ADB:Gundobad
Godomar, 524–532 (s. den Art.) wohl zu scheiden ist: dieser ältere Godomar wird nach dem Tode des Vaters nicht mehr genannt, insbesondere nicht bei der Theilung des Reiches unter seine drei Brüder, deren Hauptstädte zweifelig sind: vielleicht residirte Hilperik zu Lyon, G. zu Vienne, Godegisel zu Genf. Die Burgunden hielten damals in dem wirren Kampfe der Römer mit Westgothen und anderen Germanen in Südfrankreich zu Rom. G. erhielt am 23. October 472 von Kaiser Olybrius die Würde eines „Patricius“ und trug 473, vielleicht in Italien verweilend, zur Erhebung des Glycerius bei, welcher dann Hilperik die von Gundik bis zu seinem [131] Tode bekleidete Stellung eines magister militum übertrug. Während der Kämpfe zwischen Odovaker und Theoderich in Italien 487–489 machte G. einen Einfall in Italien: man streitet, zu Gunsten welches der beiden Gegner? Jedenfalls vor Allem im eigenen Interesse: er plünderte und führte Gefangene fort. Gewiß war aber das Unternehmen nicht gegen Theoderich gerichtet: gleich nach dessen Sieg (Februar 493), im Frühjahr 494 wird dessen Tochter Ostrogotho mit Gundobad’s Sohn, Sigismund, vermählt: eine Gesandtschaft Theoderichs, bestehend aus dem greisen Bischof Epiphanius von Pavia und Bischof Victor von Turin (in Begleitung des Ennodius, welchem wir den Bericht über diese Vorgänge in seiner Lebensbeschreibung des Epiphanius verdanken), begab sich zu G. nach Lyon und erwirkte die unentgeltliche Freilassung aller aus Ligurien fortgeführten Gefangenen – 6000 an der Zahl, in Lyon allein an Einem Tage 400 –: nur für die aus anderen Landschaften mitgenommenen Gefangenen wurde Lösegeld gefordert. Offenbar kann der König nur über die auf seinen Beutetheil fallenden Gefangenen verfügen, seinen Burgunden aber die daraus Verknechteten nicht ohne Beschluß des Reichstags wieder ohne Entschädigung aus dem Eigenthum nehmen: er übernahm also wol den Loskauf aus eigenen Mitteln. Sein Rath Laconius übergiebt den Gesandten die über die angeordnete Freilassung errichtete Urkunde. Godegisel zu Genf folgte dem Bruder in Bewilligung der Freigebung nach. Verhängnißvoll wurde die ungefähr gleichzeitige Vermählung von Gundobad’s Nichte, Hrôthehildis, der an seinem Hofe zu Lyon lebenden Tochter Hilperiks (der wol kurz vorher gestorben war), mit Chlodovech, dem noch heidnischen König der Franken. Sehr früh haben Sage und Kunstdichtung die Geschichte dieser Verlobung und die gesammte an die Braut geknüpfte Familiengeschichte mit üppiger Umrankung geschmückt zugleich und verhüllt. Schon Gregor von Tours erzählt, G. habe Hilperik mit dem Schwerte getödtet, dessen Wittwe mit einem Stein um den Hals in das Wasser werfen lassen, die beiden Töchter verbannt: von denen die ältere, Saedeleuba Herôna in das Kloster getreten, die jüngere, Hrôthehildis, mit Chlodovech vermählt sei, welche dann ihre Söhne zu später Rache wider G. getrieben habe. Man hat mit Grund diese ganze Mordgeschichte angezweifelt: so z. B. in der im J. 506 verstorbenen und in der Basilika des hl. Michael zu Lyon bestatteten Burgundenkönigin Karetene mit Wahrscheinlichkeit eben die Wittwe Hilperiks vermuthet. G. scheint jedoch nach dem söhnelosen Tode Hilperiks einen größeren Theil von dessen Reich an sich gerissen zu haben, als ihm nach burgundischem Recht zukam, nämlich mehr als die Hälfte: Godegisel zu Genf trat gegenüber G. in den Hintergrund und er verband gegen den mächtigeren Bruder mit Chlodovech, der im J. 496 das Christenthum in dem katholischen, nicht dem arianischen Bekenntniß angenommen hatte –: eine Thatsache von weltgeschichtlicher Bedeutung, welche das Emporwachsen des Frankenreichs über die unterliegenden arianischen Reiche der Burgunden, West- und Ostgothen und Langobarden, sowie die geistige Ueberwindung der im Heidenthum verharrenden rechtsrheinischen Germanen zur Folge hatte. In dem Volk und am Hof der Burgunden bekämpften sich das arianische Bekenntniß und die eifrige katholische Propaganda: die katholischen Bischöfe, zumal der geistig sehr bedeutende, auch mit Chlodovech wichtigen Briefwechsel pflegende Avitus von Vienne, betrieben unablässig ihre Bemühungen, den König zu ihrem Bekenntniß herüber zu ziehen: G. mochte wol erkennen, daß er dadurch der drohenden Politik der Franken die gefährlichste Waffe aus der Hand genommen hätte: er schwankte: nach einer Versammlung der katholischen Bischöfe zu Lyon (August 499), berief der König Vertreter beider Confessionen zu einem großen Religionsgespräch in seinen Palast (2. und 3. September): er erklärte den Ausgang für unentschieden, während sein [132] Sohn Sigismund bereits völlig den Katholiken zuneigte. Im nächsten Jahre (500) griff Chlodovech, mit Godegisel verbündet, G. an, der, bei Dijon geschlagen, nach Avignon entfloh – die Belagerung daselbst durch ein fränkisches Heer und die Beendigung des Krieges mit Chlodovech durch Vertrag ist immerhin möglich, wenn auch die Gestalt des klugen Rathgebers Gundobad’s, des Aredius, und seine Listen sagenhaft sind. – Aber nach Abzug der fränkischen Hauptmacht überfällt G. mit rasch gescharten Truppen seinen feindlichen Bruder zu Vienne, erobert die Stadt durch Hülfe des (wegen der Nahrungsnoth mit dem ärmeren Volk ausgetriebenen) Baumeisters der Wasserleitung – ein Zug, der keineswegs nothwendig sagenhaft sein muß – und tödtet ihn, sowie die römischen und burgundischen Großen, welche auf Chlodovechs Seite getreten waren; eine zu Vienne mit gefangene fränkische Hilfsschar aber schickt er zum Westgothenkönig Alarich II., seines Sohnes Schwager, nach Toulouse, vielleicht als Geiseln für friedliches Verhalten Chlodovechs. Der König näherte sich nach diesem Erfolge der katholischen Partei – (daß seine beiden Söhne, Godomar und Sigismund (496–499), nun offen zum Katholicismus übertraten, konnte doch nicht ohne seine Zustimmung geschehen) – und Chlodovech, mit welchem er, zwischen 501 und 506, bei Auxerre, also auf burgundischem Gebiet, an der Mündung des kleinen Flusses La Cure in die Yonne, eine Zusammenkunft hatte: sehr thöriger Weise verband sich nun G. anstatt mit dem großen Theoderich und mit den Westgothen, seinen Glaubensgenossen, den Allen gefährlichen fränkischen Feind nieder zu halten, selbst mit diesem zu gemeinsamem Angriff auf die Westgothen, seine natürlichen nächsten Stützen. Im J. 507 betheiligte sich G. an dem katholischen Kreuzzug Chlodovechs gegen die arianischen Westgothen: das burgundische Heer unter den beiden Königssöhnen zog vom Osten her durch die Auvergne (auf Limoges, wo eine Burg Idunnus genommen wurde; aber es ist zweifelhaft, ob zu dieser Zeit) den Gothen in die rechte Flanke, während Chlodovech vom Norden her über die Loire drang. Nach der Niederlage und dem Tode Alarichs II. (bei Voulon) am Clain zog G. 508 gegen Narbonne, – ob er im J. 507 bei dem Heere war und ob dieses am Clain mit focht, ist nicht zu ermitteln – eroberte die Stadt und vertrieb Gesalich, den Bastard Alarichs, der von einer Partei zu dessen Nachfolger erhoben worden war: darauf belagerten Burgunder und Franken gemeinsam Arles, jedoch vergeblich: die feste Stadt widerstand länger als ein Jahr (von Juli 508 bis Ende 509 oder Anfang 510), bis endlich die spät eintreffende Hilfe der Ostgothen sie befreite: Theoderichs Feldherr, Herzog Ibba, schlug die vereinten Feinde bei Arles entscheidend aufs Haupt und entriß den Burgunden alle ihre Eroberungen wieder, namentlich Narbonne: aber auch alte burgundische Besitzungen, zumal das wichtige Avignon, gingen an die Ostgothen verloren: das Bündniß mit den Franken war dem Burgunder sehr übel gediehen. Aus den letzten sechs Regierungsjahren Gundobads (er starb im J. 516, vor dem 8. März) ist nichts Erhebliches mehr überliefert. Daß er insgeheim zum Katholicismus übergetreten sei, ist eine wenig glaubhafte Ueberlieferung Gregors von Tours. G. hat, wahrscheinlich vor 501, die nach seinem Namen benannte Lex Gundobada (Loi Gombette, Lex Burgundionum) aufzeichnen lassen, eine Codification burgundischen Rechts aus Gesetzen der Vorfahren und eigenen, mit starker Aufnahme römischer Rechtselemente, anzuwenden auf Processe zwischen Burgunden und auch zwischen Burgunden und Römern, welch letztere sonst nach römischem Recht lebten. Das Gesetz, ursprünglich liber constitutionum genannt, in 105 Titeln, ohne systematische Anordnung stats-, straf- und privatrechtliche Normen an einander reihend, hatte besonders den Zweck, die Verhältnisse zu den Römern in sehr schonender Weise zu ordnen. Es wurde von Gundobad’s Sohn und Nachfolger [133] Sigismund (s. den Artikel) 517 neu gestaltet publicirt. Wahrscheinlich rührt auch noch von G. her die nach 506 publicirte „Lex Romana Burgundionum“, welche für die im Reiche lebenden Römer einen zusammenstellenden Auszug römischer Rechtsquellen gewährte. Früher nannte man diese Lex vermöge eines Mißverständnisses „Papian“: ältere Handschriften enthielten die Lex rom. Burg. nach der Lex Romana Wisigothorum: diese endigt mit einer Stelle aus Papinian und man hielt diese Schlußstelle für den Anfang und Titel der Lex Rom. Burgundionum. Die Quellen der Lex Rom. Burgundionum waren die Codices Gregorianus, Hermogenianus, Theodosii, dann Gajus, Constitutionen des Theodosius, Novellen späterer Kaiser, die Sententiae receptae des Paulus, das westgothische Breviar und auch die Lex Burgundionum. Die Handschriften schwanken zwischen 46 und 48 Titeln.
Gundobad, König der Burgunden, 473–516, Sohn des Königs Gundik, 438(?)–473, Bruder von Hilperik (473–492), Godegisel (473–500) und des älteren Godomar, der von dem jüngeren- S. den Art. Godomar. – Außerdem v. Savigny, Geschichte d. röm. R. im M.-A. II. 2. Aufl., Heidelberg 1834. Bluhme, Praefatio zu seiner Ausgabe beider Gesetze in Pertz, Monum. Germ. hist. Legg. III., Hannover 1863. Stobbe, Gesch. der d. Rechtsquellen I. 1, Braunschweig 1860. Dahn, Die Könige der Germanen V, Würzburg 1870.