Zum Inhalt springen

ADB:Gail, Wilhelm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gail, Wilhelm“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 237–239, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gail,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 18:23 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 49 (1904), S. 237–239 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Wilhelm Gail in der Wikipedia
Wilhelm Gail in Wikidata
GND-Nummer 116419016
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|49|237|239|Gail, Wilhelm|Hyacinth Holland|ADB:Gail, Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116419016}}    

Gail: Wilhelm G., Architektur- und Genremaler, herzogl. Leuchtenberg’scher Cabinetsrath, geboren am 7. März 1804 zu München, † ebendaselbst am 26. Februar 1890. Durchlief das Gymnasium, hospitirte nach dem Wunsche seines Vaters, eines kurfürstl. Galerieaufsehers, die Architekturabtheilung an der Münchener Kunstakademie, bald aber führte ihn seine Neigung in die Malerschule dieser Anstalt, worauf er später im Atelier seines Schwagers Peter v. Heß weiteren Unterricht genoß. Hier übte er sich in der Verbindung der Landschaft mit dem Thierleben und dem entsprechenden Culturtreiben der Gebirgsbewohner. Nach so gründlicher, vielseitiger Vorbereitung kam ihm sehr erwünscht die Einladung des königl. bair. Geschäftsträgers am sardinischen Hofe Baron v. Malzen zu einer Reise nach Italien (1825). G. fertigte eine Anzahl von Aufnahmen, wovon 13 Blätter als „Monuments romains dans les états de Sardaigne“ durch Malzen in Lithographie erschienen, welchen G. noch weitere „Scènes populaires de Genova“ folgen ließ. Von Turin ging unser Maler nach Rom und Neapel, besuchte Amalfi, Pompeji, Sorrent, Puzzola, Ischia, Procida, Capri und Pästum. Nach seiner Rückkehr verarbeitete er seine Erinnerungen theils zu trefflichen, damals großes Aufsehen erregenden Architekturbildern (darunter der Titusbogen – vgl. Kunstblatt [238] 1826, S. 219 –; antike Wasserleitung in der Campagna; Klosterhof in Viterbo, 1827), theils zu interessanten Genrestücken (der eingefangene Straßenräuber; italienisches Fuhrwerk; Zimmer eines Chirurgen in einem Kapuzinerkloster zu Rom; Rückkehr neapolitanischer Schiffer, 1828; ein öffentlicher Schreiber, 1829; Marktplatz in Viterbo, 1830). Auch sammelte er allerlei Straßen- und Volksscenen mit Charakterfiguren, Brunnen und Thoren in 30 lithographirten Blättern (1829), welche große Anziehungskraft ausübten und ein dankbares Publicum fanden (Kunstblatt 1829, S. 199).

Im J. 1830 besuchte G. Frankreich, doch vertrieb ihn die Juli-Revolution bald aus Paris nach Chartres (daher seine mit betenden Nonnen staffirte Klostercapelle) und in die Normandie. Das nächste Jahr führte ihn nach Verona (Tomba di Romeo e Julietta) und Venedig, wo er aus dem Dogenpalast, der Marcuskirche, aus dem armenischen Kloster (Neue Pinakotheth prächtige Stoffe für seine originellen Darstellungen schöpfte. Bald darauf war es ihm möglich Spanien, das Land seiner Sehnsucht zu besuchen; die interessanten maurischen Baudenkmale, Moscheen, Kathedralen und Stierkämpfe fesselten ihn in so hohem Grade, daß er trotz seiner kargen Mittel ein volles Jahr in Granada, Sevilla und Cordova, eifrigst mit Studienmalen beschäftigt, zubrachte. Dabei kamen ihm seine früheren jedenfalls sehr gründlichen Kenntnisse in Construction und Perspective sehr zu statten. Viele seiner nachmals so gesuchten und epochemachenden Bilder muß G. mit eisernem Fleiß an Ort und Stelle gleich fertig gemacht haben, da im Laufe des Jahres 1834 fünf in Zeichnung und Stimmung sehr durchgebildete Werke im Münchener Kunstverein erschienen. Vorerst der berühmt gewordene „Löwenhof in der Alhambra“ (Kunstblatt 1834, S. 235), dann der „Erker der Lindaraja aus der Alhambra, mit der Aussicht auf Granada“, das „Innere einer maurischen Moschee in Cordova“, die „St. Jago-Kapelle aus der Kathedrale von Toledo“ und der „Kapellenhof aus der Alhambra“. Im nächsten Jahre brachte G. eine Ansicht des 1810 von den Franzosen gestürmten und von den Guerillas unter Anführung der Mönche vertheidigten „Klosters San Juan de los Reyos in Toledo“ (Kunstblatt 1835, S. 191). Im J. 1836 entstanden „Das Innere eines Hauses in Taragona“, ein „Klostergang einer spanischen Kirche“, „S. Buenaventura auf Menorca“ und eine „Seitenkapelle in Cordova“. Einen mehr novellenhaften und culturhistorischen Ton schlugen seine „Erinnerungen aus Spanien“ an (München 1837), frische aus dem Volksleben auf Stein gezeichnete und durch Auszüge aus seinen Tagebüchern auch textlich erläuterte Skizzen und Veduten, in denen allerlei Straßenscenen, insbesondere auch der spanische Stierkampf recht anschaulich gemacht wurden. Sie können buchstäblich als Illustrationen des Sprichwortes, daß das Geld auf der Straße liege, dienen. Dieses unmittelbare Hineingreifen, Erfassen und Wiedergeben des vollen Volkslebens machte seine Schilderungen so populär und beliebt. Auch Gail’s kleine, ähnliche Stoffe behandelnden Radirungen waren willkommen und neu. In den trefflichen Oelbildern des nächsten Jahres, womit G. oft ganz dem Vorbilde seines Lehrmeisters Peter v. Heß folgte, überwogen diese spanischen Erinnerungen. Später machten sich dann wieder Reminiscenzen aus Italien geltend, z. B. ein Wohngebäude aus Perugia (1841), Amalfi, Verona (Scaliger-Gräber); damit wechselte allerlei Architektonisches aus Arles, Marseille oder Subiaco mit einer Ansicht des Bergschlosses Hohenschwangau oder verschiedenen dorfgeschichtlichen Idyllen, insbesondere aus dem lieblichen Schliersee, wo G. gerne in Sommerfrische weilte. Dabei reifte auch der Plan zur Restauration der dortigen altehrwürdigen S. Georgencapelle, wodurch G. den Dank der Gemeinde errang. Im J. 1846 fertigte [239] G. die Pläne zu einem böhmischen Nationaldenkmal, welches Hr. Veith in Liboch bei Prag, seltsamer Weise im spanisch-maurischen Stile erbauen wollte, wofür L. Schwanthaler an 25 Statuen berühmter Patrioten, wie Libussa, Ottokar, Elisabeth, Hus, Ziska, Podiebrad modellirte, die Ferd. Miller in Erz gießen sollte (vgl. Kunstblatt 1846, S. 140).

Derselbe ausdauernde Fleiß und die Treue, welche er an der Durchbildung seiner Gemälde bewährte, trat auch bei anderen, sehr verschiedenen Obliegenheiten hervor. So in seiner gewiß nie als Sinecure betrachteten Stellung als Vertrauensmann im Cabinet des Herzogs von Leuchtenberg oder als strammer Commandant des 1848 gebildeten Künstler-Freicorps, welches der mit militärischer Grandezza begabte Führer energisch zusammenhielt und dirigirte. Dann kehrte er rechtzeitig wieder zur geliebten Kunst zurück, begütigte die durch Exercitien und flotte Paraden zurückgesetzten Musen mit einer Reihe von farbenfrischen, auf italischem Boden spielenden Aquarellen, worauf abermals Oelbilder aus spanischen Locanden in der Sierra Morena, catalonische Kloster-Interieurs mit dem Lütticher Justizpalast (Eggers’ Kunstblatt 1854, S. 320) oder einer mittelalterlichen Rüstkammer und Zeughaushallen wechselten. Auch eigentliche Genrestücke, wie eine „Singprobe“, „Ruhe nach der Jagd“, gelangen, die Darstellung seines ländlichen Malerateliers, oder das Innere der Nonnberg-Kirche in Salzburg und ein Interieur aus dem Frauendom in München (1867). Das Publicum, welches einen „echten Gail“ in diesen ungewohnten Erzeugnissen nicht erkennen wollte, verlangte die Rückkehr des Malers zu dem seither gewohnten Repertoire, fühlte sich aber gelangweilt, als die Motive mit den „neapolitanischen Fischern“ und dem „Löwenhof“ nebst den spanischen Stierkämpfen ohne die frühere Frische und Originalität wieder erschienen. Im März 1874 veranstaltete G. eine Collectivausstellung seiner besten Werke; damit contrastirten aber seine bald darauf erscheinenden neuesten Bilder, welche von der Kritik abgelehnt wurden, worauf G., welcher der neueren Kunstrichtung alle möglichen Concessionen erwiesen hatte, verstimmt sich zurückzog. Was er früher in langer, unentwegter Thätigkeit geleistet hatte, genügt weitaus, um seinen Namen in ehrenvollem Andenken zu erhalten. Bilder aus seiner besten Zeit finden sich in allen Galerien und Sammlungen. – Im J. 1854 wurde G. zum Generalbevollmächtigten und bald darauf zum Cabinetsrath des Herzogs Nikolaus von Leuchtenberg ernannt; 1868 erhielt er den russischen St. Annenorden III. Classe. Zum 80. Geburtstag ehrten ihn der Magistrat und die Gemeindebevollmächtigten Münchens durch Ueberreichung einer Adresse.

Vgl. Nagler 1837. IV, 554. – Kunstblatt. Stuttg. 1827, S. 210; 1835, S. 179, 246, 362; 1836, S. 24; 1838, S. 179; 1839, S. 90; 1844, S. 108, 180 u. s. w. – Bayer. Annalen. 1833, Nr. 149. – Lewald, Panorama von München, 1885. II, 50. – Raczynski II, 429. – Victor Müller, Handbuch von München, 1845. S. 132. – Eggers’ Kunstblatt, 1856. VII,139. – E. Förster, Gesch d. dtsch. Kunst, 1860. V, 214. – Pecht, Gesch. d. Münchener Kunst, 1888, S. 90. – Fr. v. Bötticher, 1895. I, 350. – Singer, 1896. II, 4 – Kunstvereins-Bericht f. 1900, S. 65.