ADB:Gerold (Buchhändlerfamilie)
Joseph G., geb. 1747, erwarb die schon längst bestehende Buchhandlung und Universitäts-Druckerei des Leopold Kaliwoda[WS 1] und wurde vom Kaiser Joseph II. unterm 3. Novbr. 1776 zum kaiserlichen Reichs-Hof-Buchdrucker ernannt. Als solcher druckte und verlegte er nebst verschiedenen Werken aus allen Fächern der Wissenschaft und schönen Litteratur von nun an den „Hof- und Staats-Schematismus der röm. kaiserlichen auch königlich und erzherzoglichen Haupt- und Residenzstadt Wien“, welcher 1807 in den Verlag der Staatsdruckerei überging. Von der Wiener Universität wurde er 1776 zum Universitätsbuchdrucker und 1780 zum Universitätsbuchhändler ernannt und zu gleicher Zeit in dieser Eigenschaft als „Civis Academicus“ immatriculirt. Am 11. Mai 1777 verehelichte sich G. mit Marie Magdalene Klebinder[WS 2], aus welcher Ehe zehn Kinder hervorgingen, von denen jedoch nur drei Söhne und eine Tochter den Vater überlebten. Sein 1782 geborener Sohn Johann folgte dem Berufe des Vaters und widmete sich daher schon frühe dem Buchhandel. Als im J. 1800 der Vater starb, wurde das Geschäft von der Wittwe mit Unterstützung des noch unmündigen Sohnes fortgeführt; doch starb dieser zu Anfang des J. 1806 noch vor erreichtem 24. Lebensjahr. Nun kam die Pflicht an den jüngeren Sohn Karl die Geschäfte der Buchdruckerei und des Verlagsgeschäftes zu übernehmen. Dieser hatte sich dem Kaufmannsstande gewidmet und in dem Manufacturwaarengeschäfte des Baron Mundy[WS 3], eines der ersten Tuchfabrikanten Brünns gelernt und war gerade im Begriff seine Geschäftsreise nach Italien anzutreten, als ihn die Nachricht von dem Tode seines Bruders erreichte. Hierdurch bestimmt entschloß er sich schnell den Buchhandel zu erlernen und trat deshalb in die Handlung von Gastl[WS 4] in Brünn ein. Schon nach kurzer Zeit konnte Gastl ihm das Zeugniß ausstellen, daß er sich die Fähigkeiten erworben habe, einer Buchhandlung vorzustehen, worauf er das väterliche Geschäft übernahm. Bald verband er mit dem Verlagsgeschäfte und der Buchdruckerei eine Sortimentsbuchhandlung und so blühete das Geschäft rasch empor, Im J. 1807 vermählte er sich mit Franziska Kaltenbrunner, welche 1856 starb. Er hatte aus dieser Ehe drei Söhne und [43] eine Tochter. Er war rastlos thätig wie im eigenen Geschäfte so auch im Interesse des ganzen Buchhandels in Deutschland und Oesterreich, zu dessen Hebung er sehr viel beitrug. Ein fleißiger Besucher der deutschen Buchhändlermesse in Leipzig, ward er hier auch Mitbegründer des Börsenvereins deutscher Buchhändler. Er selbst war ein eifriges und thätiges Mitglied desselben und ward in den Jahren 1838–1850 in verschiedene Ausschüsse des Vereins gewählt. Sein Verlag und seine Unternehmungen zeichneten sich stets aus und so kam es auch, daß sein Geschäft eine Pflanzstätte einer Menge von tüchtigen Buchhändlern wurde, die zum Theil heute noch den Buchhandel in Deutschland und Oesterreich zieren. Im J. 1845 gründete er mit seinem Freunde Hartleben und anderen Collegen den „Verein österreichischer Buchhändler“, welcher viel zur Hebung des inländischen Buchhandels beitrug. Auch war er ein rüstiger Kämpfer gegen die Censur; die drückenden und hemmenden Einflüsse derselben legte er in eindringlicher Sprache in einer Denkschrift dar, welche in den vierziger Jahren dem Fürsten Metternich überreicht wurde. 1848 wurde er von Wien in das Frankfurter Vorparlament gewählt. Er starb am 23. Septbr. 1854. Sein Geschäft wurde von seinem Sohn übernommen, der es bis zum heutigen Tage im alten Glanz und unter dem alten guten Rufe weiterführt und am 9. Oct. 1875 die hundertjährige Gründungsfeier des Geschäftes begehen konnte.
Gerold, eine Buchhändlerfamilie in Wien.- Vgl. Zur hundertjährigen Gründungsfeier des Hauses Gerold, Buchdruckerei und Buchhandlung, Wien 1875. 4°. Frommann[WS 5], Geschichte des Börsen-Vereins der deutschen Buchhändler.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Leopold Kaliwoda (1705−1781), Reichshofrat und Buchdrucker in Wien
- ↑ Maria Magdalena (geb. Klebinder) Gerold (1757−1831), Druckerin und Verlegerin in Wien
- ↑ Wilhelm Freiherr von Mundy (1742−1805), Wolltuchfabrikant
- ↑ Franz Gastl, Verleger
- ↑ Friedrich Johannes Frommann (1797–1886), Verleger, zu seinem Vater siehe Carl Friedrich Ernst Frommann