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ADB:Harleß, Christian Friedrich

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Artikel „Harleß, Johann Christian Friedrich“ von August Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 605–607, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harle%C3%9F,_Christian_Friedrich&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 06:58 Uhr UTC)
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Harleß: Johann Christian Friedrich H., Arzt, ist am 11. Juni 1773 in Erlangen geboren, wo sein Vater den Lehrstuhl der Philologie bekleidete, Schon in früher Jugend wurde in dem lernbegierigen, durch das Beispiel seines Vaters angespornten Knaben der Sinn für philologische und historische Studien angeregt, und er gab sich denselben mit solchem Eifer und solchem Erfolge hin, daß er, mit classischer Bildung ausgestattet, bereits in seinem 16. Lebensjahre die Universität beziehen konnte. Seine Neigung, besonders durch den Anatomen Isenflamm gefördert, wies ihn auf das Studium der Medicin hin; 1793 erhielt er die philosophische Doctorwürde und ein Jahr darauf wurde er unter Einreichung seiner „Dissertatio historiam physiologiae sanguinis antiquissimae exhibens“ (später in erweiterter Form unter dem Titel: „Versuch einer Geschichte der Physiologie des Blutes im Alterthum“ in Sprengel, Beiträge zur Geschichte der Medicin, 3. Stück, S. 151, erschienen), zum Doctor der Medicin promovirt. – Bis gegen Ende dieses Jahres verweilte er behufs Vervollständigung seiner wissenschaftlichen Ausbildung in Wien und kehrte dann in seine Vaterstadt zurück, wo er sich als praktischer Arzt und Docent für theoretische und praktische Medicin habilitirte. Im Jahre darauf ging er noch ein Mal nach Wien, um die Klinik Peter Frank’s zu besuchen und nach seiner Rückkehr gegen Ende des Jahres wurde er zum Prof. extraord. ernannt. Bei diesen beiden Gelegenheiten veröffentlichte er „Neurologiae primordia Spec. I. II.“, welche später in deutscher Bearbeitung als „Versuch einer vollständigen Geschichte der Hirn- und Nervenlehre“ 1801 erschienen sind. – Trotz der sehr ausgebreiteten Praxis, welche sich ihm bald eröffnete, entwickelte H. nun eine große schriftstellerische Thätigkeit, mit welcher er sich nicht nur auf eigene Productionen in den verschiedensten Gebieten der Heilkunde beschränkte, sondern die er auch auf Uebersetzungen werthvoller fremdländischer Werke und auf die Herausgabe von Sammelschriften und Journalen ausdehnte. – Diese vielumfassende Thätigkeit hatte ihn in nahe collegialische Beziehungen zu zahlreichen der bedeutendsten Aerzte Deutschlands, zu Hufeland, der zu seinen ältesten und intimsten Freunden zählte, zu Röschlaub, Markus, Siebold Vater und Sohn, Friedreich u. A. gebracht und ebenso war er auf den Reisen, welche er in den J. 1801 und 1803 nach Italien gemacht hatte, mit vielen der dortigen Gelehrten, mit Volta, Fontana, Savi, [606] Scarpa, Mascagni, Cotugni, Brera u. A. genauer bekannt geworden. Die allgemeine Anerkennung seiner Gelehrsamkeit und seiner praktischen Tüchtigkeit sprach sich aber nicht nur in dem Beifall aus, den die Gelehrtenwelt ihm zollte, sondern auch in ehrenvollen Berufungen auf Lehrstühle der Medicin nach München, Wien und Heidelberg, die er jedoch aus Anhänglichkeit an seine Vaterstadt dankend ablehnte; ebenso schlug er auch 1814 einen Ruf an die Universität in Berlin aus, in Anerkennung dessen er zum Prof. ord. und zum Mitdirector der medicinischen Klinik in Erlangen ernannt wurde. – Auf einer Reise nach Karlsbad war H. mit dem daselbst weilenden preußischen Staatsminister Hardenberg bekannt geworden und diesem gelang es, ihn für die neu zu begründende rheinische Universität zu gewinnen, deren Sitz nach Bonn verlegt wurde und an welche H. sich im J. 1818 begab, um zunächst die Vorbereitungen zur Feststellung eines medicinischen Studienplanes zu treffen und die klinischen Anstalten zu organisiren; er war einer der ersten, die im Wintersemester 1818–19 die Vorlesungen begannen. – Während des ersten Jahres verwaltete er die Professur der medicinischen Poliklinik, später gab er dieselbe an Nasse ab, und beschränkte seine akademische Thätigkeit lediglich auf theoretische Vorlesungen. – Von der sehr umfangreichen ärztlichen Thätigkeit, welche H. auch in Bonn gefunden hatte, zog er sich erst in vorgerücktem Alter zurück, der Wissenschaft aber und ihrer Lehre blieb er bis zum letzten Augenblick seines Lebens getreu, dessen Ende nach kurzem Krankenlager des hochbetagten Mannes am 13. März 1853 in Folge allgemeiner Entkräftung erfolgte. – Die liebevolle Strenge, mit welcher H. in seinem elterlichen Hause erzogen, die Gottesfurcht, in welcher er groß geworden war, hatten seinem Charakter den Stempel einer hohen sittlichen Vollendung aufgedrückt; wahre Humanität, auch seinen Gegnern gegenüber, Gleichmäßigkeit und Ruhe in seiner Stimmung und ein leicht versöhnliches Gemüth gewannen ihm die Herzen seiner näheren und ferneren Umgebung, und wie er ein treuer Familienvater und Freund gewesen war, so wurde er auch als guter Bürger und warmer Patriot hochgeschätzt, seinen wissenschaftlichen Verdiensten aber wurde in Verleihungen von Decorationen, Ehrentiteln, Ernennungen zum Mitgliede zahlreicher Akademieen und wissenschaftlicher Gesellschaften des In- und Auslandes, sowie durch glänzende Feier seiner Jubelfeste die vollste Anerkennung zu Theil. – Mit seiner sehr umfangreichen litterarischen Thätigkeit (ein ziemlich vollständiges Verzeichniß seiner Schriften findet sich in der unten genannten Biographie S. 36 ff.) hat sich H. auf fast allen Gebieten der medicinischen Wissenschaft und auch über diese hinaus bewegt, wovon manche seiner akademischen Reden, seine Arbeit über „Die Litteratur der ersten hundert Jahre nach Erfindung der Typographie“ und seine (1822 verfaßte, aber erst 1855 – anonym – veröffentlichte) Schrift „Die Vertreibung der Türken aus Europa, eine sittliche Nothwendigkeit“, Zeugniß ablegen. – Unter seinen medicinischen Arbeiten nehmen die der Geschichte der Medicin zugewendeten die erste Stelle ein; mit besonderem Fleiße bearbeitete er die Lehre von den Heilquellen (ein großes „Lehrbuch über sämmtliche bisher in Gebrauch gekommene Heilquellen und Bäder etc.“ ist unvollendet geblieben) und den Volkskrankheiten, namentlich des Gelbfiebers und der Cholera; eine sehr umfassende historische Arbeit über die letztgenannte Krankheit „die epidemische Cholera seit ihrem Eintritt in Europa bis auf die neueste Zeit“ ist als Manuscript in seinen hinterlassenen Papieren gefunden worden. – Ein nicht geringes Verdienst endlich hat sich H. um die Wissenschaft durch seine Betheiligung an der Herausgabe und Redaction journalistischer Arbeiten erworben, so namentlich durch die Herausgabe der seit 1819 veröffentlichten „Rheinischen Jahrbücher der Medicin und Chirurgie“, welche von 1828 an mit den „Heidelberger klinischen Annalen“ vereinigt wurden und denen er auch in dieser neuen [607] Form seine Thätigkeit bis zum J. 1834 zugewendet hat. – Uebrigens huldigte H. einer zum Konservativismus hinneigenden Richtung in der Medicin, welche sich aus dem ganzen Studiengange, den er genommen, wohl erklärt; er schenkte den Fortschritten seiner Zeit volle Aufmerksamkeit, aber er vermochte dem gewaltigen Umschwunge, den die Heilkunde in den letzten Decennien seines Lebens genommen hatte, nicht zu folgen und so hat er schließlich nur noch an dem alten Ruhme gezehrt. Das lohnende Bewußtsein einer langen, nicht ganz erfolglosen Wirksamkeit erheiterte den Abend seines Lebens, sein Name aber lebt in Bonn in dem „Praemium Harlessianum“ fort, einer von seinen Collegen, Freunden und Schülern bei seinem 50jährigen Doctorjubiläum begründeten Stiftung, aus welcher alljährlich ausgezeichnete Leistungen junger, in Bonn studirender Mediciner prämirt werden.

Ueber sein Leben vgl. Christ. Friedr. Harleß. Eine biographische Skizze. Mit e. Nachworte von Albers. Berlin s. a. (1857).