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ADB:Friedrich Karl (Kurfürst)

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Artikel „Friedrich Karl Joseph, Freiherr von Erthal, Kurfürst von Mainz“ von Emanuel Leser in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 552–557, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_Karl_(Kurf%C3%BCrst)&oldid=- (Version vom 29. November 2024, 22:15 Uhr UTC)
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Friedrich Karl Joseph, Freiherr von Erthal, der letzte Kurfürst von Mainz (1774–1802), war als Sohn des Mainzer Geheimraths Philipp Christoph v. Erthal und der Marie Eva geb. v. Bettendorf am 3. Jan. 1719 in Mainz geboren, † am 25. Juli 1802 in Aschaffenburg. Schon in früher Jugend erhielt er Dompräbenden in Mainz (1731) und Bamberg, vorübergehend hatte er eine solche auch in Würzburg inne. Er studierte in Rheims, wurde in Bamberg Domcapitular, Geheimrath und Domsänger, am weitesten aber in den geistlichen und weltlichen Würden rückte er im Erzstift Mainz vor. Hier wurde er 1753 Mitglied des Capitels, am 14. Mai 1754 Rector der Universität, 1758 Geheimrath und Hofrathspräsident, den 16. Novbr. 1768 Domcustos. 1764 war er bei der römischen Königswahl erster kurmainzischer Botschafter und wurde Ende 1769 zum bevollmächtigten Minister am kaiserlichen Hofe ernannt. Beim Tode des Kurfürsten war er in Mainz anwesend und wurde nach fünf Wochen, am 18. Juli 1774, nahezu einstimmig als dessen Nachfolger erwählt. Am 26. Juli auch für Worms zum Fürstbischof bestimmt, erhielt er am 11. September die Priesterweihe, am 14. Mai 1775 die Consecration als Bischof. Wenige unter den Vorgängern Friedrich Karl Josephs auf dem erzbischöflichen Stuhl haben eine längere Regierung gehabt als er, keiner eine ereignißreichere. Das erste Jahrzehnt freilich war fast ausschließlich inneren Angelegenheiten des Kurstaates gewidmet, aber manches in der Handlungsweise des Kurfürsten erregte doch schon die allgemeine Aufmerksamkeit, wenigstens in Deutschland. Auffallend genug war in der That gleich der Anfang des neuen Regimentes, das geflissentlich in einen schneidenden Gegensatz trat zu den Principien des vorigen Kurfürsten. Der neue Herrscher hielt strenge auf alle äußeren Formen peinlichster Frömmigkeit und beobachtete dieselben auch für seine Person. Die Jesuiten, deren Einfluß für immer gebrochen schien, gewannen ihre frühere Macht zurück, und sie gebrauchten dieselbe, um alle im Cultus und im Unterrichtswesen geschehenen Neuerungen umzustoßen, indem sie zugleich ihre Gegner mit persönlichen Verfolgungen heimsuchten. Jetzt wurde das Mönchswesen wieder gehegt und durch materielle Zuwendungen unterstützt, aller höhere Unterricht den Ordensgeistlichen zurückgegeben, alsbald das römische Jubiläum verkündigt, dagegen die neugegründete Lehrerakademie aufgehoben und die Volksschule der alten Verwahrlosung überlassen. Allein, sei es, daß F. K. J. nur gesucht hatte, durch diese seine anfängliche Haltung eine ihm ergebene Partei zu begründen, sei es, daß allmählich die Mängel der alten Zustände und Einrichtungen unerträglich wurden, nach wenigen Jahren setzte er selbst die reformirende Thätigkeit fort, die mit dem Ableben des Vorgängers unterbrochen worden. 1776 trat in anderer Form wieder eine Bildungsanstalt für Schullehrer ins Leben, im folgenden Jahre wurde das Gymnasium den Jesuiten entzogen. Auch gegen die Klöster wurde man strenger; das Anwachsen der Klostervermögen sollte wenigstens überwacht werden (Verordnung vom 6. Oct. 1777), das Terminiren der Bettelmönche ward eingeschränkt. Vollends in weltlichen Angelegenheiten trug man dann nicht länger Scheu, sich den Anordnungen des vorhergehenden Kurfürsten ausdrücklich anzuschließen, sie zu loben und im nämlichen Geiste fortzubilden. So im Finanzwesen, wo wiederum den Verrechnungen und den herrschaftlichen Bauten unausgesetzte Aufmerksamkeit gewidmet bleibt, und die unlängst eingeführte Weinaccise weiter entwickelt wird (Verordnungen vom 20. Juni 1776, 21. März 1781, 20. Juni 1782, 20. Oct. 1783); in gleicher Weise [553] aber werden auch die früheren Vorschriften über die Berichte der Beamten (Verordnung vom 12. Juni 1783), über Auswanderung (Verordnung vom 12. Juni 1784), über Bettelei (Verordnung vom 7. Jan. 1778), über Forstfrevel (Verordnung vom 10. April 1778), über Sittlichkeitsverbrechen (Verordnung vom 9. Septbr. 1783) neuerdings eingeschärft. Trotzdem zeigt die Verwaltung nicht den Charakter der Sicherheit und allseitigen Umsicht, wodurch die Regierung Emmerich Josephs sich vortheilhaft ausgezeichnet hatte. Die Beamten lassen sich viele Willkürlichkeiten zu Schulden kommen, sind in ihrem Auftreten prunkend, gegen die Unterthanen hochfahrend, wie aus zahlreichen Verordnungen hervorgeht, die sich gegen diese Mißstände wenden; die Durchführung der obrigkeitlichen Befehle ist nicht selten mangelhaft, sodaß dieselben Vorschriften wieder und wieder müssen erlassen werden (z. B. über Hazardspiele vom 20. Decbr. 1781, wiederholt am 1. Septbr. 1783; Verordnung über öffentliche Lustbarkeiten vom 1. Octbr. 1778, wiederholt am 3. Septbr. 1784, über Hundehaltung vom 23. Juli 1784, wiederholt am 19. Decbr. 1786, über Holzberechtigungen vom 30. April 1778, wiederholt am 11. April 1782, nochmals am 2. August 1784); ebenso sehen wir zu mancher Maßregel Anstalten treffen und Informationen deshalb einholen, ohne daß es dann zu einem gesetzgeberischen Abschluß der Angelegenheit kommt. In einzelnen Hinsichten freilich geschah tüchtiges und machte sich ein Fortschritt gegen die frühere Zeit bemerkbar; namentlich wurde in der Landwirthschaft der Futterbau gefördert (Verordnung vom 12. Juni 1784), eine Feuerassecuranz für den ganzen Kurstaat begründet (Verordnung vom 15. Juli 1780), 1784 eine ausführliche Wechselordnung erlassen, 1789 das Lotto aufgehoben, ebenso ist der Freiheit des Handels die Gesetzgebung schon günstiger (Verordnungen vom 20. Aug. 1783, vom 30. Sept. 1783). Auch für die Verbesserung der äußeren Lage wie der inneren Verhältnisse der Judenschaft war der Kurfürst thätig; er war offenbar bestrebt, sie social zu heben, zu nützlichen Beschäftigungen heranzuziehen und von entwürdigenden Lasten zu befreien (Verordnungen vom 9. Febr., 27. Sept. 1784 und Umfrage wegen des Leibzolls vom 20. Aug. 1790). Diejenige Verwaltungsmaßregel aber, die ihm die lautesten Lobeserhebungen einbrachte, war die Neugestaltung der Mainzer Universität. Durch vier Jahre dauerten die Vorbereitungen, die in der Beschaffung der nöthigen Geldmittel durch Aufhebung von drei Klöstern und Ueberweisung von 17 Canonicaten und 12 Pfarreien, in der Gewinnung neuer Lehrkräfte und in der Begründung der für den Unterricht erforderlichen Institute bestanden und mit den glänzendsten Einweihungsfestlichkeiten vom 15. bis 19. Novbr. 1784 schlossen. Die Schöpfung war dem Kurfürsten Herzenssache, und sie blieb nicht ohne Einfluß auf die ganze Ordnung seines Staates. Abgesehen davon, daß die Beamten auf der Universität sich bilden (Verordnung vom 14. Novbr. 1783) und bestimmte Vorlesungen besuchen sollten (Verordnung vom 9. Juli 1784), so fanden außerdem die Interessen der Wissenschaft, sowie andererseits die Nutzbarmachung ihrer Ergebnisse für das Volkswohl vielfache Beachtung Seitens der Regierung. Bemerkenswerth erscheint namentlich, wie in derselben Zeit, da der medicinische Unterricht an der Hochschule eine durchgreifende Umgestaltung erfuhr, auch zahlreiche Verordnungen die Gesundheitspflege zu ihrem Gegenstand nahmen, indem sie bald Mittel zur Rettung Ertrunkener kund geben (Verordnung vom 30. Mai 1783), bald die Quacksalberei verbieten (Verordnung vom 15. Jan. 1784), bald im allgemeinen über die Maßregeln, um sich gesund zu erhalten, belehren (Ausschreiben vom 29. Mai 1784), dann auch wieder den Gebrauch von zinnernen und kupfernen Maßgefäßen untersagen (Verordnung vom 13. April 1784) oder eine allgemeine Fleischbeschau einführen (Verordnung vom 29. Aug. 1786). Gerade um die Zeit der Einweihung der [554] Universität wurde F. K. J. in das Getriebe der großen Politik gezogen, und eine bedeutende Wirksamkeit schien ihm auf diesem Gebiete bestimmt. Unmittelbar vor dem Untergang der mainzischen Kurfürstenwürde, deren Inhaber dereinst den mächtigsten Einfluß im deutschen Reich geübt hatte, konnte man einen Augenblick sich dem Traume hingeben, als sollte derselben im Gegentheil wieder ihr alter Glanz verliehen werden. Damals hatte die geringe Rücksicht, die Kaiser Joseph II. gegen die Reichsverfassung bewies, heftige Erbitterung und Besorgniß sowol bei den geistlichen wie bei den kleineren weltlichen Fürsten Deutschlands erregt. Namentlich die letzteren, einzeln sich allzu unmächtig wissend, dachten auf eine Verbindung zum gegenseitigen Schutz, und im Winter 1784 auf 85 kam einer von ihnen, Karl August von Sachsen-Weimar, nach Mainz, um zu erfahren, ob sie im Falle ihrer Einigung auch auf den Zutritt geistlicher Souveräne zu rechnen hätten. Bei der Besprechung mit dem Erzbischof ergaben sich in der That Berührungspunkte genug, sodaß eine abermalige Zusammenkunft für das folgende Frühjahr verabredet wurde. Als aber diese Statt fand, war die Lage wesentlich verändert. Preußen war an die Spitze einer gegen die Uebergriffe des Kaisers gerichteten Union getreten, und als preußischer Vertrauensmann erschien der Herzog von Weimar in Mainz. In einem solchen Bunde hatten geistliche Stände nicht auf eine maßgebende Rolle zu rechnen, allein der Kurfürst legte doch Werth darauf, daß ihn mächtige Herrscher als gleichberechtigten Genossen anerkannten, und nach einigen Monaten der Unterhandlung unterzeichnete er am 18. Octbr. 1785 den Anschluß. Wirklich gewann es alsdann eine Zeit lang den Anschein, als werde Kurmainz eine leitende Stellung unter den Verbündeten erlangen. Als in den J. 1787 und 88 Pläne gefaßt wurden, der Union eine regelmäßige Einwirkung auf die deutschen Angelegenheiten zu verschaffen, da war Mainz als Sitz eines ständigen Congresses in Aussicht genommen. Besondere Vertreter der Fürsten oder auch die Gesandten derselben am kurfürstlichen Hofe sollten zu Berathungen zusammentreten, um den lahmen Geschäftsgang im Reich zu beschleunigen, namentlich Gesetzgebung und Rechtspflege zu fördern und zu verbessern. Allein das ganze Project lag nur den schwächeren Fürsten wahrhaft am Herzen, und ihre Interessen waren bei der Gestalt, welche die Union nun einmal angenommen hatte, nicht die maßgebenden. So wurden zuletzt doch alle höher gespannten Erwartungen getäuscht, und der Fürstenbund hatte im Grunde für Mainz ganz andere Ergebnisse als die erwarteten. So war es besonders eine Wirkung desselben, daß dem Kurfürsten noch bei Lebzeiten ein Nachfolger gewählt wurde. Die preußische Politik, die den mainzischen Staat für die Union gewonnen hatte, wollte denselben auch dabei festhalten, und durch geschickte Unterhändler erreichte sie es, daß am 5. Juni 1787 Karl Theodor v. Dalberg zum Coadjutor mit dem Rechte der Succession ernannt ward. In denselben Jahren, in denen diese politischen Vorgänge erfolgten und von ihnen beeinflußt, spielten sich Friedrich Karl Josephs Streitigkeiten mit der römischen Curie ab. Gegen die Errichtung einer neuen Nuntiatur hatten die deutschen Erzbischöfe theils beim Papst, theils beim Kaiser Vorstellungen erhoben, und die rheinischen waren dann am 25. Aug. 1786 über eine rechtliche Ausführung gegen die Ansprüche der Curie, die Emser Punctation, übereingekommen. Allein, worauf dieselben hofften, die Unterstützung ihrer Vereinbarung durch den Kaiser unterblieb. Da wurde wenigstens für Mainz die Coadjutorwahl ein Anlaß, durch die preußische Diplomatie mit Rom Unterhandlungen zu eröffnen, und in diesen wurde festgesetzt, daß der Kurfürst seine Opposition wolle fallen lassen, der Papst aber seine früheren Befugnisse innerhalb des Erzbisthums nicht ausdehnen werde. Diese Basis für eine Verständigung wünschte Kurmainz durch nähere Abrede präcisirt, allein in Rom wich man [555] weiterer Verhandlung aus. Jetzt näherte sich F. K. J. wieder den anderen Erzbischöfen, von denen er, auf das preußische Bündniß gestützt, seine Sache getrennt hatte. Er wollte die Streitfrage durch den Reichstag zum Austrage bringen lassen, oder wenigstens durch die Drohung mit diesem Vorgehen Rom’s Nachgiebigkeit erzwingen. Jedoch beide Pläne schlugen fehl. Namentlich hielt der Papst in einem Breve an die vier Erzbischöfe vom 14. Novbr. 1789 alle seine Prätensionen aufrecht. Inzwischen blieb auch F. K. J. seinerseits standhaft bei der Haltung, die er eingenommen hatte. Besonders erregte er den Unwillen der päpstlichen Partei, als er am 18. Juli 1789 eine Diöcesansynode ausschrieb, nachdem seit 180 Jahren in Deutschland keine solche mehr gehalten worden war, und als ihren Zweck verkündigte, „die Glaubenseinheit zu erhalten, die Kirchendisciplin zu stärken, vernachlässigte Satzungen zu bekräftigen, dagegen die Strenge früherer Vorschriften, wo dieselbe überflüssig geworden, zu mildern“. Noch größeres Aufsehen mußten die sofort beginnenden Vorarbeiten hervorrufen. Von Mitgliedern des Vicariats und der Universität wurden weitgehende Reformen vorgeschlagen, einschneidende Veränderungen der Liturgie und der Cerimonien, ja Beschränkung des Cölibats, Verminderung der Ehehindernisse empfohlen. Auf die äußeren Werke sollte weniger Gewicht gelegt, die Frömmigkeit des Herzens sollte gehoben, die öffentliche Moral verbessert worden. Die Synode selbst wurde dann aber von Jahr zu Jahr verschoben. Jedoch aufgegeben war sie auch im J. 1792 noch nicht, nachdem in anderer Hinsicht der Kurfürst sich wieder auf einen freundlicheren Fuß mit dem römischen Hof gesetzt hatte. Die spätere Regierung Friedrich Karl Josephs steht theils unter dem moralischen Eindruck, theils unter der directen Einwirkung der Ereignisse, die im Zusammenhang mit der französischen Revolution eintraten. 1790 leistete er dem Bischof von Lüttich gegen die aufständischen Unterthanen militärische Hülfe und trug in seinem Eifer, obrigkeitliche Gewalt zu vertheidigen, keine Scheu, durch diese Maßregel sich mit Preußens Politik in Widerspruch zu setzen. Die Mainzer Truppen erfochten freilich keine Siege, und ihre Abwesenheit aus der Heimath hatte die leidige Folge, daß Streitigkeiten, die zwischen den Mainzer Studenten und den Handwerksgesellen ausbrachen, zu ernstlichen Ruhestörungen ausarten konnten. Der Bewegung in Frankreich selbst folgte der Kurfürst von Anfang an mit der größten Aufmerksamkeit. Die Verletzungen, welche deutsche Fürsten und Bischöfe durch die neuen Gesetze erfuhren, denuncirte er mit nachdrücklichstem Ernste beim Reichstag, beim Kaiser, beim Papste und drang auf eine energische Bekämpfung. Die Emigranten nahm er auf das Zuvorkommendste auf, veranstaltete glänzende Festlichkeiten ihnen zu Ehren, räumte ihnen Wohnungen ein und unterstützte sie und ihre Pläne nach Kräften. Endlich nach dem Tode Kaiser Leopolds erklärten die Franzosen Oesterreich den Krieg. F. K. J. suchte jetzt die Wahl des neuen Kaisers zu beschleunigen, krönte am 14. Juli 1792 Franz II. und bat es sich aus, daß die geplante Begegnung desselben mit dem König von Preußen in Mainz Statt finde. Am 19. Juli trafen beide Monarchen in der kurfürstlichen Residenz ein, verweilten bis zum 22., um, während ihre Minister gemeinschaftlich über den bevorstehenden Krieg Berathungen pflogen, die von ihrem hochbeglückten Gastfreund in reicher Abwechselung gebotenen Lustbarkeiten zu genießen. F. K. F.[WS 1] wollte auch mit seinen Truppen die Unternehmung gegen Frankreich unterstützen. Er stellte 2000 Mann zum Heer; aber dieselben wurden bei Speier am 30. Sept. gänzlich geschlagen, sodaß die ganze Gegend bis nach Mainz hin ungeschützt vor den siegreichen Franzosen da lag. Auf die Schreckensnachricht kam der Kurfürst von Aschaffenburg, wo er verweilte, am 3. Octbr. nach Mainz, um schon am folgenden Tag flüchtig die Stadt zu verlassen und auf Umwegen nach Würzburg sich zurückzuziehen. Nach der Uebergabe [556] von Mainz nahm er seinen Aufenthalt in Heiligenstadt, später in Erfurt. Bei der Nachricht von den Fortschritten der preußischen Armee näherte er sich wieder seiner Residenz und war während der Belagerung der Stadt meist in Aschaffenburg. Erst längere Zeit nach der Uebergabe erschien er im September 1793 auf einige Tage in Mainz; dann kam er im October wieder und blieb bis zum neuen Jahr. 1794 war er nur wenige Tage während des Monat Juni in der Stadt; er verließ sie am 12. Juni, um sie nicht wieder zu betreten. Ob Mainz und das ganze links rheinische Gebiet dem Kurfürstenthum zu erhalten sei, darum freilich drehte sich auch noch die folgenden Jahre seine Politik, und daß sie von diesem Gesichtspunkt ausschließlich bestimmt ward, das dürfte der einzige gerechte Vorwurf sein, den man ihr machen kann. Denn wenn dieselbe auch überdies eine unsichere und schwankende genannt werden muß, so ist es begreiflich, daß der Ohnmächtige, dem durch den Zusammenstoß überlegener Gewalten der Untergang droht, auf allen Seiten nach einem Halt und einer Stütze ausschaut. So sehen wir denn Anfangs 1794 Kurmainz mit seinen Nachbarn auf eine Volksbewaffnung denken, gleichzeitig aber in Uebereinstimmung mit Oesterreichs Wünschen sich über die Occupation der Festung durch preußische Truppen beschweren. Am Ende des Jahres stellt es beim Reichstage den Antrag auf Verhandlungen mit Frankreich auf der Grundlage der Integrität des Reichs, nach dem Basler Frieden zeigte es sich einer vorläufigen Neutralität und einer definitiven Auseinandersetzung mit Frankreich nach Maßgabe des Besitzstandes geneigt, mußte dann aber Ende 1797 nach dem Abzug der Oesterreicher die uneroberte Stadt Mainz dem Feinde räumen. Auf dem Rastatter Congreß war auch von Seiten des mainzischen Gesandten die Haltung gegenüber den Franzosen eine schwächliche. Nach dem Ausbruch des Krieges von 1799 schloß der Kurfürst einen Subsidienvertrag mit England, ließ mit Nachdruck seine rechtsrheinischen Gebiete vertheidigen, konnte aber doch die Occupation seines Territoriums nicht hindern, sodaß er Aschaffenburg, das jetzt seine ständige Residenz in sichern Zeiten war, verlassen mußte. Der Friede besiegelte den Verlust des linken Rheinufers; auch die bischöflichen Rechte, die er dort ausübte, wurden F. K. J. durch das französische Concordat entzogen. Kurz darauf starb er, am 25. Juli 1802, zu Aschaffenburg nach kurzem Krankenlager und wurde daselbst in der Kirche des Collegiatstiftes St. Peter und Alexander beigesetzt. Ein Denkmal, das Karl Theodor v. Dalberg anfangen, Maximilian Joseph von Baiern vollenden ließ, und dessen Inschrift der Historiker Nikolaus Vogt verfaßt hat, ziert sein Grab. F. K. J. war weder an Fähigkeiten, noch an Thatkraft ein so hervorragender Regent, wie ihn die unvergleichlich schwierigen Zeitverhältnisse gefordert hätten. Aber selbst unter gewöhnlichen Umständen würde er seiner ganzen Anlage nach Ruhm bei der Nachwelt schwerlich davongetragen haben. Zwar kann ihm Klugheit, leichte Auffassung nicht abgesprochen werden, und seiner Stellung blieb er sich stets bewußt und hielt seine Würde aufrecht; allein auch in den Jahren der Kraft ließ er nachhaltigen Fleiß und Eifer in den Geschäften vermissen. Selbstliebe und übertriebene Freude am äußeren Glanz, die ihn zum Verschwender des Staatsgutes machten, können ihm mit Recht zum Vorwurf dienen. Nach dem Lobe der Besseren begierig, besaß er nicht die Entsagung, es zu verdienen, und wurde der Schmeichelei zugänglich. Von der eigenen Begabung und Einsicht allzu sehr überzeugt, gewann um so sicherer fremder Einfluß Gewalt über ihn. So erhebt sich F. K. J., obgleich weder Laster, noch auffallende Schwächen seinen Charakter entstellen, dennoch nicht um ein bedeutendes über den Durchschnitt der deutschen Fürsten seines Jahrhunderts.

[557] Fliedner, Gedächtnißrede auf Friedrich Karl Joseph, Kurfürsten von Mainz und seine merkwürdige Regierung, Frankf. 1802. Klein, im Mainzer Wochenblatt 1870, Nr. 129–134. Stramberg, Rheinischer Antiquarius II. 10, 497–585. N. Müller, Die sieben letzten Kurfürsten. Vogt, Rheinische Geschichten und Sagen IV. 214–298. Werner, Der Dom von Mainz III. 230–520. Kopp, Die katholische Kirche im 19. Jahrhundert. Mejer, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage I. Außerdem die allgemeinen geschichtlichen Werke über das Ende des 18. Jahrhunderts, besonders Ranke, Die deutschen Mächte und der Fürstenbund, und die verschiedenen Quellenschriften von Vivenot.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. muss heißen F. K. J.