ADB:Gotthard
Albrechts I. auf diesen selbst übertragen wurde, was ihn mehr als alles andere noch heute im Munde der Welt lebendig erhält. In neuerer Zeit bevorzugt man, seinem Hildesheimer Biographen Wolfhere folgend, irriger Weise die niederdeutsche Schreibweise Godehard; Gotthards landsmännische Zeitgenossen gebrauchten, wie sich nach seiner baierischen Abstammung erwarten läßt, stets die oberdeutschen Formen Gotehard, Gotahard. Um 961 ward er in der Nähe des alten Klosters Niederaltaich an der Donau als Sohn eines Dienstmannes, dann Verwalters des Klosters, Namens Ratmund, geboren. Für seinen ersten Unterricht stand im Kloster selbst in dem Priester Udalgis ein trefflicher [483] Lehrer zur Verfügung. Einst fiel dem Knaben das Leben des hl. Martinus von Sulpicius Severus in die Hände, worin die Verdienste und Gnaden der Anachoreten des Orients geschildert sind. Da ließ es ihm keine Ruhe, mit einem geistesverwandten Altersgenossen zog er in die Einsamkeit, unter Gebeten und Psalmengesang, kümmerlich von Beeren und Kräutern sich nährend, bis ihn nach 10 Tagen seine Angehörigen fanden und nach Altaich zurückführten. Der Salzburger Erzbischof Friedrich nahm dann den strebsamen Knaben auf einem Kriegszuge nach Italien mit sich und ließ ihm nach der Rückkehr in Salzburg von einem Lehrer Liutfried weiteren Unterricht ertheilen. Bald ward G. zum Diacon geweiht und von den Altaichern zu ihrem Propste gewählt. Dies geschah einige Jahre vor der Berufung des Abtes Erchanbert, dessen durchgreifende Neuerungen bei den Klosterbrüdern heftigem Widerstande begegneten. Die meisten wanderten lieber aus, als daß sie sich der strengen Ordensregel beugten. G. aber, wiewol durch Erchanberts Ernennung aus der ersten Stelle verdrängt, ging freudig auf das neue Leben ein, das seiner Gesinnung völlig entsprach, legte in Erchanberts Hände die Mönchsgelübde ab, empfing von ihm die Würde des Priorats und vom Bischofe Wolfgang von Regensburg die Priesterweihe. Seine geistlichen Uebungen und gelehrten Studien hatten ihn nicht gehindert, auch als Baumeister sich auszubilden; in kurzer Zeit riß er die Klostergebäude nieder und errichtete an ihrer Stelle neue, die den Bedürfnissen der Mönchsregel entsprachen. Als Herzog Heinrich IV. von Baiern von den ausgewanderten Altaichern gegen ihren strengen Abt Erchanbert aufgehetzt, G. an dessen Stelle setzen wollte, widersetzte sich dieser demüthig der Zumuthung, entwich aus dem herzoglichen Palaste und unterwarf sich dann geduldig auch einem so wunderlichen Vorstande wie dem Bischof Megingaud von Eichstädt, dem Heinrich nun das Kloster mit dem Auftrage, die klösterliche Zucht dort durchzuführen, zu Lehen übertrug. Später, von allen Seiten bestürmt, ließ sich G. doch bewegen, die Abtswürde anzunehmen. In Ranshofen, wohin ihn der Herzog als getreuen Freund zur Feier des Weihnachtsfestes mitgenommen, ward er am 27. Decbr. 996 vom Bischofe Christian von Passau zum Abte geweiht. Mehr als dreißig Mansen rings um das Kloster, besonders im Böhmerwalde, wurden nur durch seine und seiner Genossen eigene Hände aus Waldboden in fruchtbares Land verwandelt; der Marktflecken Hengersberg ist seine Gründung. Ueberhaupt waltete er in Altaich so, daß bald das Verlangen rege ward, auch in anderen Klöstern durch ihn solchen kirchlichen, geistigen und wirthschaftlichen Aufschwung geweckt zu sehen. Im J. 1001, nach dem Tode Gozberts, mußte er auf Herzog Heinrichs Wunsch auch die Leitung Tegernsees, 1005 auch die Hersfelds übernehmen. Nachdem er dort die schwierige Aufgabe gelöst, die verfallene Zucht wieder herzustellen – und wie Froumund von Tegernsee singt, lastete seine Hand schwer auf denen, die sich auflehnten – nachdem er insbesondere in Hersfeld die einschneidendsten Reformen durchgeführt, auch völlig neue Klostergebäude errichtet hatte, kehrte er 1012 nach Altaich zurück, wie er denn die baierische Heimath stets über alles liebte. Durch seine Schüler aber wirkte er von dort auf die weitesten Kreise: man begegnet Altaicher Mönchen als Aebten in Montecassino, Böhmen und Mähren. – Durch Gotthard ward jene kirchliche Richtung fortgepflanzt, welche, in Baiern vom hl. Wolfgang angebahnt, tiefe Frömmigkeit auf das glücklichste mit praktischer Klugheit und Rührigkeit, mit classischen Studien, mit künstlerischer Arbeit verband. Er ist der hervorragendste einheimische Vertreter dieser bedeutenden kirchlichen Reformbewegung, die von Baiern ausgehend, Dank besonders der Unterstützung Heinrichs II., bald das Reich umspannte. Energisch und vielseitig, streng und doch populär, hat er auf das kirchliche Leben den nachhaltigsten Einfluß geübt. Echt baierisch ist seine schlichte und anspruchslose [484] Art, wenn er, wiewol in der herzoglichen wie königlichen Pfalz Heinrichs II. stets als liebster Gast gefeiert, doch dem höfischen Leben so viel als möglich auszuweichen sucht; wenn er sich unter den Bauleuten herumtreibt, bei Kirchweihen und Jahrtagen gern an das Volk sich wendet; auch die unverhohlene Abneigung gehört hierher, mit der er herumziehenden geistlichen Wunderthätern und Abenteurern entgegentritt, sie spöttisch als Peripatetiker bezeichnet. 1022 erhielt er als würdiger Nachfolger Bernwards den Ruf auf den bischöflichen Stuhl von Hildesheim, dem er, wiederum auf Kaiser Heinrichs Drängen, Folge leistete, wiewol er gern bis zur Erledigung eines heimathlichen Sitzes, etwa Regensburg oder Passau, gewartet hätte. Noch immer von jugendfrischer Lebhaftigkeit, die im nordischen Hildesheim zuweilen wol allzugroß erschien, entfaltete er nun auch im weiteren Kreise die ersprießlichste Wirksamkeit. Er verschönerte und vollendete das Münster, erbaute im Süden desselben eine neue Kirche, ein Spital, zwei Festen im Osten und Westen der Stadt und auf Wunsch der Kaiserin Gisela auch eine Kirche in der Pfalz zu Goslar. Großen und wohlverdienten Ruf gewann unter seiner Leitung die Hildesheimer Domschule, wie er denn selbst, noch unberührt von dem lichtscheuen Geiste späterer Mönchsrichtung, sich gern an den Alten erquickte. Noch aus Tegernsee ist ein Brief erhalten, worin er die Altaicher bittet, ihm den Horaz und Cicero’s Briefe nachzusenden. 1024 begründete er das Kloster Wrisbergholzen (Holthuson), wo er die letzten Lebensjahre mit Vorliebe verweilte, wo ihm auch die Todesstunde geschlagen hat. Auf daß die Stille des Ortes wohlthätig ihre geistliche Beschaulichkeit fördern möge, hatte er dorthin die Mönche aus dem Michaelskloster von Hildesheim verpflanzt, doch bei den stadtgewohnten stieß seine Maßregel auf so hartnäckiges Widerstreben, daß er sie rückgängig machen mußte. Einen unseligen, Jahrzehnte lang sich hinziehenden Streit mit Mainz wegen des Diöcesanrechtes über Gandersheim, den er vom Vorgänger ererbt hatte, führte er gegen Erzbischof Aribo, seinen Landsmann, in der Hauptsache zum Vortheil seiner Kirche glücklich durch. Gotthards Gebeine, im Jahre nach seiner Heiligsprechung erhoben, ruhen im Münster zu Hildesheim. Seine Verehrung breitete sich rasch über Thüringen, Sachsen, Baiern, bald ganz Deutschland aus und es fehlte nicht an Berichten über Wunder, die er lebend und todt gewirkt haben sollte. In zwei glücklich erhaltenen Biographien hat ihm sein Schüler Wolfhere, der aus Hildesheim nach Altaich übersiedelte, ein würdiges Denkmal gesetzt.
Gotthard, † am 5. Mai 1038 als Bischof von Hildesheim, der erste Baier von Geburt, den die Kirche selig gesprochen, und einer jener Heiligen, deren hohes Verdienst auch ein nichtkirchlicher Standpunkt nicht verkennen läßt. Die Canonisation erfolgte 1131 durch Papst Innocenz II. und ihr verdankt es G., wenn sein Name zunächst auf das Hospiz an dem belebten Alpenpasse, dann seit den Tagen König- Vitae Godehardi auctore Wolfher., prior et posterior, Mon. Germ. hist., Script. XI. 167 ss., 196 ss. Briefe Gotthards bei Pez, Thes. VI. a, 133 ff. Chronic. Tegernseens. bei Pez, Thes. III. c, 505. Hirsch, Heinrich II. Für die Hildesheimer Thätigkeit Lüntzel, Gesch. der Diöcese und Stadt Hildesheim, I. 203–236.