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ADB:Gessner, Johannes

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Artikel „Geßner, Johannes“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 103–106, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gessner,_Johannes&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 05:01 Uhr UTC)
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Geßner: Johannes G., Med. Dr., Mathematiker und Naturforscher in Zürich, geb. am. 18. März 1709, † am 6. Mai 1790. Von einem Oheim des großen Naturforschers Konrad G. (s. d. Art.) stammt der Zweig der zürcherischen Familie dieses Namens, aus welchem in J. G. ein zweiter ausgezeichneter Vertreter der Naturwissenschaften hervorging. Sohn eines Landgeistlichen besuchte G. nach frühester Erziehung im väterlichen Hause von seinem siebenten Jahre an die zürcherischen Unterrichtsanstalten und zeichnete sich durch Anlagen, Fleiß und die ausgesprochenste Vorliebe für die mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächer ungewöhnlich frühe aus. Unter J. J. Scheuchzer und Dr. Johann v. Muralt (s. diese) wandte er sich bald vorzüglich der Botanik zu und sammelte auf Wanderungen in der Umgegend Zürichs und in die Alpen, wobei er auch barometrische Messungen unternahm, ein Herbarium, das schon 1726 an 3000 zum Theil seltene Pflanzen zählte. Siebzehnjährig ging er in Begleitung eines älteren Bruders Christoph, der sich der Medicin widmete, auf die Universität Leyden ab, woselbst er Gravesande, Albinus, vorzüglich aber Boerhave hörte, von diesem ausgezeichnet wurde und mit Albrecht v. Haller, den er unter den Mitstudirenden fand, in eine Verbindung trat, die bald zur engsten Freundschaft auf Lebenszeit wurde. 1727 begaben sich die Brüder G. nach Paris, sahen Jussieu, Bignon und andere dortige Gelehrte, wandten sich dann aber im Frühjahr 1728 nach Basel. Hier wartete ihrer Haller, der bereits Dr. med., Leyden vor ihnen verlassen, England besucht hatte, dann in Paris zu ihnen gestoßen und einige Zeit geblieben war. Während nun Christoph G. promovirte und heimkehrte, ergaben sich G. und Haller gemeinsam unter Johannes Bernoulli eifrigst der Mathematik, unter Zwinger und Mieg der Medicin, vertraten Letzteren während einer Krankheit in seiner ausgedehnten ärztlichen Praxis, benutzten aber auch den Sommer 1728 zu einer Reise in die Westschweiz, die ihrem botanischen Wissen, Geßner’s Sammlungen und Haller’s Dichtertalente zu Gute kam, in welchem jetzt der Sänger der Alpen erwachte. Im Sommer 1729 verließ dieser Basel. G. blieb, schrieb seine Doctordissertation: „De exhalationum causis et effectibus“, hielt nach erhaltener Doctorwürde eine Inauguralrede: „Ueber den Nutzen der Mathematik in der Arzneikunst“, und kehrte in den ersten Tagen 1730 nach Zürich heim. Aerztliche Praxis, Ertheilung von Unterricht in mathematischen und medicinischen Fächern, Ordnung und Erweiterung seiner botanischen und mineralogischen Sammlungen sollten ihn beschäftigen. Allein die Praxis fand nicht die gewünschte Ausdehnung, dem Unterricht standen viele Hindernisse entgegen; es gab keinen botanischen Garten, kein anatomisches Theater, keinen freien Zutritt zu den Kranken im Spitale, keine Möglichkeit ohne Gefahr und Schwierigkeit Leichname für [104] anatomische Sectionen zu erhalten. Die Schüler waren meist unvorbereitet; nur Wenige, wie Johann Georg Sulzer (s. d. Art.), von rechtem Eifer beseelt. Und während G. eine ihm durch Boerhave 1731 angetragene Professur der Botanik in Petersburg aus Rücksicht für seine Eltern und wegen schwacher Gesundheit ablehnte, wurde er bei Ernennungen zu ärztlichen und anderen Stellen übergangen. Die Freundschaft angesehener Mitbürger, die Studien, wiederholte Alpenreisen, der wissenschaftliche Verkehr mit auswärtigen Freunden, vor Allem Haller’s Freundschaft (Haller’s Ode an G., 1733) halfen G. über diese Prüfungen weg. Als durch den Tod Scheuchzer’s (23. Juni 1733) die Professur der Mathematik und der Physik und ein mit letzterer verbundenes Canonicat erledigt wurden, ward Geßner’s Wunsch nach einem bestimmten Wirkungskreise zuerst befriedigt. Während der jüngere Scheuchzer (s. Johannes Scheuchzer) verdienter Maßen in den beiden Hauptstellen als Nachfolger seines Bruders eintrat, wurde die Professur der Mathematik an G. übertragen, und als schon im fünften Jahre darauf Johannes Scheuchzer starb (8. März 1738) erhielt G. auch den Lehrstuhl der Physik und das Canonicat zugetheilt. Jetzt gab er die ärztliche Thätigkeit auf und widmete sich ausschließlich dem Lehramte, in welchem er während vierzig Jahren die eifrigste, einsichtsvollste und fruchtbringendste Thätigkeit für zahlreiche Schüler, für das wissenschaftliche Leben Zürichs und die Wissenschaft überhaupt entfaltete. Denn neben den Vorlesungen für Studirende eröffnete er auch solche für weitere Kreise und, eingeleitet durch diese Vorträge, mit welchen G. Vorweisungen und Versuche mit großem Geschicke zu verbinden wußte, erfolgte im J. 1746 die Stiftung der „Physikalischen“ oder „Naturforschenden Gesellschaft in Zürich“, die sofort eine große Zahl der angesehensten und gebildetsten Männer Zürichs vereinigte und von G., der einstimmig zum bleibenden Vorsteher berufen ward, in regem Leben erhalten wurde. Nun entstanden eine naturwissenschaftliche Bibliothek, eine Sammlung mathematischer und physikalischer Instrumente, naturhistorische Sammlungen, insbesondere ein Herbarium, zu welchem G. selbst das Beste beitrug (S. „Hortus siccus Societatis physicae Tigurinae, collectus et Linneana methodo dispositus a Joanne Gesnero“, 1751 – viele Pflanzen von Linné selbst an G. gesandt), ein botanischer Garten, eine astronomische Warte, und durch Veröffentlichung populärer Schriften und Preisfragen suchte die Gesellschaft für Verbreitung der Kenntniß der Natur und Verbesserung des Landbaues zu wirken. Die wissenschaftlichen Vorträge in ihrem Schooße wurden in drei 1761/66 erschienenen Bänden ihrer „Abhandlungen“ in einer Auswahl herausgegeben. G. fuhr aber auch fort, seine eigenen Sammlungen von Pflanzen und Mineralien und seine naturwissenschaftliche Bibliothek durch Excursionen, Tauschverkehr und Ankauf reichlich zu vermehren und auszustatten, während zugleich der Kreis seiner Verbindungen mit Gelehrten des In- und Auslandes durch Briefwechsel und persönliche Bekanntschaften mit bedeutenden Männern, die ihn besuchten (Lambert, Volta u. A.), sich immer weiter ausdehnte. Mit größter Liberalität stellte G. Einheimischen und Fremden seine Sammlungen zu Gebote; in seltener Bescheidenheit und Uneigennützigkeit überließ er die Früchte seiner Forschungen und Studien Andern zur Verwerthung. Insbesondere fand er die größte Befriedigung darin, Haller Alles mitzutheilen, was dem Freunde wissenswerth scheinen oder dessen Arbeiten fördern konnte. Schon zur Herausgabe der „Praelectiones“ von Boerhave hatte sich Haller gerne vorzüglich des Collegienheftes von G. bedient; dieser übersandte ihm auch alle Ergebnisse seiner langjährigen botanischen Arbeiten zum Behufe der 1742 von Haller herausgegebenen „Enumeratio methodica stirpium Helvetiae indigenarum“, wie Haller in der Einleitung dieses großen Werkes ausführlich beschreibt und im Texte desselben oft erwähnt. Seine Arbeiten selbst zu publiciren, konnte sich G., dem sie nie genügten, [105] stets nur schwer entschließen und ohne die amtliche Verpflichtung, alljährlich zum Behufe der Disputirübungen eine Abhandlung drucken zu lassen und der naturforschenden Gesellschaft einige seiner Vorträge zur Einrückung in ihre Sammelschriften zu überlassen, hätte G. kaum je etwas veröffentlicht. So aber entstand, bei allem Widerstreben seinerseits, eine nicht unbedeutende Zahl meist in Latein geschriebener, zwar kleiner, aber durch Klarheit und Gründlichkeit ausgezeichneter Schriften aus seiner Feder. Unter den mathematischen Abhandlungen wurde vorzüglich diejenige: „Von der Größe und Lage der Stadt Zürich“ (1769) dadurch verdienstlich, daß sie zur Errichtung einer kleinen Sternwarte und astronomischen und meteorologischen Beobachtungen in Zürich (1750–76) Veranlassung gab. Von Geßner’s physikalischen Abhandlungen fanden zwei über das Aräometer und Thermometer Uebertragung auch in andere Sprachen. Am zahlreichsten und bedeutendsten sind Geßner’s Arbeiten naturhistorischen und zwar meist botanischen Inhaltes. Die Dissertationen von 1740 und 1741 enthalten eine Erläuterung der „Fundamenta botanica“ von Linné, dessen System in G. einen seiner ersten Vertheidiger fand; andere behandeln einzelne Erscheinungen der Pflanzenwelt, ihre Gesetze, ihre Beziehungen zum Menschen und dessen Einfluß auf sie; manche wurden wiederholt aufgelegt. Verschiedene größere Werke Geßner’s blieben unvollendet, ja gingen später ganz verloren. So kam ein von Haller schon 1759 angekündigtes und damals und 1768 wieder sehr gepriesenes Unternehmen Geßner’s, seine Sammlung phytographischer Tafeln, nie zu vollem Abschluß. Zwar veröffentlichte Geßner’s Schüler und Neffe, Salomon Schinz, noch bei Lebzeiten Geßner’s eine Probe derselben („Erster Grundriß der Kräuterwissenschaft aus den charakteristischen Pflanzentabellen des Dr. Geßner gezeichnet“[WS 1]. Deutsch und lateinisch. Zürich 1775. Fol.). Aber als später Schinzens Sohn, Christian Salomon Schinz, Geßner’s hinterlassenes Werk selbst herauszugeben unternahm, fand er von den schon 1768 auf die Zahl von 80 angestiegenen Kupfertafeln nicht alle und insbesondere keinen von G. herrührenden Text dazu vor. (Johannis Gesneri tabulae phytographicae, cum comment. edidit Chr. S. Schinz, 2 Vol. cum tab. aen. pictis 1–64. Turici 1795–1804. Fol.) Auch von einer „Descriptio musaei Gesneriani“ kennt man nur dazu bestimmt gewesene Kupfertafeln. Anderes, wie eine „Synopsis methodica plantarum et animalium Helvetiae“, eine „Ichthyologia Helvetiae“ u. s. f., ist spurlos verschwunden; eine „Bibliotheca botanica, hydrologica et mineralis“ und eine „Synopsis methodica lapidum“ besitzt handschriftlich die öffentliche Bibliothek in Basel. Mehr ist von Geßner’s ausgebreiteter gelehrter Correspondenz theils durch Haller’s und Lambert’s Briefwechsel, theils noch in Originalien in Zürich vorhanden; doch wurde auch von dieser Briefsammlung Geßner’s der größere Theil zerstreut. Wie sehr Geßner’s Bedeutung und Verdienst allgemein anerkannt waren, zeigt nicht nur die große Zahl bedeutender Namen ersten Ranges unter seinen Correspondenten, sondern auch seine Aufnahme in viele Akademien und gelehrte Gesellschaften. Die Akademien zu Upsala (1742), zu Stockholm (1747), zu Berlin (1751), zu Göttingen (1755), zu Petersburg (1761), die „Academica naturae curiosorum“ (1746), die botanische Gesellschaft zu Florenz (1748), die „Societas georgica“ zu Pavia (1773), die k. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften (1785) und viele andere schweizerische, deutsche und italiänische Gesellschaften ehrten ihn durch Ernennung zum Ehrenmitgliede. So lebte G. bis ins hohe Alter unermüdet seinem Berufe und den Wissenschaften. Als er aber 1777 seinen Haller verlor, als er jüngere Freunde, wie Sulzer und Lambert, im gleichen Jahre ins Grab sinken sah, im folgenden Jahre sein vorzüglicher Gönner und Freund, Bürgermeister Heidegger in Zürich (s. d. Art.), starb, suchte er Zurückgezogenheit. Sein vierzig Jahre lang bekleidetes Lehramt legte [106] G. nun, 1778, nieder, hocherfreut, dasselbe auf seinen Neffen Sal. Schinz übertragen zu sehen, aber tief betrübt, als ihm schon am 26. Mai 1784 der unerbittliche Tod diese Stütze seines Alters raubte. Die Freude am Leben und die Lust an der Arbeit verließen den Greis nun mehr und mehr, der Tod seiner Gattin im J. 1788, nach fünfzigjähriger glücklicher Ehe, brach seine Kraft völlig und nach längerer standhaft ertragener Krankheit erlosch sein Leben am 6. Mai 1790.

Biographien zur Culturgeschichte der Schweiz von Dr. Rudolf Wolf. Erster Cyclus. Zürich 1858. Johannes Geßner. – Neujahrsblatt der naturf. Gesellschaft in Zürich auf das J. 1846. Mit Geßner’s Bildniß. Von dems. Verfasser. (In beiden Schriften eingehende Verzeichnisse der Arbeiten Geßners.)


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: kein schließendes Anführungszeichen