ADB:Hundeshagen, Johann Christian
Georg Ludwig Hartig, Heinrich v. Cotta und andere Koryphäen, weil er in kleineren Staaten wirkte, mit der Außenwelt verhältnißmäßig in wenig Berührung trat und, mit körperlichen Leiden behaftet, zu einer Reizbarkeit des Gemüthes neigte, welche seine dominirenden geistigen Eigenschaften verdunkelte und ihn in manchen litterarischen Streit verwickelte. Geboren als vierter Sohn des Hessen-Cassel’schen Geheimen Regierungsrathes Johann Balthasar H., erhielt er seine erste Ausbildung im Elternhause, wo ein ernster, wissenschaftlicher Sinn herrschte, durch Privatlehrer. Hierauf besuchte er bis zu seinem 17. Lebensjahr das reformirte Gymnasium seiner Geburtsstadt. Schon frühzeitig entwickelte sich in dem reich begabten und lernbegierigen Knaben eine hervorragende Neigung zur Naturwissenschaft und zu deren Anwendung auf das praktische Leben. Ursprünglich wollte er, zur Befriedigung dieses Dranges, Medicin studiren, doch gab er diesen Plan nach absolvirter Maturitätsprüfung auf und wendete sich dem Forstfache zu. Die Eltern waren zwar von der Wahl dieses Berufes nicht besonders erbaut, da einem Bürgerlichen im damaligen Jägerthum keine glänzende Laufbahn in Aussicht stand, allein sie legten doch der Neigung des Sohnes kein Hinderniß in den Weg. Von 1800–2 finden wir ihn beim Oberförster Koch zu Sterbfritz (bei Schlüchtern) in der damaligen Grafschaft Hanau in der forstlichen Lehre. Die Wahl des Lehrherrn hätte nicht besser getroffen werden können, denn Koch war nicht nur ein gewiegter Praktiker von unermüdlicher Thätigkeit, sondern auch der Theorie [402] des Forstwesens nicht fremd und dazu ein trefflicher Charakter. Durch den Aufenthalt in Sterbfritz im praktischen Forstwesen bestens vorbereitet, besuchte er 1802–4 zuerst die Forstlehranstalt zu Waldau bei Cassel und hierauf noch kurze Zeit (½ Jahr lang) das Hartig’sche Forstinstitut zu Dillenburg. Die vorwiegend praktische Richtung dieser beiden Anstalten befriedigte ihn wol nicht ganz; hierzu gesellte sich das Bedürfniß, seine Kenntnisse über den damals noch bescheidenen Kreis der forstlichen Wissenschaft hinaus auszudehnen. Er bezog daher 1804 die Universität Heidelberg, um bis 1806 noch naturwissenschaftliche und cameralistische Studien folgen zu lassen. Mit Vorliebe beschäftigte er sich hier mit allgemeiner Physiologie, Mineralogie und Chemie, wodurch er in nähere Berührung zu den Professoren Suckow (einem zweiten Blumenbach) und Posselt trat. Seinem Studium überall mit ungewöhnlichem Eifer hingegeben, konnte es nicht fehlen, daß er nach seiner Zurückkunft aus Heidelberg in Cassel vor der kurfürstlichen Kammer – als erster Examinand dieser Behörde – eine glänzende Prüfung ablegte. Nachdem er sich hierauf noch einige Zeit in Göttingen aufgehalten und hier einige für sein späteres Leben einflußreiche Bekanntschaften gemacht hatte, trat er zu Ende des J. 1806 in kurhessische Dienste und zwar bis 1808 als Forstamtsaccessist bei dem Forst- und Salinenamt zu Allendorf an der Werra und als Revierförster im Meisnerdistrikt. Hier fertigte er u. A., seinem Drange zu naturwissenschaftlichen Arbeiten folgend, ausgezeichnet schöne Reliefs des dortigen Gebirges aus Gyps, geognostische Karten und eine geognostische Beschreibung des Meisner, welche v. Leonhard später in sein Taschenbuch aufnahm. Inzwischen war Kurhessen dem neuen Königreich Westfalen einverleibt worden. Unter der neuen Regierung rückte er 1808 zum Oberförster in Friedewald bei Hersfeld auf, bald darauf (1809) begründete er sich durch Verheirathung einen eigenen häuslichen Heerd. Da sich hier seine Amtsgeschäfte häuften, indem er zugleich Mitglied der forstlichen Prüfungscommission zu Marburg, unter dem Vorsitze des bekannten Oberforstmeisters v. Wildungen, wurde und außerdem wegen seiner vorzüglichen Befähigung zu verschiedenen Malen Special-Kommissionen übertragen erhielt, blieb ihm nur wenig Muße zu wissenschaftlichen Arbeiten. Doch reifte schon hier die erste Idee zu der später von ihm bearbeiteten Taxationsmethode, auch erwarb er sich in dieser Stellung die Kenntnisse im landwirthschaftlichen Gewerbe, welche er in seinen späteren staatsökonomischen Schriften an den Tag gelegt und weiter verarbeitet hat. Eine Zeit lang konnte ein der Wissenschaft so innig ergebener Mann, wie H., in der damals bescheidenen Stellung eines Revierverwalters, bei geringem Einkommen, wol ausharren. Als aber Jahre verflossen, ohne eine materielle Aufbesserung seiner Lage zu bringen und die Aussicht auf Beförderung im Dienste, bez. Anerkennung seiner riesigen Arbeitskraft, welche man doch so sehr ausnutzte, mehr und mehr schwand, hielten die Sorge um die äußere Existenz und hiermit eine erklärliche Mißstimmung ihren Einzug in das Försterhaus. Seine Familie hatte sich inzwischen vermehrt. Krieg und Theuerung lasteten schwer auf der ganzen Bevölkerung. Nur durch eine gesteigerte Privatthätigkeit neben seinen vielfachen Amtsgeschäften konnte H. die Bedürfnisse seines Haushalts befriedigen. Diese aufreibende Lebensweise legte aber den Grund zu einer mit den Jahren immer mehr zunehmenden Hypochondrie und Reizbarkeit seines ganzen Wesens, wodurch er sich und Anderen oft schwere Stunden bereitete. In diese Periode seiner Amtirung fällt die erste, auf Veranlassung des seit 1814 wieder in Kraft getretenen hessischen Gouvernements verfaßte Schrift „Anleitung zum Entwerfen von Bauholzanschlägen und zur zweckmäßigsten Aufarbeitung, Verwendung und Ersparung des Holzes, besonders des Eichenholzes, für Forstmänner bearbeitet“ (1817, 2. Ausgabe 1818). Kurze Zeit darauf öffnete sich ihm der Weg zum Lehrstuhl. In Tübingen war 1817 [403] eine staatswirthschaftliche Facultät errichtet worden. H. wurde, auf Vorschlag des Oberfinanzrathes v. Nördlinger, eines seiner ehemaligen Göttinger Studienfreunde, 1818 als ordentlicher Professor auf den neu gegründeten Lehrstuhl der Forstwissenschaft berufen. Hiermit trat ein entscheidender Wendepunkt in seinem Leben ein. Mit voller Hingabe warf er sich auf seinen neuen Beruf, welcher seiner ganzen Anlage, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten so sehr entsprechen mußte und die noch schlummernden Gedankenfunken des Mannes zu lebhaftem Feuer anzufachen so geeignet erschien. Er eröffnete sein neues Amt mit einer in Form eines akademischen Leitfadens gehaltenen „Methodologie und Grundriß der Forstwissenschaft“ (1819), welche gleichsam den Plan, nach dem der Verfasser die Forstwissenschaft in Tübingen vorzutragen beabsichtigte, enthält und von der streng logischen Denkweise, sowie von dem Talente des jungen Gelehrten, einen reichhaltigen Stoff scharf und treffend zu gliedern, ein sprechendes Zeugniß ablegt. Es folgten zwei weitere kleine Schriften von mehr staatswirthschaftlichem Gepräge „Prüfung der Cotta’schen Baumfeldwirthschaft, nach Theorie und Erfahrung“ (1820) und „Ueber die Hackwaldwirthschaft überhaupt und ihre Einführung in Württemberg insbesondere“ (1821). Endlich entstammt der Tübinger Periode noch der erste Band desjenigen Werkes, welches den schriftstellerischen Ruhm Hundeshagen’s hauptsächlich und dauernd begründete: „Encyklopädie der Forstwissenschaft, systematisch abgefaßt, 1. Abtheilung, auch u. d. T. Forstliche Produktionslehre“ (1821; spätere Auflagen dieses hervorragenden Werks datiren aus den J. 1828, 1835 und 1842; die beiden letzten sind von Dr. J. L. Klauprecht, welcher in sehr intimen Beziehungen zu H. stand, herausgegeben worden). Eine von so wissenschaftlichem Geiste getragene, mit den vielen Zweigen der Naturwissenschaft in so enger Verbindung stehende und sowol nach Inhalt, bez. Umfang wie Form so richtig bemessene Forstencyklopädie existirte damals noch nicht, war aber gerade für Studirende an einer Universität ein dringendes Bedürfniß. Kein Wunder, daß diese Schrift in den sachverständigen Kreisen großes Aufsehen erregte und den Neid der Kritiker vielfach herausforderte. Durch die geistige Anstrengung, bez. die hierdurch bedingte sitzende Lebensweise in Tübingen hatten sich aber bei H., welcher früher an starke Bewegung im Freien gewöhnt war, die Anfänge eines Unterleibsleidens gebildet, wodurch sich seine Nervosität nur steigerte. Die Rückkehr zu einer ihn auch praktisch beschäftigenden Stellung erschien ihm daher wünschenswerth, so glücklich im Ganzen auch seine Situation in Tübingen war. Von dieser Rücksicht geleitet und wol auch durch die Liebe zu seiner angestammten Heimath bestimmt, folgte er 1821 einem an ihn unter höchst ehrenvollen Bedingungen ergangenen Rufe nach Fulda als Forstmeister und Director der dortigen Forstlehranstalt (Gwinner gibt irrthümlich Hersfeld an). Hier erschien die zweite Abtheilung seiner Encyklopädie u. d. T. „Forstliche Gewerbslehre“ (1822, drei spätere Auflagen stammen aus den J. 1828, 1837 und 1843; auch hier wurde die dritte und vierte Auflage von Dr. Klauprecht besorgt), welche die Erwartungen, die man an den Verfasser zu stellen berechtigt war, vollkommen erfüllte und eine Menge neuer Gesichtspunkte eröffnete. Auch in Fulda fand aber der unstäte Mann nicht die angenehmen Dienstverhältnisse vor, auf welche er sich Aussicht gemacht hatte. Schon nach wenig Jahren griff er, als sich ihm die Gelegenheit hierzu bot, auf’s Neue zum Wanderstab. Die großherzoglich hessische Regierung ging nämlich damals mit der Absicht um, eine Forstlehranstalt in Verbindung mit der Universität Gießen zu errichten. H. wurde zum ordentlichen Professor der Forstwissenschaft und Director dieser Zukunftsanstalt ausersehen. Er nahm an und siedelte im Vorsommer 1824 mit dem Prädikate eines Oberforstraths nach Gießen über, einzig in der Hoffnung auf eine angenehmere dienstliche Stellung. Leider sollte sich diese Hoffnung [404] in keiner Weise erfüllen! Die Gründung des Forstinstituts verzögerte sich bis zum 24. März 1825. Die Frequenz der jungen Anstalt beschränkte sich in den ersten Semestern auf nur wenige Zuhörer. Dazu kam, daß H. schon bald sowol mit Karl Heyer, welcher neben ihm (1825) als zweiter Lehrer der Forstwissenschaft, vorzugsweise für die praktischen Fächer, berufen worden war, als mit der Oberforstbehörde in Darmstadt in allerlei Dissidien gerieth. Alle diese Umstände in Verbindung mit seinem immer empfindlicher auftretenden körperlichen Leiden brachten ihn allmählich zu dem Entschlusse, um seine Enthebung von der Direction der Forstlehranstalt einzukommen. Dieselbe erfolgte am 14. Juni 1831. Gleichzeitig wurde die bisher nur local mit der Hochschule vereinigte Forstlehranstalt als solche aufgehoben und der forstliche Unterricht dem Universitätsunterricht vollständig incorporirt, ein Verhältniß, welches sich trefflich bewährt hat und noch heute besteht. H. beschränkte sich von da ab auf seine durch landesherrliches Dekret auf die gesammte Staatswirthschaft ausgedehnte akademische Professur. Von Menschen zurückgezogen, lebte er fast nur der Wissenschaft. Seine schriftstellerische Thätigkeit erreichte in Gießen ihren Höhepunkt. Es erschienen: „Die Forstabschätzung auf neuen wissenschaftlichen Grundlagen, nebst einer Charakteristik und Vergleichung aller bisher bestandenen Forsttaxationsmethoden“ (1826; 2. Aufl. 1848 von Klauprecht); „Lehrbuch der land- und forstwirthschaftlichen Naturkunde“, 1. Abtheilung Encyklopädie der Naturkunde (1827); 2. Abtheilung Die Anatomie, der Chemismus und die Physiologie der Pflanzen (1829); 3. Abtheilung Die Bodenkunde in land- und forstwirthschaftlicher Beziehung (1830): „Die Waldweide und Waldstreu in ihrer ganzen Bedeutung für Forst-, Landwirthschaft und Nationalwohlfahrt“ (1830); „Lehrbuch der Forstpolizei“ (1831 als 3. Abtheilung seiner Encyklopädie, neu aufgelegt in den J. 18.., 1840 und 1859); „Die Staatskräfte des Großherzogthums Hessen“ (1833). Außerdem gab H. auch Zeitschriften heraus: „Beiträge zur gesammten Forstwissenschaft“ (7 Hefte in 3 Bänden 1824–33); „Forstliche Berichte und Miscellen“ (2 Hefte, 1830 und 1832) und „Zeitbedürfnisse in politischer, administrativer und gewerblicher Beziehung oder staatswissenschaftliche Beiträge“ (1 Heft 1832). – Schon seit 1830 konnte H. wegen zunehmender Kränklichkeit und hierdurch gestiegener Reizbarkeit seine Vorlesungen nicht mehr regelmäßig abhalten. Das Frühjahr 1833 warf ihn vollends auf das Krankenlager. Nach neunmonatlichen schweren Leiden verschied er im 51. Lebensjahre an den Folgen einer Leberverhärtung. In dem Berichte, welchen die Universität über sein Ableben erstattete, heißt es: „Der Verlust eines Mannes von so gründlicher Gelehrsamkeit und von so großem und verdientem Rufe ist für die Akademie ein sehr empfindlicher.“
Hundeshagen: Johann Christian H., Dr. phil., Forstmann, geb. am 10. August 1783 zu Hanau, † am 10. Februar 1834 zu Gießen, gehört mit zu den glänzendsten Namen, welche die Geschichte der Forstwissenschaft aufzuweisen hat. Ein scharfsinniger, nicht nur forsttechnisch, sondern auch naturwissenschaftlich und cameralistisch fein gebildeter Kopf, productiv und genial angelegt, als Lehrer anregend und befruchtend wirkend, geistvoller Autor, erreichte er zu Lebzeiten wol nur deshalb geringere Erfolge, als z. B.Es erübrigt noch, Einiges über die geistigen Errungenschaften durch H., namentlich aus der Gießener Periode, und über dessen Lehrthätigkcit zu sagen. Das Bild, welches Ratzeburg hierüber und über H. überhaupt entwirft, ist einseitig (blos vom Standpunkte des Naturforschers aus) und überdies durch eine unverkennbare Hinneigung zu Pfeil, wol dem größten Antipoden meines berühmten Vorgängers im hiesigen Lehramt, getrübt. Dagegen hat meines Erachtens Bernhardt eine treffende Schilderung des Verewigten geliefert. In H. repräsentirt sich uns einer jener echten Gelehrten, welche die Wissenschaft als Selbstzweck auffassen. Den einsam auf der Höhe stehenden Forstprofessor verstanden nur wenige Fachgenossen. Der großen Menge der Praktiker blieb er mehr fremd, weil er in anderer Sprache, als der gewohnten, redete und nicht zu ihnen herabstieg. Sein Heiligthum war noch dazu mehr das Studirzimmer als der Wald. Das Reisen war nicht seine Sache, und dem forstlichen Vereinswesen gegenüber blieb er stets ein Fremdling. Die Beurtheilung seiner naturwissenschaftlichen [405] Schriften – nach dem Maßstabe der damaligen Zeit – ist nicht meine Sache. Selbstverständlich ist ihr Inhalt jetzt veraltet (H. stand noch auf dem Boden der alten Humustheorie); anregend haben sie aber gewiß gewirkt (s. Ratzeburg). In seinen forstlichen Werken verarbeitete er weniger sogenannte praktische Erfahrungen, obschon er, in Folge seiner früheren praktischen Thätigkeit, im Walde sehr wohl zu Hause war und namentlich die Laubholzwirthschaft im westlichen und südlichen Deutschland gründlich kannte, was selbst Pfeil eingesteht, als vielmehr speculative Ideen, die er aber auch durch Versuche (s. später) in die Praxis überzuführen suchte. Durch und durch Systematiker, baute er in allen seinen Schriften insbesondere das System der Forstwissenschaft aus und „fügte eine Reihe neuer wissenschaftlicher Aufgaben in die Tagesordnung der Forstwissenschaft ein“ (Bernhardt). Seine Begabung für die wissenschaftliche Vertiefung in einen Gegenstand und Verfolgung einzelner Ideen zeigt sich am deutlichsten in seiner Forstabschätzung. Pfeil sagt hiervon: „Dieses Buch macht Anspruch darauf, die Forstabschätzung zuerst vernunftgemäß zu ergründen … Es verdient unsere ganze Aufmerksamkeit und zwar um so mehr, als der Verfasser gewohnt ist, seinen Gegenstand scharf in das Auge zu fassen“ (Krit. Bl. IV. 1. 1828, S. 1 u. f.). Obschon der grundlegende Gedanke dieser Methode dem fürstlich Lippe’schen Oberförster Johann Christian Paulsen zu Schieder, später zu Biesterfeld (geb. am 15. November 1748, † am 10. Januar 1825) zukommt, so bildete doch erst H. die Methode des sogenannten Nutzungsprocentes aus und gab ihr den Beinamen „rationelle“. Das Wesen dieser Formelmethode zum Zwecke der Ermittelung des nachhaltigen Etats eines Forstes ergibt sich aus dem Verhältniß n v (Normalvorrath, d. h. Summen aller Massenglieder in einem normalen Walde) : n e (Normaletat oder Normalzuwachs, d. h. letztes Glied der Massenreihe) = w v (wirklicher Vorrath,) : w e (wirklicher Etat). Der Ausdruck n e/n v/{{{2}}} ist das Nutzungsprocent. Durch Multiplikation desselben mit dem concreten Vorrathe eines Waldes ergibt sich die jährlich nutzbare Holzmasse. Dieses Verfahren, durch seine Einfachheit bestechend, hat eifrige Anhänger, zumal in Süddeutschland, gefunden, aber auch heftige Gegner. Daß es nie eigentliches Gemeingut der Praxis geworden, liegt in inneren Gründen, deren Darlegung hier zu weit führen würde.
H. ist ferner – hierin liegt wohl seine Hauptbedeutung – Schöpfer der sogenannten „Forstlichen Statik“, welche er der landwirthschaftlichen nachgebildet hatte. Er führte diese Disciplin 1826 als „Lehre von der Meßkunst der forstlichen Kräfte und Erfolge“ in das forstwissenschaftliche System ein und war unablässig bemüht dieselbe weiter auszubilden. Er hatte mit seinem scharf und weit sehenden Blick zuerst erkannt, daß die bloße Beobachtung und Erfahrung im Walde, wie sie sich gerade zufällig biete, nicht mehr genüge, sondern daß die forstliche Theorie vielmehr durch exacte Versuche, durch das Experiment begründet und gestützt werden müsse. Seine Beiträge, forstlichen Berichte und Miscellen enthalten werthvolle forststatistische Untersuchungen (über den Holzertrag der verschiedenen Betriebsarten, den Einfluß der Waldstreunutzung auf den Holzertrag der Forste, den Einfluß der Bodenkraft auf den forstlichen Ertrag der Wälder etc.). Im Wintersemester 1827/28 hielt er in Gießen die ersten öffentlichen Vorlesungen über Forststatik. 1828 veröffentlichte er dieselben ausführlicher als einen Abschnitt seiner Gewerbslehre. Er handelte hierunter die Lehre von den Holzzuwachsgesetzen, den forstlichen Roherträgen, dem Produktionsaufwande und dem Reinertrage ab. Von seinen späteren Schriften enthält hauptsächlich „Die Waldweide und Waldstreu“ reiches historisch-statistisches Material als Grundlage für statische Berechnungen. H. ist hiernach der eigentliche Vorläufer [406] des erst seit einigen Jahren in’s Leben getretenen staatlichen Forstversuchswesens. Wenn auch natürlich das Material, welches H. zu bieten im Stande war, durch die neueren Arbeiten wegen Vervollkommnung der Untersuchungsmethoden und reicherer Hülfsmittel inzwischen längst überholt worden ist, so werden doch die in seinen Schriften niedergelegten Grundanschauungen und Gedankenblitze dem Forscher noch auf Jahre hinaus vielfältige Anregung geben.
Was endlich Hundeshagen’s Lehrgabe betrifft, so habe ich seine Zuhörer nur mit der größten Anerkennung hiervon reden hören. Auch hier zeigte sich zwar von jeher das diesem Manne so eigenthümliche reizbare Wesen, in den letzten Jahren bis zu einer Derbheit ausartend, welche heutzutage Akademikern gegenüber kaum noch möglich sein würde. Seine Zuhörer hingen aber doch mit größter Verehrung an ihm, weil sie in dem „kranken“ Manne das „lebendige“ Feuer, den blendenden Geist zu schätzen wußten, welcher auf sie überströmte und mit fortriß, wenn sie seinen Vorträgen lauschten. Sein ganzes Leben war ein schwerer Kampf, ein mühsames Ringen um die höchsten Güter des Lebens. Er hat uns Forstwirthen ein reiches Vermächtniß, ein Pfund zum Wuchern hinterlassen.“ Er hat eine wissenschaftliche Schule gegründet, welche den Ruhm der kleinen Hochschule Gießen über weite Lande verbreitete. Wer wollte da nicht gerne die kleinen Schwächen übersehen, welche ihm als Mensch anklebten? Ueber das Grab hinaus darf keine Fehde reichen!
- Gwinner, Forstl. Mittheilungen, 1. Bd. 2. Heft 1836, S. 3. Scriba, Biograph. Lexikon, I. S. 157 und II. S. 346. Nouvelle Biographie généra1e, XXV. S. 550. Monatschrift für das Württembergische Forstwesen, VII. 1856 S. 120. Fraas, Geschichte der Landbau- und Forstwissenschaft, S. 581. Fr. v. Löffelholz-Colberg, Chrestomathie, I. S. 163, Bem. 156, II. S. 351, 372, Bem. 305 b, III. 1. S. 676, Bem. 749 c, IV. S. 139 und V. 1. S. 37. G. v. Schwarzer, Biograph., S. 16 (enthält mehrfach unrichtige Angaben). Ratzeburg, Schriftstellerlexikon, S. 265. Bernhardt, Geschichte des Waldeigenthums etc., II. S. 319 (Biographie), 358, 366; III. S. 273, 285, 297, 298, 321 u. 399. Heß, Ueber die Organisation des forstl. Unterrichts an der Universität Gießen, 1877, S. 5 u. f.