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ADB:Harleß, Gottlieb Christoph

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Artikel „Harles, Gottlieb Christoph“ von Iwan von Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 603–604, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harle%C3%9F,_Gottlieb_Christoph&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 19:12 Uhr UTC)
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Harles: Gottlieb Christoph H. (am Ende seines Lebens: Harleß), Litterarhistoriker und Philolog, geb. zu Culmbach, einer ehemals zum Markgrafenthum Brandenburg-Bayreuth gehörigen Stadt, am 21. Juni 1738, bezog, weniger durch das Lyceum seiner Vaterstadt, als durch den Privatunterricht seines Bruders, des nachmaligen Conrectors daselbst, vorgebildet, 1757 die markgräfliche Universität Erlangen, um Theologie zu studiren. Doch trieb ihn seine Neigung mehr zu philologischen als theologischen Studien. 1759 ging er nach Halle, woselbst er von G. A. Francke und A. Freylinghausen unter die Candidaten, welche in der lateinischen Schule des Waisenhauses Unterricht ertheilten, aufgenommen wurde. In Jena, wohin er sich bereits 1760 begab, schloß er mit seinem Altersgenossen Chr. A. Klotz enge Freundschaft, ohne sich dadurch in dessen litterarische Fehden (mit Lessing und Burmann) verwickeln zu lassen (De vitis philologorum vol. I. auct. Harles. p. 170). Durch ihn lernte er zum ersten Mal die alten Classiker von der ästhetischen Seite betrachten und gewann die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit einer Reform des Gymnasialunterrichts, die er aussprach in seinen „Gedanken von dem Zustand der Schulen und ihren Verbesserungen“, 1761. Ein Jahr darauf wurde er Mitglied des philologischen Seminars in Göttingen, das nach M. Gessner’s Tod (3. August 1761) bis zur Ankunft Heyne’s (Sommer 1763) unter der Leitung des Orientalisten Michaelis stand. Noch vor Heyne’s Eintreffen kehrte H. nach Erlangen zurück, um sich zu habilitiren und Mitarbeiter an der Groß’schen politischen Zeitung zu werden. Verschiedene Abhandlungen, z. B. „De fato Homeri“, „De Jove Homeri“ (s. Opuscul. I. 387 ss.), seine „Introductio in historiam linguae latinae“, 1764, die „Vitae philologorum nostra aetate clarissimorum“, Vol. I. Bremen 1764, sowie sein Eifer durch Gründung einer Privatgesellschaft die lateinische Sprache und Litteratur den Anforderungen der neueren Zeit entsprechend zu pflegen, verschafften ihm 1765 eine außerordentliche Professur in der philosophischen Facultät, die er aber nach wenigen Monaten mit der Professur der orientalischen Sprachen und der Beredsamkeit am Gymnasium Casimirianum zu Coburg vertauschte. Während seines vierjährigen Aufenthalts in Coburg erschienen unter anderem die Abhandlungen „De pedantismo philologico“, „De galantismo aesthetico et philologico“ (Opusc. p. 1–67), Abhandlungen und Schriften über das höhere Erziehungswesen, „Vitae philologorum“, Vol. II. (1767); Vol. III. (1768; Vol. IV kam 1772 heraus); „Chrestomathia graeca poetica“ (1768), Chr. Cellarii orthographia latina“, Voll. I et II. (1768), „Demosthenis oratio de Corona“ (1769). Im J. 1769 rief ihn Markgraf Friedrich Karl Alexander von Ansbach-Bayreuth, der durch Berufung frischer Lehrkräfte seine Landesuniversität zu heben suchte und wirklich hob, als ordentlichen Professor der Poesie und Beredsamkeit mit dem Charakter eines markgräflichen Hofraths nach Erlangen zurück. Die Professur trat H. im Sommersemester 1770 an und bekleidete sie 45 Jahre lang bis an sein am 2. November 1815 erfolgtes Lebensende. Als akademischer Lehrer erwarb er sich das Hauptverdienst durch die Gründung des philologischen Seminars 1777, aus welchem unter seiner Leitung eine Anzahl tüchtiger Schulmänner der fränkischen Lande hervorging. Als Schriftsteller war er ungemein thätig; sein Schüler G. W. A. Fikenscher[WS 1] zählt im „Gelehrten Fürstenthum Baireut“, III. 269–291, bis zum J. 1801 277 Schriften auf; hierzu kam bis 1815 eine nicht geringe Zahl, da H. bis in sein hohes Greisenalter rastlos arbeitete. Die verdienstlichste Leistung ist die Besorgung der 4. Auflage der „Bibliotheca graeca“ des A. Fabricius in 12 Bänden; Vol. I. erschien Hamburg 1790, Vol. XII. 1809; den Abschluß [604] des Werkes verhinderte der Verleger, der sich in Folge der ungünstigen Zeitverhältnisse weigerte, den 13. und 14. Band drucken zu lassen. Zu einer derartigen Arbeit war H. mit seiner auf äußerliche Litterargeschichte und Biographie angelegten Natur wie geschaffen. Dagegen haben zahlreiche Ausgaben der Classiker: Aristophanes (Plutus und Nubes), Theokrit, Bion und Moschos, Demosthenes (De corona), Aristoteles (De poetica), Julianus Apostata (Caesares), Ovid (Tristia et epp. ex Ponto), Valerius Flaccus, Cicero (Verrinae, de oratore, epist. selectae), Cornelius Nepos, Sallust, Quintilian, Aurelius Victor, Eutropius, heutzutage nur einen untergeordneten Werth, da hier der zur Polyhistorie und rascher Production sich gesellende Mangel an selbständiger Forschung, strenger Kritik und eindringendem Verständniß vielfach zu Tage tritt; aber für die damaligen Zeiten sind sie insofern von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung, als sie die in oft unzugänglichen Werken niedergelegten Resultate der Forschungen älterer Gelehrten in übersichtlicher Weise dem gelehrten Publicum darboten und zur Aufnahme von Classikern in den Schulen, die sie längst verbannt hatten, Veranlassung gaben. H. gehört zu den Philologen zweiten Ranges, welche im vorigen Jahrhundert den Aufschwung, den Philologie und Humanitätsstudien in unserem Jahrhundert nahmen, vorbereiten halfen.

Vgl. des Referenten Oratio in seminarii philologici Erlangensis sollemnibus saecularibus Kal. Dec. 1877 habita p. 5–10; daselbst ist auch p. 16 Anm. 2, die biographische Litteratur verzeichnet; hierzu in Ersch und Gruber’s Encyklopädie s. v. Harles (von Rotermund).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Georg Wolfgang Augustin Fikenscher (1773–1813), Professor am Gymnasium Christian Ernestinum in Bayreuth und Regionalhistoriker.