Zum Inhalt springen

ADB:Hanthaler, Chrysostomus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hanthaler, Chrysostomus“ von Franz von Krones in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 547–549, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hanthaler,_Chrysostomus&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 05:13 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Hanstein, August
Nächster>>>
Hantschl, Joseph
Band 10 (1879), S. 547–549 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Chrysostomus Hanthaler in der Wikipedia
Chrysostomus Hanthaler in Wikidata
GND-Nummer 130099864
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|10|547|549|Hanthaler, Chrysostomus|Franz von Krones|ADB:Hanthaler, Chrysostomus}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=130099864}}    

Hanthaler: Chrysostomus H., geb. am 14. Jan. 1690 zu Maribach bei Ried in Ober-Oesterr., gest. zu Lilienfeld am 2. Septbr. 1754. Unter den Klostergeistlichen, welche in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts dem Aufschwunge quellenmäßiger Geschichtsforschung im Lande Oesterreich ihre beste Kraft widmeten und auch auf dem Boden der historischen Hilfswissenschaften, namentlich der Münzkunde Verdienstliches schufen, steht H. nicht in letzter Linie. Ein Sohn armer Landleute, brachte der Knabe an seinen Studienort Salzburg nur sein Talent und die eiserne Beharrlichkeit mit, welche die drückendsten Lebensverhältnisse überwinden lernt. Der Versuch, im St. Peterskloster allda den Eintritt zu finden, mißlang; so wandte sich der Jüngling der juridischen Laufbahn zu und kämpfte [548] als Corrector in einer Druckerei so wie als Instructor mit der Noth des Daseins. Sein innerster Drang, als Geistlicher Muße und Mittel zur Arbeit als Gelehrter auf historischem Felde zu erlangen, fand endlich Befriedigung, da sich ihm als Theologen der Wiener Universität das Kloster Lilienfeld im Wiener Walde, eine Schöpfung des vorletzten Babenbergers vom J. 1202, erschloß (1716) und der rastlos thätige Cisterzienser nun bald als Bibliothekar des Stiftes Gelegenheit fand, seine Lieblingsneigungen in umfassendster Weise zu bethätigen. Es war die Zeit, in welcher die Melker Conventualen, Bernhard und Hieronymus Petz, den Ruhm der Benedictiner Oesterreichs im Bereiche der Geschichtswissenschaft zu begründen beflissen waren; ihre Lorbeeren ließen H. nicht ruhen, bis auch er Gelegenheit fand, mit einem großen Quellenwerke hervorzutreten, und den bereits früher durch den Abt Linck zu Zwettl begründeten Ruf wissenschaftlichen Strebens der österreichischen Cisterzienser auf dem Felde geschichtlicher Heimathkunde zu erhöhen. Mit unsäglichem Fleiße trug H., nebenbei auch als Numismatiker produktiv, den weitschichtigen Stoff zu einer Geschichte Oesterreichs mit besonderer Rücksicht auf sein Kloster, zusammen, welche auf 4 Folianten berechnet, schon in den Jahren 1730–45 vollendet war. Im Drucke erschien jedoch der I. Band erst 1747, der II. im Todesjahre des Verfassers. Das Werk führt den Titel Fasti Campililienses (Jahrbücher von Lilienfeld). Der erste Band reicht bis 1300, der zweite bis 1500. Die ungemein durchsichtige Gliederung ist nach Jahrhunderten, Decaden und Jahren. Reichhaltige Summarien, Tafeln der geistlichen Würdenträger, der weltlichen Fürsten, Adelsgeschlechter, Uebersichten denkwürdiger Orte, benützter Geschichtschreiber, Betrachtungen aller Art, vor Allem aber umfangreiche Urkundenanhänge lassen Hanthaler’s Werk noch immer als eine wichtige Fundgrube des Geschichtlichen erscheinen. Die beiden letzten handschriftlichen Bände der Fasti Campililienses blieben zufolge des Todes Hanthaler’s liegen und wanderten bei der Aufhebung des Klosters (1789) in die Wiener Hofbibliothek, während die bereits vorhandenen Kupferplatten zu den diplomatisch treuen Abbildungen alter Grabmäler, Siegel, Bullen, Monogramme etc. das leidige Geschick hatten, dem Küchengeräthe des Klosters auf den Trödelmarkt das Geleite zu geben. Der glückliche Zufall wollte es, daß volle 22 Jahre später der damalige Abt des wiederhergestellten Stiftes, der würdige Ladislaus Pyrker, das verschwundene werthvolle Vermächtniß seines hingeschiedenen Ordensbruders dem unwürdigen Verstecke entreißen konnte und nun 1818 den Nachlaß Hanthaler’s unter dem Titel „Fastorum Campil. Chrysostomi Hanthaler continuatio, seu recensus genealog. diplomaticus archivi Campililiensis“ zu Wien herausgab. Zum Ehrengedächtniß der Stifter und Wohlthäter seines Klosters hatte H. 1744–1745 zu Linz das dreibändige Werk: „Grata pro gratiis memoria eorum, quorum pietate vallis de campo liliorum et surrexit et crevit“ und als Numismatiker 1735–1753 eine Reihe von „Exercitationes faciles de numis veterum pro tyronibus …“ herausgegeben. Bedeutend war der litterarische Nachlaß des Verstorbenen; denn im Ganzen hatte er 49 Werke unter die Feder genommen. Wir müssen aber noch einer anderen Seite geschichtswissenschaftlicher Thätigkeit Hanthaler’s gedenken, welche wie bedauerlich auch für seinen Ruf als Gelehrter, denn doch andererseits für seine gründliche Belesenheit in den mittelalterlichen Geschichtschreibern Zeugniß ablegt und nur im falschen Ehrgeiz ihre Erklärung findet. Die Rivalität mit den Gebrüdern Petz verleitete ihn, vier Chronisten der babenbergischen Epoche der gelehrten Welt vorzuführen, die nunmehr von der Wissenschaft als unterschoben oder gefälscht gebrandmarkt werden. Im J. 1742 veröffentlichte H. die „Notulae anecdotae“ aus der Chronik des angeblichen Aloldus von Pechlarn für die Zeit von 1034–1056 und führte diesen Gewährsmann als „Kaplan des Markgrafen [549] Adalbert“ (1018–1055) ein, aber gleich in Gesellschaft eines zweiten Chronisten, des Ortilo, „eines der ersten Mönche von Lilienfeld“, den er im Kloster Klein-Mariazell entdeckt zu haben vorgab. Dieser zweite Findling Hanthaler’s, Genosse des ausgehenden 12. und beginnenden 13. Jahrhunderts, erklärt, jene Auszüge aus der Alold’schen Chronica illustr. stirpis Babenbergicae in Osterrichia dominantis als Grundlage der eigenen Chronographie gemacht und verwerthet zu haben; die Chronik Alold’s selbst sei bei einem Brande des Klosters Heiligenkreuz, welchem Ortilo mit anderen Mönchen vor der Uebersiedelung nach Lilienfeld angehört habe, zu Grunde gegangen. Während die Chronik des Aloldus für die Zeit von 908–1060 als Basis Ortilo’s ausgegeben wird, setzt sich das weitere aus dessen angeblichen Excerpten verschiedener Quellen für die Jahre 1065–1198 und aus der eigenen Chronik für die Zeit von 1198–1230 (meist Klostergeschichte) zusammen. Während nun H. die beiden ersteren Theile besonders herausgab, erklärte er den dritten für seine Fasti Campililienses vorbehalten zu wollen. Gleiches that er auch mit einem weiteren seiner „entdeckten“ Chronisten, dem angeblichen Ricardus, Kanoniker von Kloster Neuburg, Zeitgenossen Markgraf Leopolds d. H., welchen er aus den Excerpten eines gewissen Leupoldus de Newnburga, Cisterciensers von Lilienfeld um 1330 kennen gelernt habe. Diesem „Ternio scriptorum veterum austriacorum“ (Fasti Campil. I, 2, 1308) fügte H. noch einen vierten „babenbergischen Chronisten“, den angeblichen Pernoldus, Beichtvater Margarethens, der Schwester des letzten Babenbergers, einen Dominicaner bei, und zwar als Geschichtschreiber der Jahre 1230–1267 (F. Camp. I. 789 vgl. 1312). Schon zu Zeiten Hanthaler’s wurde man durch Widersprüche zunächst gegen seinen Ortilo mißtrauisch; ein Kritiker nannte ihn spöttisch Ortilo von „Lugenfeld“. H. mußte sich mit einem Dialogus zur Vertheidigung seines Gewährsmannes abmühen. Andere hielten den Aloldus und Ortilo kurzweg für eine Fälschung, Andere für eine Fiction des 15. und 16. Jahrhunderts. Sehr mißtrauisch, wenngleich schonend, benahm sich unter Andern der scharfsinnige Calles in seinen Annales Austriae (I. praef.). Die Vertheidigung des Ortilo durch Khautz in dessen Untersuchungen des österr. Wappenschildes wog nicht schwer. Unserem Jahrhunderte war es vorbehalten, durch die Bemerkungen Blumberger’s, Chmel’s, insbesondere aber durch die Kritik Palacky’s, Wattenbach’s u. A. die Ueberzeugung gewonnen zu haben, daß alle vier Chronisten Hanthaler’s ein System von Fälschungen seien, wobei man nur die dafür aufgewendete Mühe eines sonst so verdienstvollen und bienenfleißigen Historikers und mehr noch die Schädigung seines guten Namens bedauern müsse.

Ueber Hanthaler’s Leben und Wirken: Hormayr’s Arch. VII. 1816. IX. 1818. X. 1819. Oesterr. Nat.-Encycl. II, 500. Ersch-Gruber’s Encycl. II, 2. Bergmann, Pflege der Numismatik in Oesterr. XVIII. Jahrh. (Wien 1856) und Sitzungsb. d. Wiener Akademie h.-ph. Cl. (XIX. S. 31) Wurzbach, Biogr. Lex. 7. Bd. – Ueber s. „Chronisten“ s. Spec. bibl. austr. II. 251 f. Calles, ann. Austr. I. praef. Blumberger in den Wiener Jahrb. 1839, 87. Bd. Bl. 21. Chmel, Handschr. d. Wiener Hofbibl. II, 656. Palacky, Abhandl. d. böhm. Gesellschaft d. Wissenschaften, 5. Folge, 2. Bd. 1841, S. 29. Wattenbach, d. oe. Freiheitsbriefe, Arch. f. K. oe. G. 8. Bd. 105–107. Vgl. f. deut. Geschschr. d. MA. 4. Aufl. 2. Bd. S. 401–402.