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ADB:Stephan IX.

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Artikel „Stephan IX., Papst“ von Theodor Lindner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 62–64, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Stephan_IX.&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 23:57 Uhr UTC)
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Stephan IX., Papst, † am 29. März 1058, stammte aus dem Hause der Ardennergrafen. Er war der Sohn des Herzogs Gozelo von Lothringen (s. A. D. B. IX., 531); das Geschlecht der Mutter ist unbekannt. Seine Geburt fiel in die Jahre 1010–1020, jedenfalls vor 1022. Sein Taufname war Friedrich. Zum geistlichen Stande bestimmt, erhielt er seine Erziehung an der Kirche des hl. Lambert zu Lüttich; die dortige Schule stand damals in ihrer höchsten Blüthe und im größten Ansehen weit über Deutschland hinaus. Fr. wurde dort Archidiakonus und erwarb sich bereits große Verdienste. Während der ältere Bruder, Herzog Gottfried der Bärtige (s. A. D. B. IX., 464), seinen Streit mit Kaiser Heinrich III. führte, kam Fr. in freundschaftliche Beziehungen zu Papst Leo IX. (s. A. D. B. XVIII., 282), der ihn 1049 mit nach Italien nahm, zum Cardinaldiakon beförderte und Anfang 1051 zum Kanzler und Bibliothekar des päpstlichen Stuhles ernannte. In dieser einflußreichen Stellung hatte Fr. hervorragenden Antheil an der Unternehmung Leo’s gegen die Normannen. Nachdem sie mißglückt war, ging er im Januar 1054 als Gesandter nach Constantinopel, um die Streitigkeiten mit der griechischen Kirche auszugleichen, aber seine leidenschaftliche Natur und sein anmaßendes Auftreten, während der dortige Patriarch Michael ihm sehr gewandt entgegenarbeitete, brachten die ihm gestellte Aufgabe zum Scheitern. Als Fr., der mit den anderen Gesandten auf der Heimreise von dem Grafen Trasmund von Teanum angehalten und ausgeplündert wurde, nach Rom zurückkehrte, war Leo inzwischen gestorben und Victor II. als Papst an seine Stelle getreten. Zunächst blieb er dessen Kanzler, aber bald trat eine Wendung seines Schicksals ein, da Kaiser Heinrich III. gegen ihn, als den Bruder Gottfried’s, lebhaften Argwohn faßte. Zwar entging er der ihm vom Kaiser zugedachten Gefangenschaft, doch um für die Zukunft sicher zu sein, trat er als Mönch in das Kloster Monte Cassino ein und brachte einige Zeit in der Verborgenheit zu. Da starb Heinrich III. im October 1056 und Victor II. bewirkte die Aussöhnung Gottfried’s mit der Kaiserin Agnes. So wurde Fr. am 23. Mai 1057 zum Abte von Monte Cassino gewählt und empfing von Victor am 24. Juni die Weihe, nachdem er bereits zehn Tage vorher wiederum zu der Würde eines Cardinals und zwar eines Cardinalpriesters vom Titel St. Chrysogonus erhoben worden war. Der Papst verlieh zugleich dem Kloster reiche Gnaden. Als Fr. auf der Heimfahrt in Rom verweilte, kam die unerwartete Nachricht, daß Victor am 28. Juli zu Arezzo gestorben sei. Nun [63] besaß Gottfried die entscheidende und ausschlaggebende Macht in Italien und gewiß war es in erster Stelle die Rücksicht auf ihn, welche die Aufmerksamkeit auf seinen Bruder, den Cardinal Fr., lenkte. Dieser schlug zwar mehrere andere Männer vor, doch am Morgen des 2. August wurde er in die Basilica des hl. Petrus ad vincula geführt und dort erhoben. Er erhielt nach dem Tagesheiligen den Namen Stephan; wie seine Bullen und Siegel erweisen, zählte er sich als den IX., nicht den X., wie früher fälschlich angenommen wurde. Am Tage darauf erfolgte die Weihe. So bestieg seit Ende 1046 bereits der fünfte Deutsche den apostolischen Stuhl, aber während die Vorgänger ihre Stellung dem Kaiser verdankten, war jetzt die Kaiserin Agnes nicht befragt worden. Der Druck der Verhältnisse nöthigte sie jedoch, St. anzuerkennen; wahrscheinlich führte Hildebrand die Verhandlungen glücklich zu Ende. Ihm mochte der neue Papst allerdings nicht ganz erwünscht sein, aber er fügte sich dem einmal Geschehenen und wurde auch von jenem hoch geschätzt. St. widmete seine Thätigkeit der folgerechten Durchführung der cluniacensischen Reformideen und kämpfte mit Feuereifer gegen die Simonie und für den Cölibat; durch mancherlei Anordnungen und synodale Bestimmungen hat er seinen Absichten Ausdruck gegeben. Den berühmten Petrus Damiani zog er an die Curie und machte ihn zum Cardinalbischof von Ostia, um an ihm einen kraftvollen Mitkämpfer zu gewinnen. Schon rührte sich auch die Parteirichtung, welche das völlige Aufhören der Laieninvestitur forderte, und mit ihr stimmte der Papst überein. Doch sind nur sehr wenige, im ganzen acht Bullen von ihm erhalten und das Bild seines Pontificates muß hauptsächlich nach den Berichten der gleichzeitigen Geschichtschreiber gezeichnet werden, die freilich manche unsichere und zweifelhafte Angaben enthalten. Wie es scheint, wollte St. noch nicht den Kampf mit Deutschland und dem Kaiserthum aufnehmen, sondern faßte hauptsächlich die italischen Zustände ins Auge. Nichts war da wichtiger, als daß er das Aufkommen der Pataria in Mailand begünstigte. Gleich nach dem Tode Heinrich’s III. hatte die sociale Bewegung begonnen, welche das Streben nach der Befreiung des Bürgerthums von der bischöflichen Herrengewalt und dem hohen Adel mit den kirchlichen Tendenzen vereinte, durch diese den politischen Zweck zu erreichen suchte. Hatte Victor II. maßvoll die Ordnung aufrecht erhalten wollen, billigte St. das revolutionäre Treiben der patarenischen Parteiführer und ließ sie durch Hildebrand ermuthigen. Nur in einer Beziehung wich er von dessen Politik ab, indem er, vielleicht von dem alten unter Leo eingesogenen Haß gegen sie bestimmt, den Plan faßte, die Normannen zu bekriegen. Daher beauftragte er Desiderius von Monte Cassino, den er zu seinem künftigen Nachfolger in der Abtwürde, die er selbst behielt, hatte wählen lassen, nach Constantinopel zu gehen, um dort für die Kircheneinigung und jedenfalls auch für ein Bündniß gegen die Normannen zu wirken. Doch gelang dieser gar nicht an sein Ziel, da er auf die Nachricht von Stephan’s Tode sofort umkehrte. Der Papst gedachte auch die reichen Schätze des Klosters für seine Zwecke zu benützen und ließ sie nach Rom kommen, aber gab sie aus Gewissensbedenken wieder frei. Die vornehmlichste Hülfe sollte ihm sein Bruder Gottfried leisten und schon tauchte das abenteuerliche Gerücht auf, er wolle diesen auch zum Kaiser krönen. Allen Plänen machte ein jäher Tod ein Ende. Da seine Gesundheit schwer erschüttert war, bestimmte er, von Todesahnungen begriffen, schon ehe er Rom verließ, daß eine Neuwahl nur im Beisein Hildebrand’s und mit dessen Rath vollzogen werden sollte. Er ging zu seinem Bruder, wohl um mit ihm den Feldzug nach Unteritalien zu berathen, aber in Florenz wurde er vom Fieber ergriffen und starb nach kaum achtmonatlichem Pontificate am 29. März 1058; dort in der Kirche von St. Reparate wurde ihm auch das Grab bereitet. – St. war wissenschaftlich gut unterrichtet, [64] in seinem sittlichen Wandel tadellos, aber leidenschaftlich und aufgeregten Sinnes. Er vertrat, obgleich ein geborener Deutscher, ganz und gar die universale Richtung des Papstthums und hat zuerst begonnen, ihm eine unabhängigere und freiere Stellung der kaiserlichen Regierung gegenüber zu verschaffen.

Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, III. – Meyer v. Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V., I. – Wattendorf, Papst Stephan IX. Diss. Münster 1883, in den Münsterischen Beiträgen zur Geschichtsforschung, herausg. von Th. Lindner. 3. Heft.