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ADB:Friedrich III. (Kurfürst von der Pfalz)

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Artikel „Friedrich III., Kurfürst von der Pfalz“ von August von Kluckhohn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 606–612, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_III._(Kurf%C3%BCrst_von_der_Pfalz)&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 10:32 Uhr UTC)
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Friedrich III., zubenannt der Fromme, Kurfürst von der Pfalz (1559 bis 1576), geb. zu Simmern am 14. Febr. 1515, † zu Heidelberg am 26. Oct. 1576. F. war der älteste Sohn des Herzogs Johann II. von Simmern und dessen Gemahlin Beatrix, einer markgräflich-badischen Prinzessin. Der Vater, ein tüchtiger, von litterarischen und künstlerischen Interessen erfüllter Fürst sorgte für eine gute Erziehung des Sohnes, dessen ritterliche und weltmännische Bildung an fremden Höfen (Nancy, Lüttich, Brüssel) vollendet wurde. Im 19. Lebensjahre nahm der junge Herzog an einem Türkenkriege rühmlichen Antheil; im 20. Jahre wurde er schon vorübergehend mit der Stellvertretung des als kaiserlicher Kammerrichter zu Speier fungirenden Vaters betraut. Am 21. October 1537 vermählte er sich mit Maria, der trefflich begabten kaum 18jährigen Tochter des schon verstorbenen Markgrafen Casimir von Brandenburg-Culmbach; durch sie wurde F., während Herzog Johann II. an der alten Kirche festhielt, für Luther’s Lehre gewonnen, zu der er sich aber erst im J. 1546, als er für seinen Schwager, den Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg, die Verwaltung des fränkischen Landes als „Inhaber der Obermarkgrafschaft des Gebirgs“ übernahm, offen bekannte. Als Albrecht nach dem schmalkaldischen Kriege sich von dem Kaiser gegen das glaubenstreue Magdeburg gebrauchen ließ und nach der erfolgreichen Fürstenerhebung gegen Karl V. seine Raubkriege in Franken unternahm, lebte F. zurückgezogen, arm und unbeachtet in der Pfalz. Von dem Vater wegen des Bekenntnißwechsels ungnädig angesehen, vermochte er mit den verkürzten Einkünften die Bedürfnisse einer zahlreichen Familie nicht zu bestreiten und gerieth, während die Gemahlin wiederholt die Freigebigkeit von Verwandten in Anspruch nahm, in drückende Schulden. Einige Erleichterung erfuhr erst seine Lage, als nach dem Tode des Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz der kinderlose Otto Heinrich (1556–1559) seinen präsumtiven Nachfolger zum Statthalter in der Oberpfalz erhob. Am 18. Mai 1557 übernahm F. auch an Stelle des verstorbenen Vaters die Regierung des pfalz-simmerischen Landes und führte ungesäumt die Reformation daselbst ein. Als ein eifriger Anhänger des lutherischen Bekenntnisses vermählte er 1558 die älteste Tochter Elisabeth gern mit dem Herzoge Johann Friedrich dem Mittleren von Sachsen, einem Vorkämpfer des strengen Lutherthums, wenn er auch die schroff ausgeprägte confessionelle Richtung desselben insofern nicht theilte, als er mehr die gemeinsamen als die trennenden Elemente des Protestantismus in’s Auge faßte und inmitten des wachsenden theologischen Haders für die Eintracht aller Evangelischen wirkte. – Erst nach der Uebernahme der kurfürstlichen Regierung in der Rheinpfalz (12. Febr. 1559) wurde F. genöthigt, den dogmatischen Fragen, um welche es sich in dem immer lebhafter entbrennenden Streite der protestantischen Parteien handelte, näher zu treten. In Heidelberg hatten unter der Regierung Ottheinrichs einzelne strenge Lutheraner neben Zwinglianern, Calvinisten und Vertretern einer vermittelnden Richtung (Melanchthonianer oder Philippisten) zum Lehr- und Predigtamt, wie zum Hof- und höheren Staatsdienste Zutritt gefunden. Eine friedliche Verschmelzung so verschiedenartiger Elemente, wie F. sie gewünscht hätte, war in einer Zeit, die auf scharfe Ausbildung gesonderter Lehrtypen hindrängte, nicht möglich. Zwischen Heßhusius, dem leidenschaftlich einseitigen und herrschsüchtigen Generalsuperintendenten, welcher der pfälzer Kirche Augsburgischer Confession das Gepräge des strengsten sächsischen Lutherthums aufzudrücken suchte, und einem zwinglisch gesinnten Diaconus Klebitz kam es zu offenem Hader, als der neue Kurfürst auf dem Reichstage zu Augsburg (1559) weilte und dort für die Eintracht der [607] evangelischen Stände zu wirken suchte. Auch in Heidelberg unternahm es F., auf Grund vermittelnder Bekenntnißformeln, Frieden zu stiften und entsetzte erst nach vergeblichem Bemühen den maßlos heftigen Heßhusius wie dessen streitlustigen Gegner Klebitz ihrer Aemter. Melanchthon, um sein Gutachten angegangen, billigte durchaus des Kurfürsten Verfahren und empfahl den Gebrauch einer die Gegensätze verhüllenden Abendmahlsformel; aber hochgestellte Gesinnungsgenossen des entlassenen Generalsuperintendenten (Minckwitz, Venningen) fuhren fort, gegen das um sich greifende „Gift des Zwinglianismus“ zu eifern, und nicht minder dringend und ungestüm warnte des Kurfürsten Schwiegersohn, Johann Friedrich der Mittlere, mit dem auch Maria sich heimlich zur Rettung ihres Gemahls vor den „Listen und Griffen“ der Verführer verband. Im Juni 1560 kam es zwischen Heidelberger Professoren und herzoglich-sächsischen Theologen, welche Johann Friedrich und dessen jüngeren, mit einer zweiten Tochter des Kurfürsten verlobten Bruder Johann Wilhelm nach Heidelberg begleiteten, zu einem öffentlichen Gespräche über die streitige Abendsmahlslehre, mit keinem anderen Erfolge, als daß die Gegensätze nur noch schroffer zu Tage traten, F. aber sich mehr und mehr von den verdammungssüchtigen Ultralutheranern ab- und der reformirten Richtung zuwandte. Aber erst nach dem Naumburger Fürstentage des Jahres 1561, wo F. den zehnten, vom heiligen Abendmahle handelnden Artikel der Augsburger Confession in seiner ursprünglichen Gestalt als „papistisch“ kennen lernte und nur in dem von Melanchthon schon selbst geänderten oder verbesserten Texte die evangelische Wahrheit fand, fing er an die reformirte Lehre, wie Calvin und die an Zwingli sich anlehnenden Schweizer Theologen sie ausgebildet, als die allein schriftgemäße und consequent durchgeführte Reformation aufzufassen und wurde in dieser Ansicht nicht allein durch das eigene mit unermüdlichem Eifer betriebene Studium und durch den Verkehr mit hervorragenden Männern dieser Richtung, sondern auch durch die Wahrnehmung „bestärkt, daß die reformirte Kirche in anderen Ländern, namentlich in Frankreich, mit ihrer strengen Sittenzucht bessere Früchte trug als das auf seine Rechtgläubigkeit pochende, liebesarme und sittenschlaffe Kirchenthum Augsburgischer Confession. Entschlossen begann F. noch vor dem Jahre 1562 mit der Reinigung der pfälzer Kirche von allem, was an den Katholicismus erinnerte, und mit der Vorbereitung neuer reformirter Ordnungen in „Lehre und Cultus“. Heiligenbilder, Altargeräthe, Meßgewänder, Crucifixe und anderes „Götzenwerk“, das sich trotz der schon von Ottheinrich dagegen erlassenen Verbote in Menge erhalten hatte, wurde aus Kirchen und Kapellen entfernt und nur ein einfacher Tisch, nebst Kelch und Taufbecken als die zulässige Ausstattung der schmucklosen, weiß getünchten und zuletzt selbst der Orgel beraubten Gotteshäuser angesehen. Die Theologen Zacharias Ursinus und Caspar Olevian, beide deutschen Ursprungs, aber in Calvins Schule gebildet, verfaßten mit Benützung der besten Lehr- und Bekenntnißschriften der reformirten Kirche den berühmten „Heidelberger Katechismus“, der selbst nach dem Urtheile strenger Lutheraner durch „Lehrweisheit, christliche Wärme und theologisches Geschick“ sich in hohem Grade auszeichnet und, in die Sprachen aller Völker übersetzt, bis auf diesen Tag in der neuen und alten Welt symbolische Autorität besitzt. Nachdem F. die Arbeit überwacht und den Katechismus, ehe derselbe einer Ende 1562 nach Heidelberg berufenen Generalsynode zur Genehmigung vorgelegt wurde, mit der Bibel in der Hand auf seine Schriftmäßigkeit geprüft hatte, betrachtete er ihn so sehr als sein Werk, daß er die viel berufene gegen die Messe gerichtete 80. Frage auf eigene Hand dem schon gedruckten Texte einzuschieben und in einem unmittelbar darauf veranstalteten neuen Abdrucke noch durch einen Zusatz, der die Messe als eine „vermaledeite Abgötterei“ bezeichnete, zu verschärfen sich gestattete. Eben so war [608] es F. selbst, welcher aus Abscheu vor dem abgöttischen Mißbrauche, der vielfach noch mit der Hostie getrieben wurde, den Brauch des Brodbrechens beim Abendmahle unverweilt einführte, bis im J. 1564 mit der neuen Kirchenordnung alle religiösen Bräuche und Institutionen ein reformirtes Gepräge erhielten. Durch die Kirchenrathsordnung, welche der obersten Kirchenbehörde eine möglichst unabhängige Stellung gab, und durch die sogenannte „geistliche Güterverwaltung“, die das bedeutende aus Stifts- und Klostergütern gebildete und nur zu frommen Zwecken bestimmte Kirchenvermögen in seinem ungeänderten und unabhängigen Bestande für die Zukunft sicherte, kam die Reformation der Rheinpfalz zu einem festen Abschlusse. In der Oberpfalz dagegen, wo die gut lutherischen Landstände an dem in Amberg residirenden Statthalter, dem Kurprinzen Ludwig, welchen der Vater vergebens für sein Bekenntniß zu gewinnen suchte, eine feste Stütze in dem Widerstande gegen den Calvinismus fanden, trachtete F. vergebens die Heidelberger Kircheneinrichtungen einzuführen. Wiederholte Reformversuche, denen er durch Gewaltmaßregeln keinen Nachdruck zu geben wagte, vermehrten nur das Aufsehen, das der Uebergang Friedrichs zu dem reformirten Bekenntnisse und die in den Rheinlanden vorgenommenen kirchlichen Aenderungen von Anfang an gemacht hatten. – Während die theologischen Wortführer des Lutherthums in Nord und Süd gegen den Heidelberger Katechismus in Flugschriften und Pamphleten zu Felde zogen, waren neben den thüringischen Herzögen vor allem Christoph von Württemberg und Wolfgang von Zweibrücken bemüht, den Kurfürsten mit allen Mitteln von seinen „Irrthümern“ zurückzubringen. Sie waren es auch, welche Maximilian, Ferdinands Sohn, den erwählten deutschen König zum Schutze des bedrohten Lutherthums aufriefen. Da alle abmahnenden und warnenden Zuschriften erfolglos blieben, Friedrichs rücksichtsloses Vorgehen gegen die noch katholisch gebliebenen Stifter seines Landes aber vor allem dem Bischofe von Worms Anlaß zu Klagen gaben, so kam es auf dem ersten Reichstage, den Kaiser Maximilian 1566 zu Augsburg hielt, Dank des Zusammenwirkens der streng lutherischen und der katholischen Gegner dahin, daß dem Kurfürsten von dem Reichsoberhaupte unter Androhung des Ausschlusses von dem nur den Anhängern der Augsburger Confession zugestandenen Religionsfrieden die Abstellung der unzulässigen Neuerungen auf’s Strengste anbefohlen wurde. Mit dem Muthe und der Freudigkeit eines Glaubenshelden vertheidigte F. sein Bekenntniß als schriftgemäß, und wenn er auch weder den Kaiser noch die lutherischen Fürsten für seine Auffassung zu gewinnen vermochte, so überzeugte er doch nach und nach die letzteren, daß die päpstliche Partei, indem sie seine Verurtheilung betrieb, es nicht allein auf die Unterdrückung des Calvinismus, sondern auf das Verderben des Protestantismus überhaupt abgesehen hatte. Die protestantischen Stände erklärten daher unter der Führung der Räthe des Kurfürsten August von Sachsen, daß sie, obwol sie Friedrichs Auffassung der Abendmahlslehre für irrig halten müßten, die Ausschließung desselben von dem Religionsfrieden nicht billigen könnten, und alle Bemühungen Maximilians, welcher trotz seiner oft gepriesenen evangelischen Gesinnung sich damals ganz in den Händen der päpstlichen Partei befand, auf Umwegen die Verurtheilung des Pfalzgrafen durchzusetzen, blieben erfolglos; ebenso erfolglos freilich auch alle Versuche der lutherischen Fürsten, F. von seiner calvinischen Abendmahlslehre zurückzubringen. – F. war seit dem Augsburger Reichstage womöglich noch fester als vorher von der Unanfechtbarkeit seines schriftgemäßen Bekenntnisses überzeugt, und er sah demgemäß auch in den Reformirten des Auslandes, namentlich in den französischen Hugenotten und den schwer bedrängten evangelischen Niederländern, der sich die lutherischen Stände Deutschlands entweder gar nicht oder nur mit halbem Herzen annahmen, seine wahren Glaubensgenossen. [609] Während der ersten Religionskämpfe in Frankreich hatte ihn die Sorge, daß durch ein thatkräftiges Auftreten für die Hugenotten auch in Deutschland der Ausbruch eines Krieges zwischen Katholiken und Protestanten herbeigeführt werden möchte, von einer offenen Unterstützung Condé’s und seiner Waffengefährten abgehalten; F. ließ diese Rücksicht fallen, als er Spanien im Bunde mit dem Papste und der katholischen Partei in Frankreich, den Niederlanden und mittelbar auch in Deutschland auf die Vernichtung des Protestantismus hinarbeiten sah, während die evangelischen Fürsten Deutschlands von einem allgemeinen antikatholischen Schutzbündnisse, wofür Elisabeth von England wiederholt werben ließ, theils aus lutherischer Engherzigkeit, theils aus Rücksicht für den Kaiser und die katholischen Stände, theils aus mancherlei anderen selbstsüchtigen Motiven nichts wissen mochten. Im J. 1567 ließ F. seinen ihm gleichgesinnten zweiten Sohn, Johann Casimir, trotz der Abmahnungen des Reichsoberhauptes und der Drohungen des französischen Hofes, den Hugenotten ein Söldnerheer von 11,000 Mann zuführen, das den Frieden von Lonjumau (1568) erzwingen half. Auch dem kühnen Unternehmen des Herzogs Wolfgang von Zweibrücken, den sein lange zur Schau getragener Calvinistenhaß nicht hinderte, in dem neu entflammten französischen Religionskriege den Reformirten Beistand zu leisten, stand F. nicht fern, und gleichzeitig suchte er dem furchtbaren Bedränger der niederländischen Glaubensgenossen, Alba, die Hülfsquellen abzuschneiden, die ihm aus Deutschland zuflossen. Was war natürlicher, als daß die ganze päpstlich-spanische Partei den Kurfürsten theils zu stürzen, theils ihm die Hände zu binden suchte? F. aber erfreute sich gerade seit dem Jahre 1568 eines erhöhten Ansehens und einer gesicherteren Stellung durch die Verschwägerung mit dem kursächsischen Hofe in Folge der Vermählung Johann Casimirs mit Elisabeth, der Tochter des Kurfürsten August. In Heidelberg hatte man diese Verbindung nicht umsonst auf jede Weise zu Stande zu bringen gesucht. Zwar gelang es nicht, den Dresdener Hof in die Bahn der pfälzer Politik zu ziehen und der Wittenberger Partei, den Kryptocalvinisten, zum Siege über die von der Kurfürstin Anna gehegten lutherischen Neigungen und die Abhängigkeit Augusts vom Wiener Hofe zu verhelfen; aber wenn auch der sächsische Kurfürst trotz aller Vorstellungen und Bitten nicht zu bewegen war, sich der Hugenotten oder der Niederländer thätig anzunehmen, so sicherte doch seine Freundschaft den Pfalzgrafen vor den Gefahren, die ihn ringsum bedrohten. – Noch größere Hoffnungen knüpften sich an den Umschlag, der in Frankreich einzutreten schien, als Karl IX. unter dem Einflusse des Admirals von Coligny zu einer antispanischen Politik den Anlauf nahm. Da konnten pfälzische Staatsmänner, welche ganz in dem Gedanken des Gegensatzes gegen die römische Welt, lebten, sogar den kühnen Plan fassen, die Nachfolge im Reiche dem ganz in das spanische Interesse verwebten österreichisch-habsburgischen Hause zu entziehen und um den Preis des Sieges der Reformation in einem großen Theile Europas Frankreich zuzuwenden. Die Katastrophe der Bartholomäusnacht vernichtete so kühne Pläne und alle späteren Bemühungen des französischen Hofes, das zerstörte Vertrauen herzustellen und die protestantischen Fürsten Deutschlands zu Verbündeten gegen Oesterreich zu gewinnen, erzielten überall, auch in Heidelberg, nur halben oder gar keinen Erfolg. – Schwerer noch als die täuschenden Wendungen der französischen Politik sollte F. den Verlust der Freundschaft des Kurfürsten August und die verderbliche, mehr und mehr steigende Abhängigkeit desselben von dem Wiener Hofe empfinden. Um dieselbe Zeit (1574), als Friedrichs dritter, erst 23jähriger Sohn Christoph an der Seite der Oranier Heinrich und Ludwig von Nassau auf der Mockerhaide den Heldentod im Kampfe gegen die [610] Spanier fand, Johann Casimir aber mit den Führern der Hugenotten über eine neue kriegerische Hülfsleistung in Frankreich verhandelte, brachte Kurfürst August die grausam verfolgten Kryptocalvinisten und die bis dahin in der sächsischen Landeskirche herrschende melanchthonische Richtung nicht allein dem von der Gattin geschürten lutherischen Eifer, sondern auch der Dienstbeflissenheit gegen den Kaiser und die habsburgische Politik zum Opfer. Nehmen wir noch die üble Rückwirkung hinzu, welche die unglückliche Ehe Johann Casimirs mit Elisabeth auf den Dresdener Hof übte, so war der Gegensatz zwischen Kursachsen und der Pfalz schon schroff genug, als F. die Unbesonnenheit beging, den Zorn Augusts im höchsten Maße dadurch zu reizen, daß er dem Vorkämpfer der niederländischen Freiheit, Wilhelm von Oranien, dessen erste mit Recht verstoßene Gemahlin eine Nichte des sächsischen Kurfürsten war, die Gelegenheit bot, mit der am Heidelberger Hofe als Gast und Schützling lebenden Charlotte von Bourbon eine neue Verbindung einzugehen. Man hätte es verschmerzen können, daß August unter solchen Umständen den eigenen Schwiegersohn, als dieser seinen zweiten Kriegszug in Frankreich unternahm, gegen den Kaiser, statt ihn in Schutz zu nehmen, vielmehr als strafwürdig hinstellte; denn Johann Casimirs glückliche Erfolge sicherten ihn vor einem Einschreiten des Reichsoberhauptes; von verhängnißvoller Bedeutung für die allgemeinen Interessen aber war, daß F. sich von Kursachsen wie von Brandenburg verlassen sah, als es sich um Bekämpfung der steigenden katholischen Reactionsversuche und um Garantien für den bedrohten Protestantismus bei der Wahl Rudolfs, des ältesten spanisch erzogenen Sohnes Maximilians, zum künftigen Nachfolger des kaiserlichen Vaters handelte. Da F. jetzt ebenso wenig wie in den letzten Lebensjahren des Kaisers Ferdinand die Wahl eines römischen Königs aus dem habsburgischen Hause hindern konnte, so wollte er, wenn nicht die Aufhebung des geistlichen Vorbehalts, so doch wenigstens die reichsgesetzliche Bestätigung der Declaration des Königs Ferdinand, womit die um sich greifende katholische Reaction in den geistlichen Fürstenthümern für immer gehemmt worden wäre, zu einer unerläßlichen Vorbedingung machen, und nur Sachsens „Abfall“, der denjenigen Brandenburgs mit sich brachte, hinderte die Erfüllung der Forderung. Nicht minder aber war es Kurfürst August, welcher auf dem letzten Reichstage Maximilians, als wieder die überwiegende Mehrzahl der protestantischen Stände der pfälzischen Führung folgte, dem Kaiser kurz vor dessen Tode der Nöthigung überhob, die Unterstützung im Türkenkriege mit der Freistellung der Religion zu erkaufen. – Mit größerer Befriedigung konnte F. auf die Zustände des eigenen Landes blicken. In der Rheinpfalz schien das reformirte Kirchenthum für immer festen Bestand gewonnen zu haben. Durch Kirchenrath, Superintendenten und Presbyterien, Synoden und Visitationen war für die Reinheit der Lehre und die christliche Zucht nach Kräften gesorgt. Der Kirche kam die Schule zu Hülfe, die sich ebenfalls, Dank der freigebigen Fürsorge Friedrichs, in blühendem Zustande befand, nicht allein die Universität mit berühmten Professoren verschiedener Nationalität in allen Facultäten, und das Sapienzcollegium, die Pflanzschule reformirter Theologen, sondern auch die den classischen Studien gewidmeten Pädagogien in Heidelberg, Amberg, Neuhausen, Selz, bis herab zu den Trivialschulen. F. stand in dem Rufe, ein Gönner der Wissenschaften zu sein und zahlreiche litterarische Werke wurden von nah und fern ihm zugeeignet. Er war der lateinischen Sprache mächtig und hatte es im Französischen bis zu einer unter deutschen Fürsten seltenen Vollendung gebracht. Indeß hatte er ein lebhafteres persönliches Interesse nur für religiöse und praktisch-politische Fragen. Vor allem war sein nüchternes, phantasieloses Wesen der Kunst, welche Ottheinrich in Heidelberg mit verschwenderischer Hand gepflegt hatte, nicht zugethan, wenn er auch den noch unvollendeten [611] Prachtbau des Schlosses (Ottheinrichsbau) zu Ende führte. Freilich nöthigte ihn auch die drückende Finanznoth, die er mit der kurfürstlichen Regierung überkommen hatte, zu der größten Sparsamkeit. Wie den ganzen Hofstaat, so schränkte er seine persönlichen Bedürfnisse auf das Nothwendigste ein. Freigebig dagegen unterstützte er bedrängte Glaubensgenossen und wurde nicht allein von zahlreichen Flüchtlingen, die in der Pfalz gastliche Aufnahme fanden, wie ein Vater verehrt, sondern F. erwarb sich den Ruhm eines Schützers der reformirten Kirche auch in fernen Landen. Es ist wahr, daß mit den Jahren seine Frömmigkeit immer mehr ein streng confessionelles Gepräge annahm. Er blieb bei aller Menschenfreundlichkeit, die ihm von Natur eigen war, nicht frei von dogmatischer Engherzigkeit, und die angeborne Demuth und Bescheidenheit bewahrte ihn nicht vor einem Anfluge orthodoxen Selbstgefühls. Indem er nach der reformirten Auffassung des göttlichen Gesetzes als einer für den Gläubigen schlechthin gültigen Norm dem alten Testamente, insbesondere den Büchern der Könige, die einen christlichen Regenten bindenden Vorschriften entnahm, faßte er nicht allein die Reinigung der Kirche von allem Menschenwerk als den von Gott gebotenen Kampf wider den Götzendienst auf, sondern konnte sich auch in seinem Gewissen gebunden fühlen, die Leugnung der Gottheit Christi als ein todeswürdiges Verbrechen zu beurtheilen und den unglücklichen Sylvan, wenn auch nach langem Widerstreben, auf den Richtplatz führen zu lassen. Mit dem Alter mehrten sich überhaupt die Klagen, daß die strengeren Theologen aus Calvins Schule steigenden Einfluß auf den Kurfürsten übten: aber dieser geistliche Einfluß konnte gemäß dem Charakter der reformirten Theologie weder die auf das Gute gerichtete Energie abschwächen, noch F. hindern, neben der Sorge für das Seelenheil der Unterthanen, für Kirchenzucht und Sittenstrenge auch das materielle Wohl der Unterthanen durch eine gewissenhafte Rechtspflege und eine gut organisirte Verwaltung mit mustergültiger Armenpflege und mancherlei, in anderen Ländern noch unbekannten oder sehr seltenen Wohlthätigkeitsanstalten zu fördern. – F. ist zweimal vermählt gewesen. Maria, eine Frau von thatkräftigem Geist und warmem Herzen, welche ihn zuerst für Luthers Lehre gewonnen, wurde nach längerem Widerstreben zum Schmerze ihrer streng lutherischen Schwiegersöhne durch den Gemahl mit dem Calvinismus befreundet und lebte mit F. in glücklicher Gemeinschaft, bis sie am 31. October 1567 einem langen körperlichen Leiden erlag. Am 25. April 1569 vermählte sich F. in zweiter Ehe mit Amalie, der verwittweten Gräfin von Brederode, einer gebornen Gräfin von Nuenar, welche, durch Geburt und Schicksal mit den niederländischen Angelegenheiten eng verflochten und dem calvinischen Bekenntnisse eifrig zugethan, Friedrichs Theilnahme für die Reformirten des Auslandes vielleicht noch verstärkt hat. – Von 11 Kindern, die ihm Maria geboren, überlebten F. 2 Söhne und 4 Töchter; von denselben hat Elisabeth (s. Bd. VI. S. 38) den schwersten Schicksalswechsel erfahren und zugleich dem Vater die reichlichste Gelegenheit geboten, seine werkthätige Liebe zu bewähren, wie er auch Johann Friedrich dem Mittleren, trotz der Zurückweisung, welche allen seinen Bitten und Warnungen vor der Katastrophe von Gotha geworden, ein väterlicher, unermüdlich hülfreicher Freund geblieben ist. Auch die zweite Tochter, Dorothea Susanna, die Gemahlin Johann Wilhelms von Sachsen, ließ F. es nicht entgelten, daß sie an der Seite eines dünkelhaft orthodoxen Gatten in dem Vater einen Irrgläubigen zu sehen gelernt hatte. Ganz nach seinem Herzen war, abgesehen von Christoph, dem dritten Sohne, auf dessen frühen im Dienste der niederländischen Sache erfolgten Tod (1574) schon hingewiesen wurde, der zweite Sohn, Johann Casimir, welcher mit soviel Empfänglichkeit auf die kirchlichen wie die politischen Gedanken des Vaters und [612] seiner vornehmsten Rathgeber einging. F. hat ihn seinen geistlichen Waffenträger genannt. Mit dem tiefsten Schmerze dagegen mußte es ihn erfüllen, daß der älteste Sohn Ludwig, der Erbe der Kurwürde, bei schwächlichem Körper mit manchen Tugenden ausgestattet, allen Versuchen, ihn für das reformirte Bekenntniß zu gewinnen, unerschütterliche Festigkeit entgegensetzte. Die Sorge, daß der lutherisch gesinnte Nachfolger trotz der Verpflichtungen, die er ihm in seinem Testamente noch aufzuerlegen suchte, den Kirchenbau der Pfalz zerstören möchte, beschäftigte den Kurfürsten noch auf dem Todeslager. F. starb an der Wassersucht am 26. October 1576, tief betrauert nicht allein von seinem Volke, das in ihm einen der besten Regenten verloren, sondern von der ganzen reformirten Kirche, deren väterlicher Beschützer er gewesen.

Häusser, Gesch. der rheinischen Pfalz, II. Bd. – Heppe, Gesch. des deutschen Protestantismus, Bd. II u. III. – Sudhof, Olevian und Ursinus. – Kluckhohn, Briefe Friedrichs des Frommen, 2 Bde. – Derselbe, Friedrich der Fromme, der Schützer der reformirten Kirche. Nördlingen 1878.