ADB:Fuß, Michael

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Artikel „Fuß, Michael“ von Friedrich Schuller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 217–220, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fu%C3%9F,_Michael&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 05:51 Uhr UTC)
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Band 49 (1904), S. 217–220 (Quelle).
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Fuß: Michael F., am 5. October 1816 in Hermannstadt geboren, starb als Pfarrer von Großscheuern bei Hermannstadt und Superintendentialvicar der ev. siebenbürgisch-sächsischen Landeskirche am 17. April 1883. Seine erste Ausbildung wurde ihm an dem damals zehnclassigen Gymnasium seiner Vaterstadt zu Theil, das er 1832 absolvirte. Um sich dem Studium der Theologie und des Lehramtes zu widmen, ging er hierauf, da der Besuch einer außerösterreichischen deutschen Universität sehr erschwert war, an die protestantisch-theologische Facultät nach Wien. Neben dem Besuche derselben, die übrigens nur geringe wissenschaftliche Förderung bot, betrieb er gründliche philosophische Studien und fand reiche Anregung in den großartigen Sammlungen, in der Hofbibliothek, in dem Theater und in dem Leben der Kaiserstadt überhaupt. Daß er sich schon in Wien mit naturwissenschaftlichen Studien befaßt habe, läßt sich nicht beweisen.

Im J. 1834 kehrte er wieder in die Heimath zurück und übernahm bald darauf die Rectorstelle an der Volksschule in Großscheuern, wo sein Vater seit 1830 als Pfarrer wirkte. Am 17. December 1837 wurde er in die erledigte letzte Lehrerstelle des Hermannstädter ev. Gymnasiums berufen. Seine gründliche philologische Bildung befähigte ihn, tiefgehendsten Einfluß auf seine, mit besonderer Zuneigung an ihm hängenden Schüler zu nehmen. In dem Fache der Naturgeschichte überragte er bald alle seine Collegen. Aber auch auf dem Gebiete der Mathematik und Physik war er bewandert. Von den theologischen Gebieten war ihm keines fremd. Seine Dissertation (1837), die damals an die Stelle der Candidatenprüfung trat, und „De Jacobo atque ejus epistola“ handelte, entspricht den Anforderungen an die wissenschaftlichen Ergebnisse jener Zeit.

[218] Bestimmtere Ziele und erfolgreiche Förderung erhielten seine schon als Gymnasiast nur dilettantisch betriebenen botanischen Studien durch seinen jüngeren Bruder Karl (s. A. D. B. VIII, 254), der 1837 von der Berliner Universität zurückkehrte, wo er bei Professor Kunth eingehendere botanische Studien getrieben hatte. Während seiner Lehrthätigkeit schrieb er für den Unterricht in der Naturgeschichte ein „Lehrbuch der Naturgeschichte“ als Leitfaden bei Vorlesungen an Gymnasien (2. Heft: Botanik, 3. Heft: Zoologie. Hermannstadt 1840 u. 1845). In diesen Jahren hat sich F. auch auf dem Gebiete der schönen Litteratur bewegt, indem er zwei vaterländische Sagen für die „Transsylvania“, das Beiblatt zum „Siebenbürger Boten“ bearbeitete; es sind diese: „Das Bienenmädchen, eine Holzmenger Volkssage“ und „Iliana, eine Volkssage aus dem Zoodtthale“.

Von da an hat sich F. immer ausschließlicher seinen botanischen Studien zugewendet. In seinem „Verzeichniß derjenigen Pflanzen, welche entweder ausschließlich oder doch hauptsächlich in Siebenbürgen angetroffen werden, nebst Angabe ihres Fundortes und der wichtigsten Synonymen“ (Archiv für siebenbürgische Landeskunde II. 1845) gab er eine Uebersicht des bisher Erreichten und damit die Ausgangspunkte für weitere Ziele. Demselben Zwecke diente die nächste Arbeit Fuß’ „Alphabetische Zusammenstellung der sächsischen, walachischen und deutschen Trivialnamen in Siebenbürgen wildwachsender oder allgemein cultivirter Pflanzen“ (Ebenda III. 1847). Als scharfblickender Forscher zeigt sich F. auch in zahlreichen kleineren Arbeiten z. B. in seinem Aufsatze: „Ueber eine neue Hepatica“ ( H. Transsilvanica Fuss in den Verhdl. u. Mitth. d. siebenb. Vereins f. Naturwiss. I.), „Zur Cryptogamenflora Siebenbürgens“ (ebenda IV. VIII. XVI) und in seinen „Notizen zur Flora Siebenbürgens über die 1851 in der botanischen Zeitung veröffentlichten Species“ (Arch. f. siebenb. Lkde, N. F. I), ferner in seinen Aufsätzen: „Zur Flora Siebenbürgens“ (Verhdlgn. d. siebenb. Ver. f. Naturw. V [1854], VI [1855], VIII [1857]). In seinem „Bericht über den Stand der Kenntniß der Phanerogamen-Flora Siebenbürgens mit dem Schluß des Jahres 1853“ (Programm d. Gymnasiums A. C. zu Hermannstadt 1854) gewährt F. eine Zusammenstellung des damaligen botanischen Besitzstandes auf dem genannten Gebiet. Um diese Zeit (1853) war es, wo der in Hermannstadt lebende Dr. Ferdinand Schur auf Vorschlag und Empfehlung des siebenb. Vereins für Naturwissenschaften vom Gouverneur von Siebenbürgen Fürst Schwarzenberg mit der botanischen Erforschung Siebenbürgens betraut wurde. Aus dem Berichte, den Schur über seine botanische Rundreise an die Statthalterei erstattete, machte F. im Auftrage des Statthaltereipräsidiums einen Auszug, der in den Verhandlungen d. siebenb. Vereins f. Naturw. veröffentlicht wurde (X: Dr. Schur’s Bemerkungen dazu ebd. XIII. XIV).

Wiewol F. zahlreiche, auch längere wissenschaftliche Reisen und Excursionen gemacht hat, ist von ihm nur eine von diesen beschrieben worden, und zwar in seinem „Bericht über eine Reise in die nordöstlichen Karpathen Siebenbürgens“ (Verhdlgn. d. siebenb. Ver. f. Naturw. V. 1854).

Wie heimisch F. auch auf dem Gebiete der Kryptogamen war, zeigt seine Anzeige über das Werk Heuffler’s über die Kryptogamen des Arpaschthales (Specimen florae cryptogamae vallis Arpasch Carpatae Transsilvani etc., angez. von M. Fuß in den Verh. d. s. V. f. Ntw. V. 1854), sowie Aufsätze „Zur Krytogamenflora Siebenbürgens (ebenda IV. 1853; VIII. 1857) und seine „Systematische Aufzählung der in Siebenbürgen angegebenen Kryptogamen“ (Arch. f. siebenb. Lkde. N. F. XIV). Gleichzeitig mit dem vierten Bande von J. Chr. Gottl. Baumgarten’s „Enumeratio stirpium“ erschien von [219] F.: „J. C. G. Baumgarten Enumerationis stirpium Transsilvaniae indigenarum mantissa I“, Cibinii 1846 und „Indices ad J. C. G. Baumgarteni enumerationem stirpium Transsilvanicarum“. Diese botanischen Arbeiten erlitten aber auch dann keine Unterbrechung, als F., der 1854 zum Conrector am Gymnasium ernannt worden war, zum Pfarrer der ev. Gemeinde in Gierelsau gewählt wurde (30. Mai 1861). Von 1862 an hat F. in keiner der Landeskirchenversammlungen der ev. Landeskirche Siebenbürgens gefehlt, seit 1865 wurde er auch in das Landesconsistorium berufen. Drei Mal nacheinander (1870, 1874, 1880) wählte ihn seine Landeskirche zum Superintendentialvicar. Von dem Landesconsistorium wurde er wiederholt zur Visitation einzelner Gymnasien entsendet, an andern hat er Jahre hindurch im Auftrage der genannten Oberbehörde als Commissär bei den Maturitätsprüfungen gewirkt. Nachdem F. 17 Jahre hindurch als Pfarrer in Gierelsau unermüdlich thätig gewesen, kam er im October 1878 in derselben Eigenschaft in seine Heimathsgemeinde Großscheuern, wo er bis an sein Lebensende blieb.

In diese Zeit, die F. auf dem Lande zugebracht hat, fällt von seinen wissenschaftlichen Arbeiten vor allem: „Flora Transsilvaniae excursoria. Munificentia societatis pro illustranda Transsilvaniae cognitione et excellentissimi domini archiepiscopi D. Ludovici Haynald edidit societas naturae curiosorum Transsilvanica Cibiniensis“, Cibinii 1866. Der Verein für siebenbürgische Landeskunde hatte schon im J. 1847 eine „Flora excursoria Transsilvaniae“ unter seine Preisaufgaben aufgenommen. F. selbst hatte bis 1862 drei Mal diese zu schreiben begonnen, immer wieder war er der großen Schwierigkeiten wegen, die sich ihm entgegenstellten, davon abgegangen. Namentlich dem Drängen des römisch-katholischen Bischofs Haynald ist es gelungen, F. dazu zu bringen, daß er nochmals an die Arbeit ging und dies Mal mit dem glänzendsten Erfolge. Im Sommer 1866 war das Werk, das beste, auch heute noch nicht übertroffene über die Flora Siebenbürgens, fertig. F. hat in dieser Arbeit glücklich die Aufgabe gelöst, die er sich gesetzt, er hat ein auch für den Gebrauch handliches Buch geschaffen, das, kritisch gesichtet, alles umfaßt, was die botanische Forschung bis 1865 zu Tage gefördert. Das Buch enthält 3408 Arten Phanerogamen und 89 Gefäß-Kryptogamen; die meisten von diesen hat F. selbst gesammelt oder doch in der Hand gehabt. Ein genauer Index der Arten und Synonymen erhöht die Brauchbarkeit des Werkes.

F. war schon frühzeitig zur Ansicht gelangt: „daß es nur dann möglich sein werde eine auf Vollständigkeit und wissenschaftliche Kritik Anspruch machende Flora von Siebenbürgen zu schreiben, wenn erst die Pflanzenschätze des Landes selbst gesammelt und ausgebeutet wären, und zwar gesammelt nicht nur in den Händen Privater, wo ihr trauriges Schicksal bleibe, mit ptinus und anobium unliebsame Bekanntschaften zu machen, sondern aufgestellt in öffentlichen, wissenschaftlichen Instituten, wo sie jedem zur Benutzung zugänglich wären, der Eifer und Lust und wissenschaftlichen Beruf in sich fühle“ (Verhdlgn. d. Ver. f. Naturw. XIII. 1862, S. 189). Deshalb hatte F. in einer Versammlung des Vereins für Naturwissenschaften die Herausgabe eines „Herbarium normale Transsilvanicum“ angeregt, welches die siebenbürgischen Pflanzenarten zusammentragen sollte. Nach der Beendigung und Herausgabe der „Flora excursoria“ beschäftigte sich nun F. thatsächlich mit der Zusammenstellung der Centurien des Normal-Herbars. Sechs Centurien waren schon zur Ausgabe gelangt und weitere fünf Centurien zusammengestellt, als ein Brand in seinem Arbeitszimmer diese und die großen Doubletten-Vorräthe [220] getrockneter Pflanzen zu Grunde richtete. Die unterbrochene Arbeit ist von F. nicht wieder aufgenommen worden.

Niemand von seinen siebenbürgischen Zeitgenossen hat zur Förderung botanischer Kenntnisse überhaupt und der speciellen Botanik Siebenbürgens insbesondere hier so viel beigetragen als F., und so hat die Wissenschaft nur einen Act der Dankbarkeit erfüllt, wenn sie seinen Namen in der Blumenschrift verewigte (Tephroseris Fussii, Grisebach und Schenk; Crepis Fussii, Kovacs; Anthemis tinctoria, variatio Fussii, Grisebach und Schenk; Erysimum Fussianum, Schur; Hieracium Fussianum, Schur). Seinen Namen tragen auch jene Arten und Varietäten, die sein scharfer Blick als solche gekennzeichnet hat.

Seine, trotz des erwähnten Zimmerbrandes noch immer reiche Pflanzensammlung, ebenso seine botanische Bibliothek ist seinem Willen gemäß an den naturwissenschaftlichen Verein in Hermannstadt übergegangen. Ein Herbarium, 9978 Arten umfassend, hatte in den Jahren von 1878–1880 das ev. Gymnasium daselbst von ihm erworben. F. ist im eifrigen Tauschverkehr mit Fachgenossen des In- und Auslandes gestanden, und gehörte als Mitglied der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien und als Ehrenmitglied der Pollichia (naturhist. Verein für die bairische Rheinpfalz) an. In dem Verein für sieb. Landeskunde und in dem sieb. Verein für Naturwissenschaften ist er Jahrzehnte hindurch als Ausschußmitglied hervorragend thätig gewesen.

Vgl. Denkrede auf Michael Fuß von G. D. Teutsch im Arch. f. sieb. Landeskunde, N. F. XIX (1884), S. 506. – Trausch-Schuller, Schriftstellerlexikon der Siebenbürger Deutschen, I. III. IV.