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ADB:Frick, Otto

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Artikel „Frick, Otto“ von Ferdinand Sander in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 767–772, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Frick,_Otto&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 18:10 Uhr UTC)
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Frick: Otto F., Doctor der Philosophie und der Theologie, Director der Francke’schen Stiftungen zu Halle a. S., Philolog und einflußreicher Pädagog, † am 19. Januar 1892. Otto Paul Martin F. wurde am 21. März 1832 in Schmitzdorf, Kreis Jerichow II, Regierungsbezirk Magdeburg, als Sohn eines evangelischen Pfarrhauses geboren. Aus dem Elternhause bewahrte er als heiliges Erbe lebenslang tiefe, aufrichtig warme Frömmigkeit und reges kirchliches Interesse im Sinne der positiven Union, die sich in seinem ganzen Wesen ausprägten und ihn zum entschiedenen, wenngleich in der Polemik maßvollen, Gegner der modernen kritischen Theologie machten. Die ersten Fundamente höherer Bildung legte in ihm der Vater selbst, der in Havelberg, wohin er 1839 versetzt ward, eine kleine Privatschule leitete und, 1844 nach Bötzow, Kreis Osthavelland, übersiedelnd, den Sohn dort noch anderthalb Jahre im häuslichen Unterrichte behielt. Herbst 1845 trat dieser als Alumnus in die Tertia des Joachimsthal’schen Gymnasiums zu Berlin ein, das er in regelmäßigem Fortschritte bis dahin 1851 absolvirte. Die berühmte Anstalt leitete damals als angesehener Director August Meineke. Mehr noch als dieser selbst gewannen dessen tüchtige Mitarbeiter Julius Mützell und besonders Ludwig Wiese, der spätere Geheime Rath und Spiritus rector des preußischen höheren Schulwesens, Einfluß auf den begabten, ernst strebenden Jüngling. Das innige Verhältniß zu Wiese blieb bis zu Frick’s Tode ungetrübt bestehen. Wie sehr ihm diese Männer als Vorbilder galten, zeigte sich, als er, 1851 zur Universität abgehend, nicht, wie früher stets angenommen war, Theologie, sondern alte Philologie und Geschichte als Berufsstudium wählte. Nur ein Semester lag er diesem in Berlin ob. Ostern 1852 vertauschte er Berlin mit Halle, wo er bis zum Schlusse der akademischen Zeit blieb. Hier knüpfte sich schon damals das erste Band mit den Francke’schen Stiftungen nicht nur durch Frick’s verwandtschaftlichen Verkehr in der Familie des 1841 verstorbenen Rectors der Latina, Maximilian Schmidt, dessen Tochter die Braut seiner Jugend und seine erste Gattin werden sollte, und durch sein freundliches Verhältniß zu Schmidt’s Nachfolger F. A. Eckstein, sondern auch dadurch, daß der Student und Candidat im Pädagogium die ersten Proben als Lehrer ablegen [768] durfte. Neben seinen engeren Fachstudien hörte er übrigens auch Collegia aus den Gebieten der Philosophie, germanischen Philosophie und Theologie. Das Universitätsstudium schloß mit der am 15. August 1855 rühmlich bestandenen Prüfung für das höhere Lehramt und dem bald darauf erworbenen philosophischen Doctorate, dem 1890 die theologische Facultät zu Halle ehrenhalber den ihrigen hinzufügte. Inzwischen hatte sich ihm günstige Gelegenheit geboten, den Spuren altclassischer Cultur auf deren eigenem Boden nachzugehen. Herbst 1855 bis dahin 1857 weilte er zu Constantinopel als Hofmeister der Söhne im Hause des preußischen Gesandten v. Wildenbruch und seiner bedeutenden Gemahlin, die neuerlich durch ihre vom General v. Boguslawski herausgegebenen Briefe weiteren Kreisen bekannt wurde. Eine bleibende Frucht dieses Aufenthaltes war die herzliche Freundschaft mit seinem Schüler, dem späteren Dichter Ernst v. Wildenbruch, den F. damals als zehnjährigen begabten Knaben vorfand. Der ehemalige Lehrer stand der poetischen und litterarischen Thätigkeit des jüngeren Freundes später nicht ohne kritischen Vorbehalt gegenüber; aber das persönliche Verhältniß blieb davon immer unberührt. Vom alten Byzanz aus unternahm F. verschiedene lehrreiche Ausflüge nach Kleinasien und besuchte auf der Heimreise die culturhistorisch wichtigsten Stätten Griechenlands und Italiens.

Die praktische Laufbahn, die den Heimgekehrten nunmehr aufnahm, war eine rasch bewegte, bis er 1878 in Halle seinen bleibenden Platz fand. Herbst 1857 wurde er Adjunct am Joachimsthal zu Berlin, schon 1858 ging er als Gymnasiallehrer nach Essen und 1859 von da als Oberlehrer nach Wesel. Hier begründete er seinen ersten glücklichen Ehestand, aus dem vier Söhne hervorgingen. Erst kurz hatte er seit 1863 als erster Oberlehrer in Barmen gewirkt, als der Geheime Rath Wiese ihn dem Magistrate zu Burg bei Magdeburg empfahl und dieser ihn 1864 zum Director der dortigen Realschule berief, die er zum Gymnasium umzuwandeln hatte. Von 1868 bis 1874 leitete er als Director das Gymnasium zu Potsdam, dann weitere vier Jahre das zu Rinteln in der hessischen Grafschaft Schaumburg. In Rinteln verlor er durch den Tod nach langer Krankheit die erste Gattin und schloß einen zweiten Ehebund mit einer magdeburgischen Landsmännin, geborenen Schaum, Tochter eines Amtmannes zu Brumby, Kreis Kalbe, die ihm nach einer Reihe glücklicher Jahre gleichfalls im Tode vorangehen sollte. Von Rinteln berief 1878 der eben in Gustav Kramer’s Stelle aufgerückte Dr. Theodor Adler F. zu seinem Nachfolger als Director der Latina und Condirector der Francke’schen Stiftungen cum spe succedendi. Kaum aber hatte dieser an der zweiten Stelle sich eingerichtet, als schon im Frühjahr 1879 Adler’s Erkrankung ihn nöthigte, die gesammte Leitung der vielverzweigten hallischen Anstalten als Vertreter zu übernehmen. Mit dem 1. October 1880 wurde er als Adler’s Nachfolger wirklicher erster Director der Francke’schen Anstalten. Diese leitete er dann bis zu seinem Tode mit fester Hand und so eigenartig, daß man immer in der ruhmreichen Geschichte dieser Anstalten nach Otto F. eine neue bedeutsame Epoche benennen wird. Leider war es ihm nur zwölf Jahre vergönnt, auf diesem Felde, das für ihn und für das er geschaffen schien, zu arbeiten. Er sollte sein Leben nicht ganz auf sechzig Jahre bringen. In den letzten Jahren zeigten sich Symptome des Alterns. Mehr und mehr neigte er zu Abstraction und Theorie. Der sonst so vielseitige Mann verfing sich in gewisse Lieblingsthemata. Das ließ ihn minder anregend erscheinen als früher. Er selbst fühlte sich bisweilen älter, als andere ihn schätzten. Seinen 59. Geburtstag bezeichnete er dem Schreiber dieser Zeilen gegenüber als ein ‚wohlverstandenes und beherzigtes Memento mori‘. Der Tod [769] war ihm im engsten Kreise der Seinen so wiederholt hart auf den Leib gerückt und seine ganze Lebensansicht war so ernst, daß solche Töne bei ihm nicht überraschen konnten. Indes seine Lebenskraft widerstand nicht mehr, als ihn im Januar 1892 eine schwere Grippe darniederwarf. Mitten aus der Arbeit wurde er am 19. Januar 1892 nach kurzem Krankenlager heimgerufen.

F. war ein tüchtiger Philolog und Archäolog, ein ebenso begabter wie gewissenhafter und für seine Schüler väterlich gesinnter Lehrer, als Director ein besonnener und thatkräftiger Schulmann, der ein weites Gebiet des Wissens beherrschte, und doch immer noch zu beobachten, zu erleben, zu lernen bereit und begierig. Auch in der äußeren Verwaltung der Stiftungen hat er schwierige Aufgaben mit Geschick und Erfolg gelöst. In allen diesen Hinsichten hat er viel verdiente Anerkennung gefunden. Aber sein Hauptruhm beruht doch in dem, was er innerlich den Francke’schen Stiftungen und durch diese dem deutschen höheren Schulwesen gewesen und geworden ist. Ein gedrängter Ueberblick seiner Lebensarbeit muß hier versucht werden.

Die ersten litterarischen Arbeiten waren philologisch-archäologischer Art und standen in mehr oder weniger engem Zusammenhange mit seinem Aufenthalte in Constantinopel. Während dessen wurde auf dem Atmeidan in Constantinopel eine Schlangensäule ausgegraben. Er entzifferte die Inschrift, erkannte die Zugehörigkeit zu einem Weihgeschenke aus Plataiai und schrieb nach der Heimkehr: „Das platäische Weihgeschenk in Constantinopel“ (Leipzig 1859). Oertliches Interesse führte ebenfalls auf den Anaplus Bosporu des Dionysios Byzantios. F. gab ihn nebst Karte heraus im Weseler Programm von 1860 und lieferte dazu Nachträge im Programm von Burg 1865. Einzelne Inschriften u. s. w. besprach er in Zeitschriften, wie er denn auch an Pauly’s „Encyklopädie der classischen Alterthumskunde“, 2. Auflage, mitarbeitete (z. B. Artikel: Bosporos). Auch zu einigen populär gehaltenen Landschafts- und Culturbildern soll F. seine orientalischen Eindrücke verwerthet haben. Von diesen ist jedoch mir keins zu Gesichte gekommen. – Als Director wandte er sich dann mehr pädagogisch-ethischen Themen zu („Der Begriff der Nationalität und die deutsche Nation“, 1870; „Das Wesen der wahren Bildung“, „Mythus und Evangelium“, „Wesen der Sitte“ in den „Zeitfragen des christlichen Volkslebens“, 1877 ff.) und bearbeitete Lehrpläne für verschiedene Unterrichtsfächer (Deutsch, Französisch, Latein). Erst in Halle jedoch ergriff ihn der wahre Feuereifer für die Theorie des Unterrichtes und für die pädagogische Vorbildung des höheren Lehrstandes, der fortan die vornehmste Triebkraft in all seinem Thun wurde. Eigene Erfahrung von der Nothwendigkeit besserer planmäßiger Fürsorge für die theoretisch-praktische Schulung der jungen Lehrer und vergleichender Hinblick auf den unleugbaren Vorsprung der Volksschule in diesem Stücke wirkten zusammen mit den ehrwürdigen, freilich damals halbvergessenen Traditionen der Hallischen Anstalten, denen der gewissenhafte Mann mit der Uebernahme der Mitarbeit an ihnen erst pflichtmäßig näher trat und dann mit steigender Begeisterung sich hingab. Naturgemäß lenkte sich nun auch sein Blick auf die verwandten Bestrebungen, die gleichzeitig anderwärts sich kräftiger regten, auf Hermann Schiller’s Eintreten, litterarisch und praktisch, für die didaktische Schulung der Candidaten des höheren Schulamtes und besonders auf das Wirken der Schule Herbart’s für den gleichen Zweck.

Auf Herbart und seine Schule wurde F. nach eigenem Bekenntniß zuerst aufmerksam durch Otto Willmann, dessen Bezeichnung der Volksschule als der [770] hohen Schule für die höhere Schule er sich gern aneignete. Willmann’s seit 1882 erscheinende Didaktik begrüßte er freudig und benutzte sie gern bei der eigenen „planmäßigen Anleitung der Candidati probandi“. Auch von Karl Volkmar Stoy und von Tuiskon Ziller, den er persönlich in Leipzig aufsuchte, nahm er dankbar mannichfache Anregung entgegen und schloß sich immer enger dem Kreise der Herbartianer an, die ihn freilich nur halb und zögernd als einen der ihrigen anerkannten. Zu leugnen ist in der That nicht, daß die späte und eklektische Herübernahme der Herbartischen Didaktik ohne eigentliche freudige Annahme der metaphysischen und psychologischen Grundlagen des ganzen Systemes seinen eigenen litterarischen Arbeiten auf diesem Gebiete etwas Künstliches und Geschraubtes beimischte, das ihr Verständniß und ihre Würdigung in manchen Einzelheiten erschwerte. Trotzdem wurde er in kurzer Zeit einer der bekanntesten und wirksamsten Vertreter der ganzen Bewegung, und es ist nicht am wenigsten seinem unablässigen Dringen auf methodische Reform des höheren Unterrichtes zu danken, wenn heute in Deutschland sowol die Vorbildung der Lehrer wie die theoretische Pädagogik und wol auch die didaktische Praxis im höheren Schulwesen ein wesentlich anderes und gewiß gesunderes Gepräge zeigen als noch vor zwei Jahrzehnten, mag immerhin manche einzelne Blüthe als taub erwiesen und ohne Frucht abgefallen sein. Die Hallischen Anstalten wurden durch ihn wie ehedem in ihren classischen Zeiten eine weithin scheinende Leuchte der Pädagogik und das Wanderziel zahlreicher lernbegieriger Schulmänner aus Deutschland und dem Auslande. Dies geschah besonders dadurch, daß F. ein wichtiges, seit 1785 abgestorbenes Glied des Gesammtkörpers neu belebte: das von ihm fortan geradezu zärtlich geliebte und gepflegte pädagogische Seminar (1881). Seine programmatische Schrift über dies „Seminarium praeceptorum“ (1883) wirkte besonders anregend auf weite Kreise. Sein unermüdliches, unmittelbar praktisches und mittelbar litterarischeos Arbeiten in diesem und für dieses kann im engen Rahmen der Allgemeinen deutschen Biographie nicht ausführlich dargestellt und gewürdigt, sondern muß der Geschichte der Pädagogik überlassen werden. Besonders sei hier auf den trefflichen, warmen und auf genauer Sachkunde beruhenden Aufsatz des Oldenburger Geheimen Schulrathes Rudolf Menge (ehedem Professors der Hallischen Latina) über F. in W. Rein’s Encyklopädischem Handbuche der Pädagogik verwiesen. Als litterarisches Organ begründete F. 1884 die Zeitschrift „Lehrproben und Lehrgänge aus der Praxis der Gymnasien und Realschulen“, die er anfangs mit G. Richter in Jena, später mit H. Meier in Schleiz herausgab. Viele Beiträge von eigener Hand gereichten ihr zur besonderen Zierde. Minder glücklich, wenigstens in ihrem unmittelbar praktischen Ziele, erwies sich Frick’s Betheiligung am deutschen Einheitsschulvereine (1886–91), der durch Verschmelzung von Gymnasium und Realgymnasium unter Ausscheidung der höheren Bürgerschule für den mittleren Gewerbestand eine einzige Schulform für die höhere Jugendbildung und namentlich zur Vorbereitung auf alle, technische wie wissenschaftliche, Hochschulen zu gewinnen hoffte. Auf diesen Gedanken war F. durch sein grübelndes Nachdenken über die bunte Mannichfaltigkeit des deutschen höheren Schulwesens bereits früher geführt worden. Er sprach ihn u. a. aus in seinem Referate von 1884 für den dritten evangelischen Schulcongreß über „die Einheit der Schule“ und begegnete darin dem Oberlehrer Fr. Hornemann zu Hannover, mit dem er 1886 an die Spitze des neuen Vereins trat. Entschlossene Gegnerschaft fand, wie zu erwarten, dies neue Programm bei den „Realschulmännern“, die bereits einige Jahre zuvor (1881) zu einem Vereine zusammengetreten waren, und Freunde von zweifelhaftem Werthe bei den strengen Vertretern des humanistischen Gymnasiums, [771] die der Realschule, auch in der Gestalt des (lateintreibenden) Realgymnasiums, Gleichberechtigung überhaupt nicht zuerkennen wollten und die Einheitsschule nur als Etappe auf dem Wege der Rückkehr zum alleinherrschenden alten Gymnasium begrüßten. Aehnlich war das Verhältniß zu den Vertretern der jüngsten höheren Schulform, der lateinlosen Oberrealschule. Diese wollten wenigstens nur eine humanistische neben einer consequent realistischen Schule und konnten dabei der Aufsaugung des Realgymnqsiums durch das Humangymnasium nur das Wort reden. F. entwickelte sein Programm in dem Vortrage über „die Möglichkeit der höheren Einheitsschule“, der (1887) im ersten Hefte der Schriften des deutschen Einheitsschulvereines erschien. Aus dem Gewirre widerstreitender Ansichten über das deutsche höhere Schulwesen sollte nach dem Wunsche des jungen Kaisers Wilhelm 1890 die sog. Berliner Decemberconferenz einen gangbaren Ausweg suchen. Zu den vierzig einberufenen Theilnehmern gehörte auch F. Er wurde zum Referenten über die erste der gestellten Fragen erwählt: „Sind die heute bestehenden Arten der höheren Schulen in ihrer gegenwärtigen Sonderung beizubehalten oder empfiehlt sich eine Verschmelzung von a) Gymnasium und Realgymnasium, b) Realgymnasium und Oberrealschule“? In seinen Thesen hält er den Einheitsschulgedanken nicht mehr ganz in ursprünglicher Strenge fest. Für das Gymnasium wünscht er einige Aenderungen: Beginn des fremdsprachlichen Unterrichtes erst im zweiten Jahre der höheren Schulen (oder fünften Schuljahre überhaupt), und zwar mit Französisch, in den Oberclassen obligatorischer Zeichenunterricht und facultatives Englisch unter Beschränkung des Lateins, – nicht des Griechischen. Mit diesen Aenderungen, meint er, würde das Gymnasium diejenigen berechtigten Forderungen erfüllen, welche zur allmählichen Entwicklung der Realgymnasien geführt haben, und doch die Vorzüge einer humanistischen Lehranstalt behaupten. Daneben sollte die lateinlose höhere Bürgerschule und ihre Weiterbildung, die Oberrealschule, die folgerechte Ausgestaltung des Realschulprincipes darstellen. Die Realgymnasien hätten sich danach für eines der in ihnen zu ihrem Schaden äußerlich verknüpften und nicht genügend ausgeglichenen Principien entscheiden und je nach den örtlichen Verhältnissen allmählich entweder in ein Gymnasium oder in eine Oberrealschule übergehen können. Für sein reformirtes Gymnasium setzt F. durch Einschiebung einer neuen (noch rein deutschen) Septima oder, wie mans nehmen will, Theilung der Quarta in zwei Jahresstufen zehn- statt neunjährigen Cursus an. Es ist bekannt, daß dies Programm nicht angenommen und nicht ausgeführt worden. Es war allzusehr aus abstrahirendem Spintisiren hervorgegangen und berücksichtigte zu wenig die concrete Wirklichkeit, um sich siegreich durchsetzen zu können. Daß übrigens F. die in Berlin gebotene Gelegenheit nicht versäumte, sein Caeterum-censeo – Pflege der didaktischen Methode und methodische Schulung der jungen Lehrer – entschieden zu betonen und auch sonst manche beherzigenswerthe Winke in der Debatte zu geben, bedarf nicht der Worte. Die gedruckten Verhandlungen bezeugen es. Die Consequenz aus seinen in Berlin vertretenen Grundsätzen zog F. für sein engeres Wirkungsfeld, indem er 1891 den Anstoß zu der Umgestaltung des Realgymnasiums der Francke’schen Stiftungen zu einer Oberrealschule gab. – Frick’s Muße war auch in jenen letzten Jahren noch fruchtbar an mancherlei anderen litterarischen Arbeiten. Für die Directorenconferenz der Provinz Sachsen lieferte er 1883 das Referat über das Thema: „Inwieweit sind die Herbart-Ziller-Stoy’schen didaktischen Grundsätze für den Unterricht an höheren Schulen zu verwerthen“? Im J. 1884 vereinigte er sich mit dem bekannten Volksschulpädagogen Schulrath Fr. Polack, Kreisschulinspector zu Worbis, zur Fortsetzung von dessen Sammelwerke: „Aus deutschen Lesebüchern“. [772] Zu Band IV und V steuerte er bei: „Epische und lyrische Dichtungen, erläutert für die Oberklassen höherer Schulen und für das deutsche Haus“ (Heliand, Klopstock’s Messias und Oden, Goethe’s lyrische Gedichte) und „Wegweiser durch die classischen Schuldramen“ (Lessing, Goethe, Schiller), geschätzte und vielbenutzte Hülfsmittel für den deutschen Unterricht. „A. H. Franckens kurtzen und einfältigen Unterricht, wie die Kinder zur wahren Gottseligkeit und christlichen Klugheit anzuführen sind. Zum Behufe christlicher Informatorum“ gab er 1889 neu heraus; 1891 erschien von seiner Hand das Heft „Die Francke’schen Stiftungen“, eine historisch-statistische Uebersicht der ihm anvertrauten Anstalten enthaltend. – Dem eigenen Unterrichte, zu dem er nicht verpflichtet war, entfremdete er sich nie völlig.

Ueber dieser regen schulmännischen Thätigkeit war F. im letzten Jahrzehnt seines Lebens noch vielfach im kirchlichen Interesse wirksam, auf das ihn neben der frühgeweckten, tiefgewurzelten persönlichen Liebe noch besonders die Tradition der Francke’schen Stiftungen hinwies. Eifrig bethätigte er sich als Mitglied des Kirchenrathes in Halle-Glaucha an der Pflege des Gemeindelebens und wiederholt in der sächsischen Provinzialsynode, zuletzt auch der Generalsynode der evangelischen Landeskirche Preußens. Am kirchlichen Vereinswesen nahm er lebhaft teil; besonders lag ihm die evangelische Heidenmission am Herzen. Bei den jährlichen Conferenzen der deutschen evangelischen Missionsvorstände vertrat er persönlich das Hallische Waisenhaus als das eigentliche Mutterhaus dieser Bestrebungen im protestantischen Deutschland. Mit den Pfarrern D. G. A. Warneck in Rothenschirmbach (späterem Professor in Halle) und D. R. Grundemann zu Mörz gab er die „Geschichte der Mission in Bildern“ heraus. Lebhaften Antheil endlich nahm F. an dem schwierigen Werke der vom evangelischen Kirchentage (Hamburg 1858) und von der Eisenacher evangelischen Kirchenconferenz (1869) angeregten Revision der deutschen Lutherbibel. In der mit dieser Aufgabe betrauten Commission fungirte er als Vertreter der mit dem Hallischen Waisenhause verbundenen v. Cansteinischen Bibelanstalt und als leitender Vorsitzender. Seinem besonnenen, vermittelnden Einwirken gelang es, manche Klippen glücklich zu umsteuern und zuletzt den Hafen zu erreichen. Wie schon die „Probebibel“ von 1883, so begleitete er die Schlußausgabe von 1892 namens der ehrwürdigen Cansteinischen Anstalt mit einem Vorworte. Das letztere hatte er eben vollendet, als die Feder der Hand des Todkranken entsank.

Nach Frick’s Tode gab sein Sohn Dr. Georg F. seine „Schulreden“ (Gera 1892) und „Pädagogische und didaktische Abhandlungen“ (Halle 1893) heraus. Ausführlich handelt von F. dessen Nachfolger D. Dr. W. Fries in: „Die Franckeschen Stiftungen in ihrem 2. Jahrhundert“ (Halle 1898, S. 206 bis 233). Nekrologe und Lebensabrisse erschienen ferner von F. Zange in der Zeitschrift für Gymnasialwesen XLVI, Heft 6; Alfred Rausch in den Lehrproben etc., Heft 36; Th. Mercklein in der Zeitschrift Neue Bahnen, Octbr. 1893 (m. Litteraturangaben); Consbruch im Biogr. Jahrbuch f. Altertumskunde XVII (1894), S. 5–30 (m. ausführl. Litteraturangaben); R. Menge in Rein’s Encyklopädischem Handbuche der Pädagogik, Bd. II (1896).