalter der Reformation, geb. in Ulm 1494, † in Tübingen 14. Sept. 1556. Aus einer angesehenen Familie der Reichsstadt Ulm abstammend (ein Bruder von ihm war 1548 Zunftmeister und Rathsherr seiner Vaterstadt), studirte er mit vielen seiner schwäbischen Stammesgenossen in Heidelberg Philosophie und Theologie, war unter den Zuhörern der Disputation, die Luther am 26. April 1518 in Heidelberg hielt, wurde bald darauf Lehrer der Philosophie und Lic. theol. in Heidelberg, zuletzt 1529 Professor der Theologie, und ein eifriger Anhänger der Reformation im Sinne der zwischen Luther und Zwingli vermittelnden Richtung seines Freundes M. Bucer. Aber auch mit Melanchthon, Schnepf, Brenz, wie andererseits mit Oekolampad, Blaurer, Capito, war er befreundet; dieser nennt ihn eine Zierde von Heidelberg, Oekolampad rühmt ihn als einen frommen, gelehrten, beredten, der Sprachen nicht unkundigen Mann. Als Decan der Artistenfacultät betheiligte er sich 1524 bei der Ueberreichung eines Ehrengeschenkes an den damals in Bretten weilenden Melanchthon (Corp. Ref. I., 656). In dem um dieselbe Zeit ausgebrochenen Abendmahlsstreit nahm er eine vermittelnde Stellung ein und sprach (10. Nov. 1524) seinen lebhaften Wunsch dahin aus, diese Differenz unter den Freunden der Reformation möchte ebenso friedlich ausgeglichen werden wie dereinst ähnliche Verschiedenheiten zwischen den beiden Aposteln Petrus und Paulus. 1528 wurde er auf den Rath Conrad Sams vom Ulmer Rath zum Prediger in seiner Vaterstadt berufen, um durch lateinische und deutsche Predigten zur Befestigung der evangelischen Lehre beizutragen. Er folgte aber diesem Rufe erst 1531, als nach langen Kämpfen und Verhandlungen die Neugestaltung des Kirchen- und Schulwesens in Ulm zur Durchführung gelangte; jetzt war es F., der als der geeignetste Mann erschien, um eine neue Schulordnung auszuarbeiten und einzuführen, und um selbst die „Lection der Schrift für Geistliche, Mönche und Schüler“ zu übernehmen. Gerade seine irenische, zwischen Zwinglianismus und Lutherthum vorsichtig die Mitte haltende theologische Richtung schien ihn für einen so schwierigen Posten zu empfehlen. Nach dem Tode Conrad Sams (20. Juni 1533), des eigentlichen Reformators von Ulm und ersten Münsterpredigers, rückte F., jetzt 39 Jahre alt, in dessen [326] Stelle ein, obwol er ihm weder an Beredtsamkeit noch an Popularität gleichkam. Mehr für das Katheder als für die Kanzel geeignet, ohne das für die größeste evangelische Kirche Deutschlands erforderliche Organ und ohne die volksthümliche Art seines Vorgängers, dabei ängstlich und empfindlich, trug er schwer an seinem Amt und klagte vielfach über dessen zunehmende Beschwerden. Insbesondere beschäftigten ihn die fortdauernden Abendmahlsdifferenzen zwischen den Sachsen und Oberdeutschen und die künstlichen Versuche zu deren Beilegung (in der sogen. Wittenberger Concordie des Jahres 1536, die F. mit unterzeichnete, C. r. III, 75), wobei F. mehr und mehr den lutherischen Formeln sich annäherte und dadurch mit seinen eignen früheren Ansichten theilweise in Widerspruch kam. Noch schwerere Sorgen bereiteten ihm die seit 1533 in Ulm um sich greifenden sectirerischen Umtriebe der Wiedertäufer, Seb. Franks und K. Schwenkfelds, welcher letztere besonders im Volk wie unter den Patriciern viele Anhänger fand. In diesen endlosen Kämpfen verzehrte sich seine Thätigkeit, während der Kirchen- und Abendmahlsbesuch in auffallender Weise abnahm, und nicht immer fand F. für seine wohlgemeinten Bemühungen die verdiente Anerkennung und Unterstützung, so besonders 1533 ff. bei den Verhandlungen mit Schwenkfeld (s. Keim a. a. O.). Gegen ihn rief F. 1540 die zu Schmalkalden versammelten evangelischen Theologen zu Hülfe, s. Corp. Ref. III, 983, II, 955. Das schwerste Loos aber traf ihn 1548 nach dem unglücklichen Ausgang des schmalkaldischen Krieges und aus Anlaß des Interims. Als F. auf des Rathes Aufforderung in einem ausführlichen Gutachten gegen das Interim sich aussprach, wurde er zuerst von Granvella nach Augsburg citirt, leistete aber dieser Berufung keine Folge. Als darauf der Rath gegenüber dem entschiedenen Verlangen des Kaisers zur Annahme und Verkündigung des Interims sich bequemte, verlangte F. seine Entlassung. Als aber 14. Aug. 1548 Kaiser Karl V. selbst in Ulm erschien, und die fünf evangelischen Geistlichen, F. an der Spitze, trotz der wiederholten Aufforderungen des Rathes wie des kaiserlichen Kanzlers Granvella standhaft die Annahme des Interims gewissenshalber verweigerten, wurden sie verhaftet, in Ketten gelegt und, paarweise zusammengeschlossen, unter Bedeckung spanischer Soldaten nach Kirchheim u. T. transportirt, wo sie ein volles halbes Jahr bis in den März 1549 im Schloß gefangen lagen; mit ihnen auch ein Bruder Frecht’s, Georg, Rathsherr und Zunftmeister, weil er bei der Verhaftung seines Bruders angeblich aufrührerische Worte ausgestoßen haben sollte. Trotz wiederholter Begnadigungsgesuche blieb der Kaiser unerbittlich. Erst zu Ostern 1549 erfolgte die Freilassung auf Befehl des Prinzen Philipp von Spanien, nachdem die Gefangenen Urfehde geschworen und versprochen, die Stadt Ulm auf ewige Zeiten zu meiden. Nachdem F. in den folgenden Jahren 1549–51 bei Verwandten in Nürnberg und Blaubeuren ein kümmerliches Unterkommen gefunden, wurde er 1551 von Herzog Christoph von Württemberg nach Tübingen berufen als major domus oder Superattendent des herzoglichen Stipendiums, s. 1552 auch als ordentlicher Professor der Theologie. Hier erlebte er noch einen freundlichen und gesegneten Lebensabend, der nur durch erneute Vorwürfe wegen seiner Abendmahlslehre noch einmal gestört wurde. Auch die Ulmer dachten daran, ihn wieder als Superattendenten für ihre Kirche zu gewinnen; allein Angst vor des Kaisers Ungnade hinderte es; wol sah F. seine Vaterstadt noch einmal kurz vor seinem Tode, aber die Kanzel blieb ihm versagt. Wenige Monate darauf starb er 62jährig in Tübingen und wurde in der St. Georgenkirche beerdigt. Schriften hat F., wie es scheint, keine hinterlassen, außer einer historischen Arbeit aus seiner Heidelberger Zeit: „Witichindi Saxonis rerum gestarum libri III“, gedruckt zu Basel 1532 fol.; dagegen existiren von ihm handschriftlich zahlreiche Briefe und theologische Aufsätze, von denen nur einige bei Schelhorn, Fecht und anderswo gedruckt sind; eine ganze Masse von [327] ungedruckten besaß der Ulmer Gymnasialprofessor Veesenmayer; der Verbleib derselben ist unbekannt. –

Ausführlich ist sein Leben und reformatorisches Wirken behandelt von Keim in seiner Geschichte der Reformation der Stadt Ulm, Stuttgart 1851; seiner schwäbischen Reformationsgeschichte, 1855; seinem Artikel über Sam in Herzogs theol. R.-E. XX, S. 681; außerdem ist zu vergleichen die sonst bekannte Litt. zur allg. und schwäbischen Reformations- und Kirchengeschichte.