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ADB:Germar, Ernst

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Artikel „Germar, Ernst Friedrich“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 29–31, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Germar,_Ernst&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 06:39 Uhr UTC)
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Germar: Ernst Friedrich G., Dr., Oberbergrath und ordentlicher Professor der Mineralogie an der Universität Halle a. S., geboren am 3. November 1786 zu Glauchau bei Zwickau, gestorben am 8. Juli 1853 zu Halle a. S., entstammte einer angesehenen Kaufmannsfamilie und erhielt unter der vortrefflichen Leitung Schaubach’s, eines nahen Verwandten, seine humanistische Bildung auf dem Gymnasium in Meiningen. Eine in G. früherwachte Neigung zur Naturwissenschaft, welche, durch den Umgang mit dem Schweizer Entomologen Clairville[WS 1] belebt, sich durch eifriges Sammeln von Insecten bethätigte, bestimmte ihn, sich dem Bergfache zu widmen. Nach Beendigung seiner Gymnasialstudien bezog er 1804 die Freiberger Bergakademie, wo er, ein begeisterter Schüler Werner’s, mit besonderer Vorliebe sich während eines dreijährigen Aufenthaltes der Mineralogie und Geognosie zuwendete. Um sich aber auch die nöthigen juristischen Kenntnisse anzueignen, bezog G. 1807 die Universität Leipzig, wo ihn die in Freiberg fast ganz erstorbene Jugendneigung zur Entomologie aufs neue erfaßte und zu eifrigen zoologischen Studien hinlenkte. Ein öfterer Besuch in Halle a. S. brachte ihn 1808 mit dem berühmten Botaniker Kurt Sprengel in Berührung, auf dessen Veranlassung G. nach Beendigung seiner Studien in Leipzig nach Halle übersiedelte. Hier erwarb sich G. durch die Preisschrift: „Dissertatio sistens bombycum species, secundum oris partium diversitatem in nova genera distributas“ 1810 die Doctorwürde in der Philosophie und entschloß sich, die akademische Laufbahn zu betreten. Nachdem er eine längere Reise in das damals noch wenig durchforschte Dalmatien ausgeführt hatte, habilitirte er sich 1812 als Privatdocent in Halle a. S. und erhielt auch bald nach Steffens’ kurz darauf erfolgtem Abgange die Direction über das Mineraliencabinet. Die plötzlich erfolgte Aufhebung der Universität (1813) unterbrach zwar seine Lehrthätigkeit, gab ihm aber für seine wissenschaftliche Thätigkeit mehr Muße, welche sich zwischen Mineralogie und Entomologie theilte. In diese Zeit fällt seine Verheirathung mit der Tochter des Rathsmeisters Keferstein[WS 2], deren Brüder Christian und Adolph[WS 3] auf Germar’s Anregung und unter seiner Anleitung sich mit den naturwissenschaftlichen Studien zu befreunden anfingen und sich zu den später sehr geschätzten Geologen und Lepidopterologen heranbildeten. Nach Wiedererrichtung der Universität der akademischen Lehrthätigkeit zurückgegeben, wurde G. 1817 zum außerordentlichen Professor für Mineralogie befördert. Inzwischen hatte er die Ergebnisse seiner dalmatinischen Reise wissenschaftlich verarbeitet, und es gelangte 1814 als eines seiner ersten größeren Werke: „Reise durch Oesterreich und Tyrol nach Dalmatien und ins Gebirge von Ragusa“, 2 Bde. mit 9 Kupfertafeln und 2 Karten, zur Publication. Durch den Reichthum an höchst schätzbaren Mittheilungen aus dem Gebiete der Entomologie erwarb sich dieses Werk die volle Anerkennung der Fachgelehrten, in geognostischer Beziehung dagegen enthält es sehr wenig Bemerkenswerthes. Als 1819 v. Raumer als Ordinarius für Mineralogie nach Halle berufen wurde, schien Germar’s Stellung ernstlich bedroht. Indeß gelang es ihm bei v. Raumer’s eigenthümlicher Auffassung der Mineralogie seine Lehrthätigkeit sich zu wahren und, als schon 1822 v. Raumer wieder Halle verließ, sogar 1824 die Stellung eines ordentlichen Professors der Mineralogie zu erobern. Um diese Zeit publicirte er mit Meinecke[WS 4] [30] ein für den Unterricht damals sehr geschätztes „Lehrbuch der gesammten Mineralogie“, das 1837 eine zweite Auflage erlebte und dem sich 1830 als Erweiterung sein „Grundriß der Krystallkunde“ anschloß. G. hielt zahlreich besuchte Vorlesungen über Oryktognosie, Geognosie und Entomologie, später auch über Paläontologie, mit denen er praktische Uebungen und Excursionen in Verbindung brachte. Auf dem Gebiete der Mineralogie und Geognosie sind Germar’s Leistungen ohne hervorragende wissenschaftliche Bedeutung, wichtiger sind seine Arbeiten über Pflanzenversteinerungen und insbesondere über Insektenüberreste, am bedeutendsten jedoch und von bleibendem Werthe werden seine wissenschaftlichen Leistungen in der Entomologie geschätzt, der er mit Vorliebe sich widmete. Die schon während seines Leipziger Aufenthaltes käuflich erworbene berühmte Hübner’sche[WS 5] Insectensammlung vermehrte er mit unermüdlichem Eifer und erhob sie zu einer der bedeutendsten Privatsammlungen in Deutschland. Sie lieferte ihm das reiche Material zur Aufstellung vieler neuer, und zur kritischen Revision mancher bekannter Gattungen und Arten von Insecten, über die er in zahlreichen kleineren Aufsätzen berichtete. Gemeinschaftlich mit Kaulfuß[WS 6] publicirte G. 1831 eine wichtige Abhandlung über „Merkwürdige Pflanzenabdrücke der Steinkohlenformation“ (Nova act. Ac. Leop.-Car.) und Mehreres in Oken’s Isis[WS 7]. Das bemerkenswertheste phytopaläontologische Werk ist seine „Monographie der Versteinerungen des Steinkohlengebirgs von Wettin und Löbejün“ in 8 Heften (1844–53), zu dessen Vollendung ihm Andrae[WS 8] und Giebel hilfreiche Hand reichten. Daran reihen sich ungleich werthvollere Arbeiten über versteinerte Insecten von Solenhofen (Nov. act. Ac. Leop.-Car.[WS 9] und in v. Münster’s Beiträgen, V.), über Insecten der Tertiärbildungen (Z. d. g. Ges., 1849) dann über Versteinerungen aus dem Mansfelder Kupferschiefer, von Osterwedding und Wester-Egeln. Eine Beschreibung der Hemipteren des Bernsteins, auf Berendt’s Veranlassung bearbeitet, ist leider nicht zur Publication gelangt. Am umfangreichsten und wohl auch wissenschaftlich werthvollsten sind seine entomologischen Schriften, deren Publikationen schon 1810 mit verschiedenen Abhandlungen über Coleopteren und Hemipteren in den Schriften der Halle’schen naturforschenden Gesellschaft (1810–11) ihren Anfang nahmen. Es folgten als größere Werke 1813–22 „Magazin der Entomologie“, 4 Bde.; die Fortsetzung von Ahrens: „Fauna insectorum Europae“, fasc. 3–24 (1817–47); „Insectorum species novae aut minus cognitae descriptionibus illustratae“ (Halae 1824); „Zeitschrift für Entomologie“ (1839–44) in 5 Bdn. Die zahlreichen kleineren Aufsätze finden sich in Thon’s entomologischem Archiv (1829, II.); in Silbermann’s[WS 10] Revue entomologique (I–V.); in der Stettiner entomologischen Zeitung (1848, III.); in der Linnaea entomologica (1848, III.), auch in Ersch und Gruber’s Allg. Encyklopädie der Wissenschaften und Künste lieferte er einzelne Artikel mineralogisch-geognostischen oder entomologischen Inhalts. Als Prorector der Universität erhielt G. 1834 das Ehrendiplom eines Doctoris medicinae und für wissenschaftliche Leistungen bei dem Oberbergamte in Halle 1844 den Titel eines Oberbergraths. G. war überdies Mitglied vieler gelehrter Gesellschaften des In- und Auslandes, besonders zeichnete ihn die Akademie der Wissenschaften in Stockholm durch die Ernennung zu ihrem correspondirenden Mitgliede aus. In der Freimaurerloge in Halle nahm G. während 26 Jahren bis zu seinem Tode die Stelle eines Meisters vom Stuhle ein. Sein biederer Charakter, seine Heiterkeit in Gesellschaft, seine Treue als Freund erwarben ihm die allgemeine Achtung; als Lehrer zeichnete ihn weniger Tiefe der Gedanken und Fülle des Wissens, als Klarheit und Frische des Vortrags aus. Auch verstand G. im persönlichen Umgang mit seinen Zuhörern durch anregenden Zuspruch deren Eifer anzufachen und zu beleben. Besondere Verdienste erwarb sich G. während einer [31] 40jährigen Verwaltung durch Bereicherung und Erweiterung der mineralogisch-paläontologischen Sammlung der Universität.

Ersch u. Gruber, Encykl., 1. Sect. 61. Thl.,1855 (S. 401–3). Poggendorff, Biogr. I. 885.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Naturforscher; Siehe franz. Wikipedia: Clairville, Joseph Philippe de (1742–1830)
  2. Rats- und Bürgermeister in Halle; Siehe Wikipedia: Keferstein, Gabriel Wilhelm (1755–1816)
  3. Keferstein, Adolf (1793–1884), Lepidologe
  4. Meinecke, Johann Ludwig Georg (1781–1823); Chemiker – von Meinecke 1808 publiziert und von Germar 1824 neu überarbeitet herausgegeben
  5. Entomologe; Siehe Wikipedia: Hübner, Jacob (1761–1826)
  6. Kaulfuss, Georg Friedrich (1786–1830), Prof. der Botanik in Halle
  7. Zeitschrift für Naturgeschichte, vergleichende Anatomie und Physiologie, erschienen 1817–1848
  8. Andrae, Carl Justus (1816–1885), Palaentologe und Botaniker in Bonn
  9. Schriftenreihe: Nova Acta Physico-Medica Academiae Caesareae Leopoldino-Carolinae Naturae Curiosorum, 1839
  10. Silbermann, Gustave (1801–1876), französischer Drucker