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ADB:Gozelo I.

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Artikel „Gozelo, Herzog von Lothringen“ von Ernst Steindorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 531–532, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gozelo_I.&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 23:12 Uhr UTC)
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Gozelo, Herzog von Lothringen unter Kaiser Konrad II., einer der mächtigsten und selbständigsten Laienfürsten im deutschen Reiche während der ersten Hälfte des elften Jahrhunderts, ein Sohn Gottfrieds von Eenham, der in Niederlothringen, namentlich in Brabant, Hennegau und Ardennen reich begütert, in Oberlothringen besonders als Graf von Verdun Einfluß besaß und sich unter den beiden mittleren Kaisern des sächsischen Hauses, Otto II. und Otto III., durch Hingebung im Reichsdienst, wie durch Loyalität gegen die kaiserliche Dynastie hervorgethan hatte. Von seinen fünf Söhnen wurden Adalbero, der älteste, und Friedrich, der jüngste, geistlich: jener unter Otto III. Bischof von Verdun, dieser Mönch im Kloster von St. Vannes in Verdun und mit Richard von St. Vannes eng verbunden einer der ersten und vornehmsten Reformatoren des Klosterwesens in cluniacensischer Richtung. Gottfrieds andere Söhne kamen in weltlichen Reichsämtern empor und zwar wird G., wahrscheinlich der mittlere in der ganzen Reihe, uns zuerst im J. 1008 als Markgraf von Antwerpen genannt, während sein älterer Bruder Gottfried im J. 1012 von Kaiser Heinrich II. zum Herzog von Niederlothringen erhoben wurde und Hermann, im Besitz der Stammburg Eenham und der Grafschaft von Verdun, auf welche Friedrich bei seinem Eintritte ins Kloster verzichtet hatte, auch in Oberlothringen einen bedeutende Stellung einnahm. In Gozelos Leben begann die historisch wichtige Epoche, als er im J. 1023, da sein Bruder Gottfried kinderlos starb, dessen Nachfolger wurde, als er mit der Markgrafschaft Antwerpen fortan das niederlothringische Herzogthum verband. Sogleich mit dem Tode seines Gönners, des Kaisers Heinrich II., bei der Königswahl von 1024 und in den ersten Zeiten des neuen Kaisers, des Franken Konrad II., trat G. bedeutsam hervor. Konrad, erwählt in Rivalität mit einem jüngeren gleichnamigen Vetter, hatte bekanntlich zunächst mit einer großen Opposition zu kämpfen, die sich weit nach Italien und Frankreich hinein verzweigte, ihm aber nirgends gefährlicher war, als in Deutschland selbst, und der Mittelpunkt dieser Opposition, soweit sie sich links vom Rhein, in Lothringen, entwickelte, war eben G., der Herzog von Niederlothringen. Höchst wahrscheinlich nahm er an einem Wahlacte zu Kamba und an den energischen Bestrebungen anderer lothringischer Fürsten zu Gunsten des jüngeren Konrad in Person Theil. Gewiß ist, daß G. sich der Mehrheit nicht ohne Weiteres fügte, daß er der Thronbesteigung des älteren Konrad große Schwierigkeiten in den Weg legte. Er machte sich zum Haupte einer feindlichen Coalition, zu der viele von den Großen des Landes gehörten, an Geistlichen der Erzbischof von Köln, die Bischöfe von Verdun, Lüttich, Utrecht, an Laienfürsten die oberlothringischen Herzoge Theoderich und Friedrich und der Graf von Hennegau. Jeder dieser Bundesgenossen verpflichtete sich G. gegenüber eidlich, Konrad II. niemals ohne seine Einwilligung als König anzuerkennen, weder ihm zu huldigen noch überhaupt zu ihm überzugehen. Auch als es Konrad sehr bald gelang, jene geistlichen Herren trotz alledem zu sich herüberzuziehen, beharrten G. und die oberlothringischen Herzöge noch ein volles Jahr in ihrem Widerstande. Erst nachdem die Aussicht auf französische Hülfe, auf Unterstützung seitens des Königs Robert I. von Frankreich geschwunden war, machten auch sie ihren Frieden mit Konrad um Weihnachten 1025 in Aachen. Seitdem stand G. mit dem neuen Herrscher andauernd auf gutem Fuße: Konrad II. zeigte sich frei von Mißtrauen, er förderte sogar das besondere dynastische Interesse Gozelos in dem Maße, daß er ihn im J. 1033, als der Mannsstamm der oberlothringischen Herzöge [532] erlosch, auch noch mit dem Herzogthum von Oberlothringen belehnte – ein Verfahren, welches um so bemerkenswerther ist, je entschiedener gerade Konrad II. sonst darauf ausging, die herzogliche Gewalt zu brechen oder doch niederzuhalten und durch nähere Verbindung einzelner Herzogthümer mit der Krone unschädlich zu machen. G. rechtfertigte das Vertrauen, welches in solcher Bevorzugung lag. In den Kämpfen, die Konrad II. auch nach der Eroberung von Burgund mit dem französischen Prätendenten auf die burgundische Krone, mit dem Grafen Odo von Champagne und Blois zu bestehen hatte, leistete ihm G. ausgiebig Hülfe. Während der Kaiser im J. 1037 nach Italien zog, um den Valvassorenaufstand zu unterdrücken und den Erzbischof Aribert von Mailand als eigentlichen Unruhestifter in Gehorsam zu halten, hielt G. Wacht an der Westgrenze des Reichs, er vertheidigte Lothringen gegen Odo, der sich mit Aribert verbündet hatte und durch einen Einfall in Lothringen nicht blos dieses deutsche Reichsland, sondern auch die Kronen von Burgund und Italien, also Lotharingien im ursprünglichen Sinne der karolingischen Zeit zu erobern gedachte. Daß dieses nicht geschah, daß Odos Anschlag völlig scheiterte, bewirkten die deutschen Lothringer unter der Führung ihres Herzogs G. Bei Bar, wo sie am 15. November 1037 mit Odo zusammenstießen, behielten sie nach hartem Kampfe die Oberhand. Odo verlor die Schlacht und das Leben, während G. in Folge dieses Sieges die Höhe seiner Macht erreichte. Aber auch sein fürstliches Selbstbewußtsein steigerte sich noch bedeutend: als die Regierung des Reichs nach dem Tode Kaiser Konrads II. am 4. Juni 1039 auf seinen Sohn Heinrich III. überging, hat G. die Absicht gehabt, diesem die vasallitische Huldigung zu verweigern, ihn überhaupt nicht als König anzuerkennen. Und doch war das Recht des neuen Herrschers, der bereits die Königsweihe empfangen, auch thatsächlich schon an der Regierung theilgenommen hatte, unanfechtbar. Gozelos Abneigung ging denn auch nicht zum Aeußersten, er ließ es bei der bloßen Absicht des Widerstandes bewenden und huldigte Heinrich III. schon bald nach dessen Thronbesteigung, er unternahm auch später nichts, was die Einheit und Sicherheit des Reiches hätte gefährden können. Ihm kam es jetzt hauptsächlich darauf an, die Nachfolge in den lothringischen Herzogthümern seinen dynastischen Interessen gemäß zu ordnen. Er hatte drei Söhne: Gottfried, Gozelo, Friedrich. Von diesen kam Friedrich nicht mehr in Betracht: er war oder wurde bald Geistlicher, Canonicus in Lüttich, später römischer Papst Stephan X. Gottfried war schon im Besitz von Oberlothringen: unter Zustimmung des Vaters hatte ihn noch Kaiser Konrad II. mit diesem Herzogthum belehnt. So war nur noch über Niederlothringen zu verfügen und dieses bestimmte G. seinem gleichnamigen Sohne, nachdem ihm König Heinrich III. zugesagt hatte, diese Verfügung anerkennen zu wollen. – Sie war die letzte Regierungshandlung des alten Herzogs, gleich darauf starb er im J. 1044, wahrscheinlich am 19. April. Die Erinnerung an ihn lebte fort in mancherlei Urkunden und anderen zeitgenössischen Geschichtsquellen, in Annalen und Bisthumsgeschichten, unter denen einige lothringische, die auf Cambray und Verdun bezüglichen, obenanstehen. Aber auch sie geben nur Daten über das äußere Leben des Fürsten, ein Charakterbild läßt sich aus ihnen nicht gewinnen.

Vgl. S. Hirsch, Jahrb. des Deutschen Reichs unter Heinrich II., Bd. I. S. 332–35. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. II. (4. Aufl.) S. 221–37, 326 u. a. Clouët, Histoire de Verdun, II. p. 25–33.