Zum Inhalt springen

ADB:Galli da Bibienna

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Galli da Bibienna“ von Heinrich Kábdebo in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 333–335, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Galli_da_Bibienna&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 10:35 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Gallicius, Philipp
Band 8 (1878), S. 333–335 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Galli da Bibiena in der Wikipedia
Galli da Bibiena in Wikidata
GND-Nummer 118662945
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|8|333|335|Galli da Bibienna|Heinrich Kábdebo|ADB:Galli da Bibienna}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118662945}}    

Galli da Bibienna: Künstlerfamilie aus Italien. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts bildete sich an der Clementinischen Akademie zu Bologna ein eigener, grandioser Architecturstyl aus, der durch seine kühne Decoration ungemein effectvoll wirkend, bald die Höfe Italiens für sich gewonnen hatte, und dann unaufhaltsam nach Deutschland vordrang. Die Ursache dieser raschen Verbreitung ist nur darin zu suchen, daß sich ihr nicht einzelne Künstler, sondern ganze Künstlerfamilien zuwandten. Die Burnacini, Quaglio, Fanti, und besonders die Galli waren es, welche zusammen durch etwa 20 Familienglieder den neuen Styl nach Oesterreich und ins Reich trugen. Wir heben vier Mitglieder der Familie Galli hervor: die Brüder Ferdinand und Franz, dann die beiden Söhne des Ersteren: Anton und Josef. Ferdinand Galli soll nach Ticozzi’s Dictionario zu Bibienna, unweit Bologna, 1653 oder 1657 geboren und 1743 gestorben sein. Alle meine Nachforschungen in Bibienna, Bologna, Mailand und Wien blieben aber für ihn wie alle seine Angehörigen erfolglos, was wol die Richtigkeit der Geburts- und Sterbe-Daten sehr unwahrscheinlich macht. Ferdinand G. war ein Schüler des Carlo Cignani als Maler, des Mauro Aldobrandini und Giulio Trogoli als Architekt. Kaiser Karl VI. berief ihn als Theatermaler nach Wien, bald aber trat er auch als Baumeister auf. Zahlreiche Entwürfe für Theater-Decorationen und Ehrengerüste, die sich von seiner Hand erhalten, bekunden sein Talent, das a1lerdings mehr in der Architektur-Zeichnung, als in der -Malerei zu Tage trat. Einige seiner Oelbilder in den Galerien zu Graz und Hermannstadt bezeugen dieses Geschick und Ungeschick. G. war auch Theoretiker und edirte eine Folge von Vorlagen: „Varie opere di prospettiva“ (Bologna, s. a. F°m.) – Franz G., der jüngere Bruder des Ferdinand (Bibienna 1659, † 1737?) war vom Jahre 1710 ab als kaiserlicher Hoftheater-Ingenieur thätig, baute in Wien im Vereine mit Ferdinando das kaiserliche Opernhaus und übersiedelte später wieder nach Italien, wo er in Verona ein Theater erbaute. Von seinen Wiener Decorationen rühmen die Acten des Hof-Finanz-Archivs insbesondere jene, welche er 1711 für Conti’s Oper „Der Sieg der Freundschaft und Liebe“ entwarf und ausführte. – Anton G., um d. J. 1700 zu Bologna geboren, erhielt von seinem Vater Ferdinand Unterricht in der Kunst und bildete sich dann weiter in Wien, wo er mit seinem überlegeneren Bruder Josef, sowie mit dem Architekturmaler [334] Fanti in stetem Verkehr blieb. Seine künstlerische Befähigung war allerdings nicht sehr bedeutend, wie uns verschiedene seiner Decorationsstudien in der Wiener Akademie beweisen. Im J. 1732 entwarf er den Plan für den Hochaltar der Peterskirche und malte daselbst architektonische Fresken, im selben Jahre wurde er auch zum zweiten Hoftheater-Ingenieur ernannt, in welcher Eigenschaft er die Decoration zu einer Oper „Caldarra“ und dann die Entwürfe für die damals so beliebten Ernst- und Lustfeuerwerksproben ausarbeitete. Doch sein Sinn für derartige spectaculöse Unternehmungen ging sogar noch weiter und er fand es mit seiner Stellung wie seinem künstlerischen Berufe vollkommen vereinbar, in Gesellschaft eines spanischen Juden und des Bildhauers Corradini, mit welchem er durch seine Frau, eine Tochter des kunstfertigen Stuckators Buffi verschwägert war, in Wien ein Thierhetztheater zu errichten. Nachdem das Privilegium zum Betriebe desselben abgelaufen war, hatte er freilich längst seiner künstlerischen Thätigkeit entsagt, und bald darauf zog er heimwärts, wo er 1774 in Mailand starb. – Der bedeutendste aus der Familie der Galli war zweifellos Giuseppe G.; geb. zu Bologna 1696 (?), gest. zu Wien 1756 (? im Wiener Todtenprotocoll erscheint er von 1750–1770 nicht). Sein hervorstechendes Talent für die decorative Kunst entfaltete er schon als Kind; in Italien suchte er die Meister dieses Genre auf, um sich durch sie vollkommene Ausbildung zu verschaffen. Nach Wien, wo er die Jugendjahre verbrachte, zurückgekehrt, trat er im jugendlichen Alter von 19 Jahren in kaiserliche Dienste als zweiter Hoftheater-Ingenieur. Ein trefflicher, stilkundiger Architekturzeichner und erfahrener Kolorist, in grandioser Erfindung und effectvoller Ausführung brillirend, verstand er es sehr bald, sich zum vielbewunderten, viel umworbenen und vielbeschäftigten Künstler emporzuarbeiten, sich zum Mittelpunkte aller künstlerischen Bestrebungen auf decorativem Gebiete zu gestalten. Durch seine Betheiligung an allen Festen des Hofes und der Aristokratie in die ersten Häuser der Residenz eingeführt, durch umfassendes Wissen und einnehmende Manier ausgezeichnet, gehörte er auch gar bald zu den Lieblingen der Gesellschaft. Doch vernachlässigte er deshalb die Kunst nicht im Mindesten und er stand mit der Akademie und ihren Angehörigen in innigster Verbindung; ja es scheint außer Zweifel, daß er vor Loscher, wenn auch nur für kurze Zeit, an der Akademie als Professor thätig war. Im J. 1732 wurde G. zum ersten Hof-Architekten und Theater-Ingenieur ernannt und von dieser Zeit an entstanden in Wien Ehren-, Trauer- und Schaugerüste nur unter seiner Leitung und nach seinen Entwürfen. Als Theater-Ingenieur genoß G. mit Recht bedeutendes Ansehen; sein erfinderischer Geist, seine Gewandtheit und technische Geschicklichkeit wußten der decorativen Kunst ganz neue Techniken abzugewinnen, so kann er als Erfinder der transparenten Decorationen gelten, da er im Jahre 1732 gelegentlich der Aufführung von Metastasio’s L’asilo d’amore solche Kunststücke zuerst auf die Bühne brachte. Als Schriftsteller trat er durch sein Werk: „Architetture e prospetti“ (1740) auf. Es würde hier zu weit führen, Galli’s zahlreiche Decorationen und Studien aufzuzählen; ihre Zahl erleichtert uns die Kritik seiner Kunstweise. Während die drei oben erwähnten Künstler noch in dem Banne jener entarteten, manirirten, gesetzlosen Architektur, wie sie von Burnacini gepflegt wurde, liegen, hat sich Josef G. in eine bessere Schule begeben, und seine Werke tragen alle Vortheile der barocken Kunst an sich. Eine imposante grandiose Architektur, von trefflicher Perspective und reicher Erfindung in vollkommen harmonischer Gliederung sich auflösend, zeigt sich in all seinen Entwürfen; dabei hat er die Farbe vollkommen in seiner Gewalt und versteht es überdies, das einfallende Licht, wie die Schlagschatten effectvoll festzuhalten. G. war zweifellos der bedeutendste Wiener Decorateur der Barockzeit. Seine Bedeutung liegt aber nebst dem in dem mächtigen Einfluß, welchen er [335] auf die Jugend übte, und wenn sich auch über seine Schule noch keine bestimmten Nachrichten ergeben haben, so müssen die späteren Künstler Schütz, Danne und Hohenberg nach ihren Werken doch zweifellos als Schüler oder Nachbilder Galli’s erkannt werden; insbesondere Hohenberg hat durch seine prachtvolle Gloriette in Schönbrunn Galli’s Stil, wenn auch geschwächt, in die Wirklichkeit übertragen. Josef Galli’s Entwürfe in den Wiener Sammlungen und im Privatbesitze erreichen die Zahl eines halben Tausend.

Nach den Acten des Hof-Finanz-Archivs und den Tagesnotizen gleichzeitiger Wiener Zeitungen.