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ADB:Gwinner, Wilhelm Heinrich

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Artikel „Gwinner, Wilhelm Heinrich v.“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 241–243, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gwinner,_Wilhelm_Heinrich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:26 Uhr UTC)
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Gwinner: Wilhelm Heinrich v. G., Dr. phil., Forstmann, geboren am 13. October 1801 in dem würtembergischen Dorfe Oetisheim bei Maulbronn (im Neckarkreise), † am 19. Januar 1866 zu Bistritz in Böhmen am Typhus. Als Sohn des Ortsvorstehers besuchte G. (der Adel wurde ihm erst später durch Ordensverleihung zu Theil) die Dorfschule seines Geburtsortes, genoß aber nebenbei auch einigen Privatunterricht von Seiten des Ortspfarrers. Im 14. Lebensjahr mußte er als Incipient bei einem Notar eintreten. Es gelang ihm indessen, sich – neben seinen Pflichtarbeiten – doch so weiter fortzubilden, daß er die akademische Vorprüfung bestehen konnte und hierdurch die Reife zum Bezug der Universität Tübingen erlangte, worauf sein Ziel von Jugend auf unablässig gerichtet war. Hier widmete er sich ein Jahr lang (1819–20) unter Hundeshagen’s genialer Leitung den forstlichen Studien, welche bei ihm guten Boden fanden. Nach kurzer praktischer Laufbahn (Assistent im Forstamte Bebenhausen) wurde er schon 1826 Lehrer an der land- und forstwirthschaftlichen Akademie Hohenheim, anfänglich blos provisorisch, 1829 definitiv zum Professor ernannt. In dieser Stellung verblieb G. bis 1841; seit 1839 war ihm zugleich – unter Verleihung des Oberförstertitels – das neugebildete Lehrrevier Hohenheim zur Verwaltung übertragen. G. hat während seiner Docentenlaufbahn Außerordentliches für Hohenheim geleistet. Zur vollen Würdigung seiner Verdienste muß man namentlich die mißlichen Verhältnisse ins Auge fassen, unter welchen G. diese verantwortliche Stellung antrat. Einer rohen Jägerei gegenüber, von Zöglingen umgeben, deren Vorbildung im Allgemeinen äußerst dürftig zu nennen, mindestens eine sehr ungleichartige war, mit knappen Mitteln ausgestattet (die landwirthschaftliche Section war weit besser dotirt, als die forstwirthschaftliche), selbst noch jung und unerfahren, bei seinen Collegen nur geringen Halt findend, dazu mit den verschiedenartigsten [242] Lehrgegenständen (Waldbau, Taxation, Geognosie, Botanik etc.) überbürdet – bedurfte es rastloser Geistesarbeit, um seinen Posten würdig auszufüllen. Als weiterer, sehr fühlbarer Mißstand fielen die Uebelstände und Gebrechen der damaligen Staatsforstverwaltung in die Wagschale. Wo G. forstliche Arbeiten (Säen, Pflanzen, Durchforsten etc.) ausführen wollte, stieß er auf Schwierigkeiten bei den praktischen Forstwirthen. Unter solchen Verhältnissen bahnte er sich seinen Weg selbst mit Muth und Energie. Sein Hauptbestreben war darauf gerichtet, seine Zuhörer mit dem Walde bekannt zu machen, dieselben im Walde sehen, d. h. beobachten zu lehren, wozu ihn – abgesehen von seinen forstpraktischen Erfahrungen – seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse besonders befähigten. Zugleich war er unaufhörlich bemüht, die verschiedene Individualität, bez. den verschiedenen Bildungsgrad der Einzelnen bei seinen Vorträgen und Uebungen entsprechend zu berücksichtigen, um den Unterricht nach allen Seiten hin fruchtbringend zu gestalten. Die zweite Periode von Gwinner’s Leben war der Forstbeamtenlaufbahn gewidmet und zwar zunächst dem Staatsforstdienst seines Vaterlandes. 1841 trat er als Kreisforstrath zu Ellwangen ein. Auch hier galt es wieder, Berge von Mißständen in der Forstverwaltung zu ebenen. Mit Kraft und Geschick warf er sich in sein neues Amt. Für das ihm von Seiten der alten, zähen Praktiker entgegengebrachte Uebelwollen ist bezeichnend, daß G. wegen seiner auf Beseitigung des alten Schlendrians abzielenden Reformen in jenen Kreisen geradezu als Walddevastator galt. Der Erfolg rechtfertigte aber sein Vorgehen glänzend. Würtembergs Forste hoben sich sichtlich von dem Momente an, wo er mit in das Rad der Staatsforstmaschine eingriff. 1849 bekam er die Organisation des Staatsforstdienstes ins Referat. 1850 wurde er als Forstrath in das neugegründete Forstraths-Collegium berufen. Unangenehme Verhältnisse und bittere Enttäuschungen veranlaßten ihn, 1858 dem Dienste des Vaterlandes zu entsagen und einem ehrenvollen Rufe in die Dienste des Fürsten von Siegmaringen zu folgen. Dieser übertrug ihm nämlich die Administration seiner ausgedehnten Herrschaften in Böhmen, unter Ernennung zum Geh. Finanzrath, Domänendirector und Generalbevollmächtigten. In diesem ausgedehnten und selbstständigen Wirkungskreis verbrachte G. den Rest seiner Tage. Seine Leiche wurde, seinem Willen gemäß, nach Stuttgart übergeführt.

Die forstlitterarischen Productionen dieses Mannes fallen in die Zeit seiner Wirksamkeit als Lehrer und Staatsforstbeamter. Im siegmaringischen Dienst fand er keine Muße mehr zu litterarischen Arbeiten. Sein erstes, von wirklichem botanischem Verständniß zeugendes Schriftchen: „Die Pflanzensysteme in forstwissenschaftlicher Beziehung“ (1832), war als Leitfaden für den Unterricht berechnet. 1833 schrieb er: „Der Schwarzwald in forstwirthschaftlicher Beziehung“. 1834 erschien sein Hauptwerk: „Der Waldbau in kurzen Umrissen“ (1841 in 2. Aflge., 1846 in 3. Aflge., 1858 in 4. Aflge., von L. Dengler gänzlich umgearbeitet). Das Buch ist weder in systematischer Hinsicht, noch in Bezug auf Originalität hervorragend, aber klar, faßlich, mit weiser Benutzung des in der Litteratur über diesen Gegenstand vorliegenden Materials, geschrieben, vorzugsweise für die forstlichen Verhältnisse von Südwestdeutschland berechnet, fand daher hier auch großen Beifall. 1848 veröffentliche G. eine kurze „Praktische Anleitung für Ortsvorsteher und Gutsbesitzer zur Holzzucht außerhalb des Waldes“. G. war ferner Herausgeber mehrerer forstlicher Journale von vorzugsweise praktischer Tendenz, in welche er selbst sehr fleißig arbeitete. In dieser Beziehung sind zu nennen: „Forstliche Mittheilungen“ (im Ganzen 12 Hefte 1836–47). Dieselben enthalten u. a. auch werthvolle biographische Beiträge aus seiner Feder (betr. v. Seutter, Hundeshagen, Hartig, v. Cotta, v. Wedekind). Ein ständiger Abschnitt ist „Vaterländischen Nachrichten“ gewidmet und hierin zumal die Akademie Hohenheim berücksichtigt. Im 8. Heft trat der Herausgeber [243] gegen die Mangelhaftigkeit der würtembergischen Taxationsvorschriften in die Schranken. 2) „Monatschrift für das würtemberg. Forstwesen“ (7 Jahrgänge, 1850–56). Auch diese Zeitschrift enthält – abgesehen von den amtlichen, das Forstwesen betreffenden Erlassen (ihr Charakter war ein officieller) – unter der Rubrik: „Gallerie würtembergischer Forstleute etc.“ reiches biographisches Material, von der Hand des Herausgebers. An Stelle dieser Zeitschrift trat: 3) die „Monatschrift für das süddeutsche Forst- und Jagdwesen“, von welcher G. wenigstens den 1. Jahrgang 1857 redigirte (dann ging die Redaction an Dengler über). G. verfaßte außerdem früher, namentlich für das „Wochenblatt für Land- und Hauswirthschaft, Gewerbe und Handel“, mehrere, die Gemeindewaldfragen betreffende Aufsätze. Von fast größerer Bedeutung, als diese Schriftstellerei, war aber der hohe Aufschwung, welchen G. dem würtembergischen Forstwesen (u. a. namentlich durch seine Bemühungen um Verbreitung der Pflanzung) verliehen hat. In der Geschichte desselben wird er daher stets einen hervorragenden Platz einnehmen. Er empfing während seines an Arbeit so reichen Lebens wiederholte Auszeichnungen und war Mitglied vieler gelehrter Gesellschaften.

v. Wedekind, N. J. d. F., 21. Heft, Anlage F zu S. 81. Allg. u. J. 1866, S. 116. Grunert, Forstl. Bl., 12. Heft 1866, S. 229. Monatschr. f. d. Forst- u. Jagdw. 1866, S. 241. Ratzeburg, Schriftstellerlexikon S. 213.