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ADB:Hanstein, August

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Artikel „Hanstein, Gottfried August Ludwig“ von Otto von Ranke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 543–547, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hanstein,_August&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 20:10 Uhr UTC)
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Hanstein: Gottfried August Ludwig H. ist den 7. Septbr. 1761 als der Sohn des Criminalrath H. in Magdeburg geboren. Durch den einfachen frommen Sinn der Mutter, einer geborenen Couderk, welche der französischen [544] Colonie entstammte, sowie durch die Predigten, welche der Knabe und Jüngling in Magdeburg hörte, hatte H. sich schon von frühester Jugend auf zum geistlichen Stande entschlossen. Für seinen späteren Beruf mag es von nicht geringer Förderung gewesen sein, daß er sich mit seinem Freunde Petri zum Gesetz machte, jeden Sonntag womöglich je zwei Prediger zu hören, die Dispositionen der Predigten sich zu merken und dieselben hernach sich gegenseitig mitzutheilen. Nachdem er die Domschule in Magdeburg besucht, welche damals unter G. B. Funk (Bd. VIII, S. 201) in hoher Blüthe stand, bezog er 1779 die Universität Halle. Hier hörte H. außer den eigentlichen theologischen Collegien bei Knapp, Nösselt, Niemeyer auch Mathematik und Physik bei Karsten, Philosophie bei Eberhard. 1782 kehrte er nach Magdeburg ins Elternhaus zurück. Sein früherer Rector Funk stellte ihn als Lehrer an der Domschule an. Außer dem Unterricht im Lateinischen (Horaz in der Prima) und Hebräischen, wurde ihm auch derselbe in der Mathematik, seinem Lieblingsstudium übertragen. Um das Elementarschulwesen der Provinz machte H. sich dadurch verdient, daß er Funk bewog, aus den Chorschülern ein Seminar für Stadt- und Landschullehrer zu bilden. Ihm selbst fiel bei diesem Institut der Unterricht in der Pädagogik zu; auch hatte er die katechetischen Uebungen der Präparanden zu leiten. Zur selben Zeit hatte er auch den Unterricht an der von seiner Tante Couderk geleiteten Töchterschule übernommen. So vollauf im Schulfach wirksam, sah H. dasselbe doch nur als ernste Vorbereitung für seinen späteren geistlichen Beruf an. 1787 folgte H. einem Ruf des Magistrats von Tangermünde in die dortige dritte Predigerstelle. Die Antrittspredigt, welche er am 14. Oct. 1787 gehalten, hat er zu Gunsten eines milden Zweckes zum Drucke befördert. Nach zwei Seiten hin verstand er es bald seine Wirksamkeit auszudehnen. Es gelang ihm, sämmtliche Candidaten des Predigtamtes, welche in der Nachbarschaft wohnten, zweimal im Monat um sich zu sammeln. Unter seiner Leitung übten sich hier die jungen Männer im homiletischen Gebrauch der Bibel; im Disponiren, Halten und Kritisiren von Predigten; im Katechisiren. Mehr nach außen bemerkbar war die andere Wirksamkeit Hanstein’s. Er entschloß sich zur Herausgabe eines der homiletischen Litteratur ausschließlich gewidmeten Journals: „Homiletisch-kritische Blätter“. Das erste Stück dieses aus Recensionen, Abhandlungen, historischen Nachrichten bestehenden Journals erschien 1791. In der Vorrede, nachdem zunächst beklagt wird, daß kein Amt unvorbereiteter angetreten und im Ganzen mit weniger Rücksicht auf wahre Anlage und würdige Anschickung verliehen werde als das der christlichen Religionslehre, wird als Zweck dieser Sammlung homiletisch-kritischer Aufsätze „mehr Geschmack am Predigtwesen und richtigere Grundsätze darüber auf der Einen, mehr thätigen Uebungsgeist und Erleichterungen dafür auf der anderen Seite unter den Candidaten des Predigtamts auszubreiten“, angegeben. Das Unternehmen hatte den besten Erfolg. Es gelang eine Reihe trefflicher Mitarbeiter zu gewinnen, wie Schuderoff, Klefecker in Hamburg, Pischon (damals in Halle), Nebe, Gen.-Sup. in Eisenach und v. A. Es konnten daher in den Jahren 1791–99 9 zum Theil starke Hefte herausgegeben werden, denen dann in Quartalsheften bis Mitte 1811 26 Bände folgten. Der Versuch diese homiletisch-kritischen Blätter 1813 als kritisches Jahrbuch für Homiletik und Ascetik wieder aufleben zu lassen, scheiterte an den kriegerischen Zeitverhältnissen. Unter den Aufsätzen, welche H. für diese Blätter geschrieben, dürften die Artikel: Kritik der äußerlichen Beredsamkeit hervorgehoben werden. Welche Bedeutung, welchen Einfluß für die Entwicklung der damaligen Predigtweise den homiletisch-kritischen Blättern Hanstein’s zuerkannt werden muß, dafür gibt kein Geringerer als Schleiermacher selbst beredtes Zeugniß. In einem besonderen Aufsatz hat Schleiermacher die Verdienste Hanstein’s um die Förderung [545] der Kunst des kirchlichen Vortrages hervorgehoben. (Zum Ehrengedächtniß G. A. L. Hanstein’s. Einige Worte über homiletische Kritik. Sämmtliche Werke von Friedrich Schleiermacher, Band V, S. 463–76. Berlin, G. Reimer 1846.) Gleich charakteristisch für Schleiermacher und H. heben wir aus diesem Aufsatz folgendes hervor: „Soll aber ein kritisches Institut dieses so erfreuliche Geschäft (das Anpreisen des Ausgezeichneten und Musterhaften) rein und vollständig ausüben, so muß es vorzüglich mit großer Unparteilichkeit geleitet werden, so daß auch, wenn die religiöse Denkungsart und Auffassungsweise eines Redners so sehr, als innerhalb des Christenthums nur möglich ist, von der seines Beurtheilers abweicht, dies dennoch dem gerechten Urtheil über die Darstellung keinen Eintrag thut“. Diese Eigenschaft, die sich am schönsten zeigen kann, wenn recht viele verschiedene Ansichten in der Kirche neben einander bestehen, ist in den homiletisch-kritischen Blättern unverkennbar. Welchem System ein Redner auch zugethan sei, hat er Meisterhaftes geleistet, so wird es anerkannt und übertriebene Einseitigkeiten der Glaubensweise finden wir nur deshalb scharf herausgehoben, weil sie allemal der Mittheilung selbst gefährlich werden. Theils durch die Herausgabe der homiletisch-kritischen Blätter, theils durch Veröffentlichung von 3 Predigten: „Ueber die Beherrschung der Leidenschaften“, hatte sich H. allgemeiner bekannt gemacht. Auch Propst Teller in Berlin war auf ihn aufmerksam geworden. Teller forderte H. auf, an dem von ihm herausgegebenen Neuen Magazin für Prediger mitzuarbeiten. Dieser Aufforderung kam H. bereitwillig nach. Auf einer 1799 unternommenen Reise machte H. nun auch die persönliche Bekanntschaft mit dem ihm bereits litterarisch engverbündeten Kreis Berliner Prediger, welche in Teller ihren geistigen Mittelpunkt gefunden hatten. Diese Freunde, mit welchen H. durch die zweite Ehe, die er mit Emilie Willmsen einging, noch enger verbunden wurde, unternahmen nun auch für H. zu sorgen. So kam es, daß das Domcapitel in Brandenburg auf Vorschlag Tellers den Diaconus H. 1803 zum Oberdomprediger wählte. Seitens der kirchlichen Behörden wurde H. die geistliche Inspection der unter dem Patronat des Domcapitels stehenden Diöcese übertragen. H. trat diese Stelle mit einer Predigt über 2. Cor. 4. am 8. April 1803 an. Außer seinem geistlichen Amt konnte er in Brandenburg auch seiner Liebe zur Schule wieder nachgehen. Als Ephorus der Ritterakademie besuchte H. diese Anstalt gern; den jüngeren Lehrern, meist Candidaten der Theologie, stand er mit Rath und That bei. Mit dem Rector Arnold war er in inniger Freundschaft verbunden. Auch der armen verlassenen Kinder des Dombezirks nahm er sich liebevoll an. Er verschmähte es nicht, in der von der Frau Rector Arnold freiwillig geleiteten kleinen Erwerbschule einige Stunden selbst zu übernehmen; so durch sein Beispiel auch andere Kräfte für die Anstalt gewinnend. Einer litterarischen Gesellschaft aus Geistlichen, Juristen und einem Mediciner bestehend, präsidirte H. in Brandenburg. Dieselbe hatte sich die „Erforschung der wirksamsten Mittel Religiosität und Sittlichkeit unter den Menschen zu befördern“ – zur Aufgabe gestellt. H. selbst lieferte für die Gesellschaft mehrere Aufsätze, darunter: „Ueber das Verhältniß der Vernunft zur Offenbarung“, „Ueber die zweckmäßigste Bildung der Candidaten zum Predigtamte“. – Doch nicht lange sollte H. in Brandenburg bleiben. König Friedrich Wilhelm III. berief ihn im November 1804 zum Adjuncten und einstigen Nachfolger (in allen seinen Aemtern) des Propstes Teller an der St. Petrikirche in Berlin. Noch am 4. December bewillkommnete Teller den gleichgesinnten Freund brieflich: Niemand freue sich sehnlicher auf Hanstein’s Kommen, als er. Doch bereits 4 Tage später starb Teller unerwartet schnell. So kam es, daß H. alsbald in alle Aemter seines Vorgängers berufen wurde, als Propst von St. Petri, als Superintendent der Diöcese Berlin (Stadt und Land), als Mitglied [546] des 1808 aufgelösten Oberconsistoriums. Am 31. März 1805 führt Oberconsistorialrath Hecker H. als Propst von St. Petri ein. Schon durch sein starkes und angenehm tönendes Organ machte die Antrittspredigt (2. Cor. 5, 20) den günstigsten Eindruck auf die Gemeinde. Was Hanstein’s Predigten vor den seiner Zeitgenossen auszeichnete, war die reine, zum Theil edle Sprache seiner Rede. Im Gegensatz zu allerhand Geschmacklosigkeiten, in denen sich damals noch so manche Prediger gefielen, Citate aller Art und Sprache auf die Kanzel zu bringen, suchte H. sich einer reinen deutschen Sprache zu befleißigen. Seine Predigten, welche regelmäßig auf das Sorgfältigste ausgearbeitet waren, galten bei den Zeitgenossen für Musterpredigten. Er gab sie meist bald zum Druck. Viele veröffentlichte er in Journalen, die meisten in Ribbeck’s Magazin neuer Fest- und Casualpredigten. In den Jahrgängen 1816–20 finden sich ihrer hier allein über 60. Andere gab er einzeln heraus; zumal in den Kriegsjahren. Inhaltlich erheben sich diese Predigten kaum über das Niveau der Zeit. Als Nachfolger Teller’s, des eigentlichen Repräsentanten des Berliner Rationalismus – schloß sich H., wenn auch in milder und gemäßigter Weise, der damals alle Kanzeln beherrschenden Richtung eines supranaturalistischen Rationalismus an. In formaler Beziehung, freilich in dieser allein, in der sogenannten körperlichen Beredsamkeit wird sich sein Name in der Geschichte der evangelischen Homiletik behaupten. – H. hatte die nun folgenden Jahre schwerster Erniedrigung Preußens, die Occupation Berlins durch die Franzosen in seiner hervorragenden Stellung durchzumachen. Er selbst kam mit den französischen Machthabern in Conflict. Bei der Einführung des Superintendenten Sadewasser in Havelberg war Hanstein’s Predigt behorcht worden! Er wurde beschuldigt, das Volk der französischen Regierung abwendig zu machen, und es zum Ungehorsam und zur Untreue gegen dieselbe zu reizen. H. schickte seine sämmtlichen Predigten, darunter die Havelberger Introductionsrede dem französischen Gouvernement zu seiner Vertheidigung ein. Bei einer Audienz, welche er in dieser Angelegenheit bei dem französischen Gouverneur von Berlin Marschall Davout hatte, mußte sich der des Französischen unkundige Mann von Schleiermacher, der geläufig französisch sprach, vertheidigen lassen. Davout entließ die beiden evangelischen Prediger nicht ohne ihnen zuvor eine Anweisung zu ertheilen, was und wie sie predigen sollten! Mitten in dieser unglücklichen Zeit gelang es H. und einigen seiner Freunde eine Anstalt zu gründen, in welcher Knaben, die in Gefahr standen zu verwildern, erzogen werden sollten. Nachdem der Magistrat der Gesellschaft die Propstei auf dem Nicolaikirchhof für die Anstalt überlassen, wurde die Königin Louise angegangen, das Protectorat zu übernehmen. Gleichzeitig sollte die Anstalt den Namen: Louisenstiftung erhalten. In einem am 31. August 1807 datirten Schreiben an H. nahm die Königin das Protectorat mit Dank an. Dem höchst merkwürdigen Brief entnehmen wir zwei Stellen: „Neigung zum Wohlthun war von jeher ein hervorstechender Zug in dem Charakter der Berliner, nie aber hat sich diese schöner entwickelt, als in dem eben beendigten unglücklichen Kriege durch die von Ihnen, würdiger Herr Propst, angezeigte Stiftung … Der Krieg, der soviel unvermeidliches Uebel über die Nation brachte, deren Landesmutter zu sein mein Stolz ist, hat auch manche schöne Frucht zur Reife gebracht und für so vieles Gute den Samen ausgestreut. Vereinigen wir uns, ihn mit Sorgfalt zu pflegen, so dürfen wir hoffen, den Verlust an Macht durch Gewinn an Tugend reichlich zu ersetzen“ … So konnte H. diese Anstalt durch eine Rede, die er auf dem geräumigen Hofe unter einem alten Nußbaum vor einer zahlreichen Versammlung hielt, am 9. September desselben Jahres einweihen! Noch ein persönlich schweres Unheil traf H. und seine Petrigemeinde in der sonst schon so schweren Zeit. In der Nacht vom 19. bis [547] 20. Septbr. 1809 brannte die schöne Petrikirche völlig nieder. Die Petrigemeinde mußte sich weit über die Lebensjahre Hanstein’s hinaus mit einem fremden Gotteshause begnügen. König Friedrich Wilhelm III. gestattete der lutherischen Petrigemeinde die Mitbenutzung der reformirten Domkirche. Die Tage der Erhebung, der Befreiungskriege, des Friedens und der Rückkehr des Königs in seine Hauptstadt klingen in den patriotisch gehaltenen Predigten Hanstein’s aus jener Zeit überall durch. Nach der Rückkehr des Königs begann für den bei Auflösung des Oberconsistorii (1808) in das Ministerum für Cultus berufenen Oberconsistorialrath eine Zeit angestrengtester Thätigkeit. In fast allen Commissionen, welche der König zur Reform des Kirchenwesens berufen hatte, hatte H. das Protocoll zu führen. Besondere Aufgaben brachte für ihn das J. 1817. Der König wollte das Jubeljahr der Reformation zum Jahr der Union der lutherischen und reformirten Kirche in Preußen machen. H. ging mit Begeisterung auf die Absichten des Königs ein. Auf Hanstein’s Betrieb vereinigten sich 46 Berliner Prediger am 1. October zu dem Beschluß, die Jubelfeier durch eine gemeinsame Feier des heiligen Abendmahls in der Nicolaikirche zu begehen. Auch bei der unmittelbar darauf berufenen Berliner Synode hatte H. als scriba zu fungiren. Auf 19 Bogen stellte er das Resultat der Berathungen dieser ersten, auf 26 Bogen die Beschlüsse der zweiten, im folgenden Jahr gehaltenen Kreissynode zusammen. 1819 erhielt er den schwierigen Auftrag, die Resultate aller Kreissynoden der Provinz Brandenburg aus den Protocollen zu sammeln, um sie der Provinzialsynode vorlegen zu können. Zu gleicher Zeit gehörte er der Commission an, welche ein neues Gesangbuch für die Berliner Gemeinden ausarbeiten sollte. Ein Mitglied dieser Commission berichtet, daß H. sein poetisches Talent dabei sehr von Nutzen gewesen sei! Es ist bekannt, daß sich Goethe vom poetischen Standpunkt aus gegen die Verwässerungen der evangelischen Kernlieder in sehr drastischen Worten ausgesprochen hat! Für Berlins kirchliche Vereinsgeschichte ist es von Wichtigkeit, daß H. auch Mitglied des Curatoriums der preußischen Hauptbibelgesellschaft und Mitgründer des nach englischem Vorbilde geschaffenen Vereins für Erbauungsschriften gewesen ist, an dessen Jahresfest 1818 er die Festpredigt hielt. Aus diesem großen Wirkungskreise wurde H., der rastlos arbeitend, die Gebrechen seines nicht gerade starken Körpers nicht geachtet hatte, am 23. Febr. 1821 durch den Tod abberufen. Schleiermacher hat ihm die Grabrede gehalten und wohl mag Goethe’s Wort von ihm gelten: Wer den Besten seiner Zeit genug gethan, der hat gelebt für alle Zeiten.

Denkmal der Liebe geweiht dem verewigten Propst Dr. Gottfried Aug. Ludwig Hanstein, von Freunden und Verehrern, Berlin bei Dieterici und Mittler, 1821 (Verfasser ist der Schwager Hanstein’s. Prediger Willmsen). Zur Kirchengeschichte Berlins, von Dr. Gustav Lisco, Berlin 1857. Die Schicksale der St. Petrikirche in Berlin von ihrer Gründung bis auf die neueste Zeit. Berlin 1845.