Zum Inhalt springen

ADB:Gail, Andreas von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gail, Andreas von“ von Leonhard Ennen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 307–311, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gail,_Andreas_von&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 23:41 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Gailingen, Eppelein
Band 8 (1878), S. 307–311 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Andreas von Gail in der Wikipedia
Andreas von Gail in Wikidata
GND-Nummer 11884296X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|8|307|311|Gail, Andreas von|Leonhard Ennen|ADB:Gail, Andreas von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11884296X}}    

Gail (Geyl, Gayll): Andreas v. G., Dr. juris, kaiserlicher Rath und später Kanzler des Erzstiftes Köln, geb. 1526 zu Köln und gest. ebendaselbst 1587. Er war ein Sohn des Rathsherrn und reichen Kaufmanns Philipp G. und der Katharina v. Mülheim. Diesem wurde wegen seiner hervorragenden Verdienste um die Förderung der städtischen Interessen und um die Erhaltung des alten katholischen Charakters der Rheinmetropole von Kaiser Karl V. am 15. Aug. 1532 das Wappen und am 12. Mai 1545 der Adel ertheilt. Das Wappen war ein quergetheilter Schild, oben in Gold zwei Rosen und unten in Blau eine rothe Gleve, Lanzenspitze, auf dem Helm zwei Adlerflügel, auf denen der Schild wiederholt ist. Seinen im J. 1526 geborenen Sohn Andreas bestimmte Philipp für die Laufbahn eines praktischen Juristen. Um demselben eine tüchtige humanistische Bildung geben zu lassen, schickte er ihn im Alter von zehn Jahren auf die damals unter dem Rectorate des hochgebildeten Mathias Bredenbach blühende Stiftsschule zu Emmerich. Diese Schule erfreute sich in jener Zeit eines bedeutenden Zulaufes von strebsamen Jünglingen aus der Schweiz, aus Süd- und Norddeutschland, aus Holland und namentlich aus der Reichsstadt Köln. Während der junge Andreas noch in Emmerich weilte, wurde seine Mutter im J. 1540 von der Pest weggerafft, welche in diesem und in dem folgenden Jahre in Köln gar viele Opfer forderte. Sobald Andreas das Gymnasium in Emmerich absolvirt hatte, sah sich der Vater nach einer Universität um, auf welche er seinen Sohn ohne Gefahr für die Reinheit seines Glaubens zur Fortsetzung seiner Studien schicken könne. Die Lehrkräfte der Kölner Universität waren nicht zureichend, um demselben die Ausbildung zu geben, welche er ihm wünschte. Diese Lehranstalt, die im 15. Jahrhundert eine so hervorragende Stellung eingenommen hatte, war durch das Zusammentreffen mannigfacher ungünstiger Umstände so tief gesunken, daß vermögendere Väter es vorzogen, ihre Kinder nach auswärts zur Fortsetzung ihrer Studien zu schicken. Viele wählten Wittenberg, Straßburg und andere lutherische Universitäten. Philipp v. G. aber konnte sich nicht entschließen, seinen Sohn in die Gefahr zu bringen, an seinem katholischen Glauben Schaden zu leiden. Darum wählte er die durch ihre orthodoxe Richtung bei allen Anhängern des alten Glaubens in gutem Rufe stehende Universität Löwen. Hier verweilte G. drei Jahre; am Schluß des J. 1546 kehrte er nach Köln zurück und ließ sich hier am 3. Jan. 1547 in der juristischen Facultät immatrikuliren. Andreas Gaill Coloniensis, sagt die Matrikel zu diesem Tage, ad jura, juravit et solvit. Die höheren Grade beabsichtigte G. an der berühmten französischen Universität zu Orleans zu erwerben. Kaum hatte er hier ein Semester verweilt, als er durch den Tod seines Vaters, der im Frühjahr 1548 noch die Frankfurter Messe besucht hatte, sich zur Rückkehr nach Köln genöthigt sah. Sobald er hier die Erbschaftsangelegenheiten geregelt und sich mit seinen Geschwistern und Schwägern dahin geeinigt hatte, daß sein Bruder Philipp das väterliche Geschäft im Interesse der Familie vorläufig fortführen sollte, begab er sich wieder nach Löwen. Lange hielt er es hier nicht aus; bald kehrte er nach Orleans zurück, wo er in Kurzem bei seinen Landsleuten ein solches Ansehen gewann, daß er zum Procurator der deutschen Nation gewählt wurde. In Folge des Krieges zwischen dem Kaiser Karl V. und dem König Franz I. von Frankreich sah er sich veranlaßt, Orleans zu verlassen und sich zu seiner weiteren Ausbildung auf eine andere Universität zu [308] begeben. Nicht so sehr das Interesse für die Vorlesungen seiner alten Lehrer als die Liebe zu einer jungen, an Geist und Körper hervorleuchtenden Brabanterin zog ihn wieder nach Löwen. Es war dies die Anna Clouver. Bald reichte er derselben am Altare die Hand. Den Doctorgrad in der Jurisprudenz wollte er in Bologna erwerben. Darum reiste er im September 1555 zuerst nach Rom und von da nach Bologna, wo er am 12. December zum Doctor juris promovirt wurde. Bald nach seiner Promotion holte er seine Frau mit seinem Erstgeborenen Andreas in Löwen ab und ließ sich in seiner Vaterstadt nieder, um sich der Advocatur zu widmen. Hier wurde er gleich nach seiner Niederlassung unter die Amtleute des Weiherstraßengerichtes aufgenommen. Der Ruhm, den er sich bald als durchgebildeter, klarer und scharfsichtiger Jurist erwarb, erregte die Aufmerksamkeit des Kurfürsten von Trier, und dieser übertrug ihm die Stelle eines Assessors beim Reichskammergericht zu Speier. Im J. 1566 besuchte er als juristischer Beirath des Trierer Kurfürsten den Reichstag in Augsburg. Bei den hier gepflogenen Verhandlungen that er sich durch seine Kenntnisse, seinen Scharfsinn und sein Rednertalent in solcher Weise hervor, daß der Kaiser Ferdinand I. auf ihn aufmerksam wurde, ihn am 17. April 1567 in seinen Dienst zog und zum Reichshofrath ernannte. Jetzt nahm G. sammt seiner Familie seinen Wohnsitz in Wien. Bei allen Missionen, mit denen ihn der Kaiser auf den deutschen Reichstagen, den böhmischen Landtagen betraute, bei der Krönung des kaiserlichen Erstgeborenen in Preßburg, bei der Geleitung der Braut des französischen Königs Karl IX., der österreichischen Prinzessin Elisabeth, nach Frankreich, bei der Leitung der mit den Belgiern angeknüpften Friedensunterhandlungen in Genf, bei den mit dem Papste angeknüpften Unterhandlungen bezüglich des Herzogs von Etrurien erfüllte er die Erwartungen des Kaisers im vollsten Maße. Besonderen Ruhm erwarb er sich durch die lateinische Rede, welche er in der letztgenannten Angelegenheit zu Rom in Gegenwart von 22 Cardinälen hielt. Zur Anerkennung seines verdienstvollen Wirkens im Dienste des Kaisers wurde er am 24. Januar 1571 zum Referendarius des Reichshofrathes ernannt. In Prag, wohin er sich im Sommer 1575 mit seiner ganzen Familie zum Landtage begeben hatte, wurde ihm seine Frau nach längerer Krankheit durch den Tod entrissen. Sie fand ihre Ruhestätte in der Augustinerkirche zum heil. Thomas neben dem Hochaltar. Im Dienste des Kaisers vergaß G. nie seine Vaterstadt; stets war er gerne bereit, nach Kräften die Interessen derselben zu vertreten. In den Streitigkeiten, welche 1571 zwischen der Stadt und dem Erzbischof wegen des im erzbischöflichen Hofe beabsichtigten Gefängnißbaues entbrannt waren, befürwortete er beim Kaiser die vom Kölner Rathe in einer umfangreichen Denkschrift gestellten Forderungen. In dem kostspieligen Bachproceß zwischen der Stadt Köln und dem Herrn von Harff gab er sich alle Mühe, ein zu Gunsten der Kölner sprechendes Endurtheil herbeizuführen. Im J. 1572 ersuchte er den Kaiser, seinen Einfluß beim Könige von Spanien dahin geltend zu machen, daß derselbe das Edict des Herzogs von Alba, durch welches allen spanischen Unterthanen der Besuch der Kölner Universität verboten wurde, für unwirksam erkläre. Am 24. März ließ ihm der Rath auf der Frankfurter Messe durch seinen Bruder Melchior eine Anerkennung von 25 Goldgulden überreichen. Für die vielen Dienste, welche G. seiner Vaterstadt erzeigt, verehrte ihm der Rath im J. 1576 ein werthvolles Kleinod. „Den Rentmeistern ist befohlen, ein zierlich Trinkgeschirre zu kaufen, damit man den Doctor G. von wegen seiner williglich erzeigten Dienste möchte verehren.“ Durch die unablässige, rastlose Thätigkeit waren Gail’s Kräfte in hohem Grade angegriffen; er hatte eine längere Ruhe und Erholung dringend nothwendig. Zudem fühlte er das Bedürfniß sich in ausgedehnterem Grade, als seine amtliche Stellung ihm dies erlaubte, mit rein wissenschaftlichen [309] Dingen zu beschäftigen. Darum entschloß er sich den Reichsdienst zu verlassen und sich in seine Vaterstadt und in die Stille des Privatlebens zurückzuziehen. Bei seinem Austritt aus dem kaiserlichen Dienste hatte er an rückständigem Sold, Gnadengeld und anderen Gebühren die Summe von 13,437 rheinischen Gulden und 48 Kreuzern von der kaiserlichen Kasse zu fordern. Der Kaiser wies ihn an auf die neue Münsterische Reichshülfe; es erfolgte aber keine Zahlung. Im J. 1601, wo der Kölner Rath den Kaiser bat, die Erben doch nicht länger auf die Berichtigung dieser Schuld warten zu lassen, war der Kaiser seiner Verpflichtung noch nicht nachgekommen. Die ruhige Einsamkeit hinderte G. nicht, sich für seine Häuslichkeit nach einer neuen Schaffnerin und für seine noch lebenden vier Kinder nach einer neuen Mutter umzusehen. Am 14. Januar 1578 führte er die Christina Kannegießer als zweite Frau in sein Haus. Aus dieser Ehe entsprossen noch sieben Kinder. Aus seinem Studium der Kirchenväter und der Beschäftigung mit der Ausarbeitung seiner juristischen Schriften wurde G. für kurze Zeit herausgerissen, als es sich darum handelte, ob das Kölner Erzstift den katholischen Glauben erhalten oder zum Protestantismus herüber gezogen werden sollte. Auf besonderes Ansuchen des Kaisers begab er sich 1582 nach Bonn, um den Erzbischof Gebhard Truchseß zu bestimmen, den Weg, den er eingeschlagen, zu verlassen und sich wieder der katholischen Kirche anzuschließen. Seine Bemühungen waren erfolglos und voller Kummer kehrte er nach Köln zurück. Auch in Streitigkeiten der Stadt Köln mit dem Postmeister Jakob Henot erhielt G. vom Kaiser den Auftrag, neben dem kaiserlichen Rath Grafen Hermann von Manderscheidt einen Schiedsspruch nach Recht und Billigkeit zu fällen. Lange sollte er sich der ihm so nöthigen und liebgewordenen Muße nicht erfreuen. Dem inständigen Drängen des an Gebhard’s Stelle gewählten Erzbischofs Ernst von Baiern gab er nach und übernahm als erzbischöflicher Kanzler die dornenvolle Leitung des Erzstiftes. Als treuer Anhänger der alten katholischen Religion und als entschiedener Vertreter der Römischen Richtung in der Kirche hielt er es für Gewissenssache, für die Rechte des Bischofs einzutreten, der die günstige Entscheidung der höchsten kirchlichen Autorität für sich hatte. Mit seiner vollen Kraft und Energie nahm er sich in dem Streite zwischen Ernst und Gebhard der Sache des ersteren an. Im Herbst des J. 1585 begab er sich nach Köln und trat mit dem Rath über die Art und Weise in Unterhandlung, wie der Anhang Gebhard’s innerhalb der Stadt niedergehalten werden könne. Dem Rath erklärte er alles Ernstes, es würde schwer an der Kölner Bürgerschaft gerächt werden, wenn derselbe nicht Vorkehr treffen wolle, daß jeder offene Feind des rechtmäßigen Erzbischofs aus der Stadt geschafft werde und die bezüglich der Fremden erlassenen Edicte mit aller Strenge gehandhabt und ausgeführt würden. Es wollte ihm aber nicht gelingen, den Rath zu einer anderen Erklärung zu bestimmen, als daß in der Stadt genaue Neutralität solle gehalten und die Fremdenpolizei strenge gehandhabt werden. Eben hatte er bei dem Proceß, in welchem das hohe weltliche Gericht den erzbischöflichen General-Commissar Hieronimus Michiels zum Tode verurtheilt, sich alle Mühe gegeben, die Exekutive des Urtheils zu verhindern, als er vom Schlage gerührt und dadurch genöthigt wurde sein Kanzleramt niederzulegen. Er begab sich in seine Vaterstadt zurück und hier starb er in einem ihm eigenthümlich gehörenden Hause auf der Herzogstraße am 11. December 1587. Er wurde in die Pfarrkirche von St. Brigida, deren Armen er durch eine reiche Stiftung bedacht hatte, beerdigt. Die Inschrift lautet:

D. O. M.

Viator quisquis es, siste gradum, quod scriptum est lege.
Hoc is, cujus causa scriptum, feri rogat. Andreae Gailio Agrippinati Philippi filio juris consulto toto orbe celeberrimo, antiquae virtutis et sapientiae [310] viro, qui exquisitorum in jure civili operum author, supremi sacri Romani imperii tribunalis in camera Spirensi adsessor annos XI. Maximiliani secundi VIII, Rudolphi secundi imperatoris VII consiliarius aulicus et referendarius multis laboribus et difficillimis legationibus Romae politiae conservandae causa, morbisque defatigatus anno salutis MDLXXXVII, die XI Decembris, aetatis LXI vitam excercitam et laboriosam placida tandem et quieta in Christum morte mutavit. Anna Klovvens I. et Christina Kannengiessers II. uxor et haeredes charissimo ac bene merenti conjugi gementes et moerentes posuerunt. MDXC.

Der Rath der Stadt Köln gab seiner hohen Verehrung gegen diesen innerhalb der städtischen Mauern weilenden hervorragenden Rechtsgelehrten dadurch Ausdruck, daß er ihm die Erlaubniß ertheilte, sein in der Bayengasse gelegenes, später unter dem Namen „Zum Pütz’sches Weingut“ bekanntes Haus über die Stadtmauer hinaus zu bauen und sich hierdurch eine herrliche Aussicht auf die Stadt und die andere Rheinseite zu schaffen. Gail’s Porträt befand sich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts im Besitze des Stadtarchivars Dr. Maximilian Ley. Es ist dies unzweifelhaft dasselbe Bild, welches sich jetzt im Besitz der Gebrüder F. und A. Becker in Deutz befindet. Es ist 0,66 Meter hoch und 0,54 breit. Gemalt wurde es von dem Antwerpener Maler Franz Pourbus dem Aelteren, der von 1540–80 lebte. Das Relief in seinem Denkmal im Jesuitendurchgang ist nach einem im J. 1583 aufgenommenen Porträt angefertigt. Der häufiger vorkommende Kupferstich Gail’s ist eine Copie dieses Reliefs. Von Gail’s 17 Kindern waren 5 Söhne und 2 Töchter vor dem Vater gestorben. Johann G., der am 6. April 1555 in Löwen geboren war, sich auch der Jurisprudenz gewidmet, seine Studien in Rom und Bologna gemacht und des Vaters wissenschaftliche Arbeiten in einer Reihe schätzenswerther lateinischer Gedichte verherrlicht hatte, starb am 3. April 1583 in Köln. „Es starb“, schreibt Hermann Weinsberg, „Doctor Gailen Sohn auf der Herzogstraße an der Pest, war auch Doctor juris. ein guter gelehrter Gesell.“

Gelenii Farraginis t. 14 Nr. 681. – Kölner Rathsprotokolle. – Hartzheim, Bibl. Colon. – Weinsberg, Gedenkbuch, Bd. 2.

Gail’s litterarischer Ruhm, der ihm den Namen des „deutschen Papinian“ eintrug, gründet sich auf seine Thätigkeit am Reichskammergericht, deren wissenschaftliche Frucht die „Observationes practicae“ waren, ein Werk, durch welches er neben Joachim Mynsinger von Frundeck zum Mitbegründer der Kameral-Jurisprudenz wurde. Das Werk erschien unter dem Titel „Practicarum observationum tam ad processum judiciarium praesertim imperialis camerae quam causarum decisiones pertinentium libri duo“. Colon. 1578. Fol. Neue Auflagen 1580. 1581. 1586. Nach des Verfassers Tode sind bis zum Schlusse des 17. Jahrh. 9 Ausgaben in Köln und Amsterdam erschienen; dann Köln 1721 mit Zusätzen; endlich in „A. Gailii opera praestantiora cur. G. F. de Buinink“. Colon. 1771. Fol. Auch eine nicht unbedeutende Litteratur hat sich an Gail’s Observationen angeschlossen. Eine deutsche Uebersetzung erschien von Tob. Lancius. Hamburg 1601. 1663. Fol. Bearbeitungen: Cranius, Controversiae camerales ad G. observat. Helmst. 1601. 4°. B. Greven, Practicae conclusiones juris observat. Gailii respondentes. 1611. Fol. G. Antonii v. Freudenberg, Adversaria s. notae in G. observationes. Marb. 1629. 4°. W. S. a. Vorberg, Horologium camerale Gailiorum. Mainz 1649. 12°. E. Fabricius, Repetitiones Gailii. Giss. 1655. Colon. 1662. 1727. 4°. C. O. Tyllius, Annotationes etc. in G. observationes. 1694. Francof. 1713. 4°. Die beiden letztgenannten Schriften finden sich auch in Gailii Opera praestantiora. Die [311] Observationen sind, wie der Name sagt, „Beobachtungen“ der kammergerichtlichen Praxis. Rechtsfragen, welche dem Kammergericht vorgelegen haben, werden erörtert, ihre Entscheidung mitgetheilt und begründet. Von den Mynsinger’schen Observationen, welche schon 14 Jahre früher und seitdem in mehreren Auflagen erschienen waren, unterscheiden sich die Gail’schen theils durch die Anordnung nach Materien (lib. 1 Proceß, lib. 2 Contracte und letztwillige Verfügungen), theils durch die breitere Behandlung, welche sich der herkömmlichen Methode der Italiener mehr anschließt. Als Mynsinger im J. 1584 seine Observationen mit einer sechsten Centurie vermehrt neu herausgab, erkannte er Gail’s Verdienste, namentlich die bessere Ordnung und den „Stilus pinguior“ bereitwillig an, er beschwerte sich jedoch nicht ohne Grund darüber, daß G. das Werk seines Vorgängers, das er mehrfach benutzt habe, gänzlich mit Stillschweigen übergehe; das sei gegen die gute litterarische Sitte. G. erwiderte darauf in der Ausgabe von 1586, daß er Mynsinger nicht benutzt, sondern nur aus gemeinsamer Quelle geschöpft habe; Mynsinger dagegen habe für die sechste Centurie ihn ausgebeutet und nur, um es zu verstecken, sich auf ältere kammergerichtliche Urtheile berufen. Abgesehen von dieser gehässigen Insinuation, welche Mynsinger dem G. wohl mit größerem Recht hätte zurückgeben können, ist die Polemik in durchaus würdigem Tone gehalten; die beiden Gegner überlebten sie nur kurze Zeit. Was sich zwischen sie gestellt und G. bewogen haben mochte Mynsinger’s Werk zu ignoriren, war wol nicht persönliche Rivalität, noch eine tiefere wissenschaftliche Differenz, sondern die kirchliche Gegnerschaft und die damit in Verbindung stehende Verschiedenheit ihrer Beziehungen zum Reichskammergericht. Nachdem Mynsinger 1563 seine Observationen publicirt hatte, wollte das Kammergericht ihn als braunschweigischen Deputirten zur Visitation nicht zulassen, weil er gegen den Eid, den er seiner Zeit als Beisitzer geschworen, die „Heimlichkeit“ des Gerichts durch sein Werk gebrochen habe. Zwar hatten die Protestationen keinen Erfolg; allein die Verstimmung des in seiner Majorität katholisch gesinnten Gerichtshofes gegen Mynsinger, den protestantischen Kanzler des Herzogthums Braunschweig-Wolfenbüttel, wird geblieben sein. Als dagegen G. im J. 1578 mit einem gleichen Werke in die Oeffentlichkeit trat, war von jenem Vorwurfe nicht die Rede, vielmehr beeilten sich die Mitglieder des Kammergerichts in einem viritim unterzeichneten Schreiben ihm, dem streng katholischen einflußreichen Manne am Hofe Rudolf II., Dank und Anerkennung auszusprechen. Es ist den späteren Ausgaben der Observationen vorgedruckt. In der Geschichte der Wissenschaft und Praxis stehen die Werke Beider gleichwerthig nebeneinander und haben letztere zwei Jahrhunderte lang wesentlich mit bestimmt. – Wir besitzen von G. noch drei umfängliche Abhandlungen (Tractatus). 1. „De pace publica libri II“; 2. „De pignorationibus“, 3. „De manum injectionibus, impedimentis sive arrestis Imperii“. Die beiden ersten erschienen als Anhänge zu den Observationen schon mit der ersten Ausgabe 1578; der dritte Tractat ist der vierten Ausgabe 1586 beigefügt. Andere Schriften von G. sind nicht bekannt und die „Opera praestantiora“, Colon. 1771 Fol. enthalten außer den Observationen und den dazu gehörigen Schriften von Fabricius und Thyllius nur noch diese drei Tractatus.